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[OBF-420102-001-01]
Briefkorpus


[Saloniki] Freitag, den 2. Januar 1942

Geliebtes Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!


Ein Fensterbrief ist heute zu mir gekommen. Im Schaufenster ausgestellt Dein Mannerli!, ausgestellt – von seinem Weiberl! Na, na – Frau [Nordhoff] verkehrt mit ihrem Manne geschäftlich! Du!!! Bloß höchstens vor den Augen der andern – ja? Schätzelein! Da ist doch auch das Mannerli fein brav, setzt womöglich noch die Amtsmiene auf. Aber wenn wir zu Hause sind, da geht es kaum geschäftlich zu, und statt harter Münze sind da andere runde Dinge im Umlauf, sie klingen nicht, aber wenn man sie nicht sanft handhabt, geben sie wohl auch ein Geräusch von sich. Kennst Du sie wohl, die Münzen, Du! die süßen, runden Dinger? Du!!! Oh! Mein Schätzelein hat wieder viel in Umlauf gesetzt, jetzt, zu Weihnachten! Daß das nur keine Inflation gibt! Na, erst müssen sie mal geprägt werden. Zwei Seiten haben die Münzen der Liebe, wie alle Münzen! Du!!! Müssen wir aber fleißig sein, Herzelein! Und alle Küssel geb ich Dir nicht aufs Mündelein, Du!!!

Habt Ihr also alle auf den Geburtstag vom Mannerli gewartet – und das Mannerli hat doch selber drauf gewartet. Ob ich davon gewußt habe damals? Wissen kann das neugeborene Kindlein wohl nicht. Aber ob es nicht wohl schon fühlen kann, schon ehe es geboren wird? Ob eine Mutter es derb und gleichgültig trägt – oder ob sie es einhüllt ganz lieb und warm in alle ihre Liebe, Wünsche und Sorgen? Und ob dieses Gefühl nicht auch bedeutsam wird für die ganze Entwicklung – so wie alle ersten Erlebnisse? Freilich – die Kinder arten den Eltern nach. Und man müßte selber noch öfter beobachten, ob es zutrifft, daß dort, wo die Mutter sich am wenigsten sorgt, die Kinder wie von selber gepurzelt kommen. Wir sind beide die Erstkinder unsrer Eltern, denen die ganze Sorge, aber auch die erste Kraft zuteil wird. Herzelein! Geliebtes Weib! Unser erstes Kindlein soll es doch ganz gut haben, ja? Du!!! soll gedeihen unter der lieben Obhut von Mutter und Vater, soll von den ersten Tagen an umgeben sein von der ganzen Innigkeit, Freude und dem Stolz seiner Eltern, Du! Du!!!  Schenke Gott uns seinen Segen dazu!

Wie bist denn ins neue Jahr gekommen, Schätzelein? Ach, manchmal ist’s einem doch zu lange ehe man Antwort erhält. Du! Könnte doch sein, daß ich mir bald einmal mündliche Antwort hole auf verschiedene Fragen! Ach Herzelein! Wenn es so geht, wie ich mir denke, krieg ich doch von Dir gar keine Antwort mehr auf diesen Boten! Wenn der Gruß nun zurückkehrt und an die Urlaubsvertretung geht, da will sich doch das Mannerli einschalten. Und wenn es sich wünschen kann, will es zwischen dem 12. – 17. Januar losfahren.

Der 17. Januar ist Sonnabend, könnt das Mannerli wieder einen Tag herausholen, weil der Urlaub erst ab Montag zählt. Aber dieser kleine Vorteil soll mich nicht verlocken zu zaudern. Wie leicht kommt was dazwischen. Nein, wenn es anginge, wollte ich gleich die erste Möglichkeit beim Schopfe fassen, gelt? Du!!! Ach Schätzelein! Daß diese Möglichkeit so nahe vor mir stehen soll – Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Der Abfahrtszeit zwischen 12. – 17. Januar entspricht eine Ankunftszeit zwischen 15. – 20. Januar und ein Verweilen zu Hause bis 6. – 12. Februar. Wär das meinem Schätzelein auch recht? Du!!!!! Du!!!!! Freilich ist’s ihm recht! Ach Du! So unentschieden letztlich das alles noch ist, so wird es doch auch beinahe Zeit, davon zu reden – am letzten Male haben wir doch viel länger vorher schon davon geschrieben!

Wie wollen wir denn die Zeit wieder teilen, Du?! Sind wir diesmal im Kamenzer Stübel gar nicht allein! – gar nicht allein! Du!!! Und wir möchten doch sooo gern und lange allein sein, ganz allein!!! Ja? Du!!!!! !!!!! !!!

Ach Herzelein! Darum wollen wir uns nicht betrüben – ja? Wir finden schon zueinander, ja? Du! Du!!! Hab doch mein Evchen!!! mit – na, und der Adam kann doch auch nicht ‚nein‘ sagen! Der macht alle Dummheiten mit!  Bin immer noch Dein Lausbub, ja? Du!!! Der böse! Was macht man mit dem bösen Buben? – Ich weiß – aber ich sag’s nicht – wär doch schön dumm!

Aber heim komm ich trotzdem, ich fürcht mich nicht! Ob ich mich freue? Du!!! Und wenn die Freude jetzt noch nicht da wäre – aber wenn ich bei Dir bin – wenn ich bei Dir bin – Du! oh Du!!!

Oh Schätzelein! Soviel Liebes haben wir uns nur schreiben dürfen in der langen Wartezeit – nun möchten wir das Liebste wieder einmal schauen! und ganz bei uns fühlen! und alles Liebe einander erzeigen!!!

Dein Mannerli hat eben den Kalender neben sich liegen. Hat doch nach den Urlaubstagen geschaut! Bloß danach! Mein Schätzelein glaubt es wohl nicht? Meint, das Mannerli und der Kalender hätten noch eine andre Bedeutung, eine, die aufs Weiberl zielt? Wird es denn auch fein pünktlich sein im neuen Jahre? Du!!!

Nein! Nein! Ganz falsch geraten!!!! Denk, dieses Jahr hat nur einen Sonnabend, der auf den 13. fällt, hätten wir doch gar keine Wahl mit der Hochzeit, müsste eben am 13. Juni sein.

Und der Purzeltag von meinem Schätzelein fällt in diesem Jahr auf einen Sonntag. Auf einen Montag dann der Hochzeitstag und auf einen Dienstag der Purzeltag vom Mannerli. So liegen diese drei Hauptfeste der Familie [Hilde] und [Roland Nordhoff] immer zueinander. Das Mannerli ist ein Sonntagsjunge gewesen – mein Herzelein ein Montagsmädl, so habe ich eben zurückgerechnet, stimmt’s? Mein Weiberl holt mich im Alter immer mehr ein, glaubst das? 1933 war mein Schätzelein halb so alt wie sein Mannerli. Im Jahre 1946 wird es zweidrittel so alt sein wie das Mannerli, im Jahre 1957 dreiviertel so alt. Kommst mir immer näher!

Aber so weit wollen wir heute noch gar nicht rechnen, gelt? Sind doch noch so viel Jahre dahin, in denen wir gar nicht zählen mögen und ans Alter denken, nur rüstig schaffen und einander liebhaben wie zwei ganz junge Liebesleute, ja? Du!!! Du!!!!! Muß mir die Geburtstage der lieben Eltern mal sagen lassen, die möchte ich in diesem Jahre doch gar nicht vergessen!

Ach Du! Ob denn der Kalender recht viel Geburtstage hat in diesem Jahre? Du! Das ist doch unser Wünschen – und das viel andrer Menschen ja auch! Ganz tapfer wollen wir aushalten – und die Hoffnung festhalten und Gott vertrauen – dann wird alles gut werden! Wem von uns beiden es wohl schwerer fällt? Ach Du! Du! Gleich schwer allen beiden [?] So wie wir einander ganz liebhaben und keinen heißeren Wunsch als den, miteinander zu gehen.

Oh Herzlieb! Ganz dankbar wollen wir sein! Und wenn ich jetzt wieder zu Dir kommen darf! Die Heimat schauen! Die Lieben alle daheim aufsuchen – und Dir heimkehren, geliebtes Weib! – ganz dankbar.

Wird dicker Winter sein? Und kurz die Tage und lang die Nacht und die Dämmerung! Wird der Wintersmann uns ins Stübel treiben! Wird Dir kalte Händlein und Beinchen und Nasel machen, damit das Mannerli sie wärmen muß! Ach Geliebte! Geliebte!!! Oh Du! Oh Du!!!

Wie es auch wäre – wir müssen einander ganz liebhaben! Ganz sehr liebhaben! Oh Du! Hoffe mit mir, daß unser Wünschen sich erfüllen möge! Bleib mir gesund. Gott behüte Dich! Er stehe uns bei!

Ich habe Dich sooo lieb! Sooooooooooooo lieb! Du!! Ich will doch bald kommen! Kommen!!! Kommen!!!!! !!!!! !!! Ich küsse Dich. Ich herze Dich! Ich denke Dein so lieb und voll Sehnsucht! Ich bin ganz Dein! Ewig Dein [Roland]

 

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946