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[OBF-420101-001-01]
Briefkorpus

[Saloniki] Am Neujahrstag 1942

Mein liebes, teures Weib! Du! Meine liebe, liebste [Hilde]!

So regelmäßig und pünktlich kommen Deine lieben Boten zu mir in diesen Tagen! Oh Du! Mein liebes, treues Weib! Und jeder Bote bringt mir soviel Glückstrachten und Sonnenglanz der Liebe! Geliebte! Soviel Festglanz und Festfreude ist in meinem Herzen – soviel Sehnen auch und Danken! Du! Oh Du!!! Glückbringer mein! Goldherzelein! Ich habe Dich sooo lieb! Heute zum Neujahrstag läßt Du mich nun teilnehmen an Deiner Weihnachtsfreude. Herzelein! Zu mir drängt es Dich, all die Freude auszubreiten. Oh Du! Du!!! Ganz weit und lieb öffne ich Dir mein Herz, oh so überglücklich, ein ganz glückliches Mannerli: Komm, komm, geliebtes Weib! Bring mir Deine Freude!!!

Oh Schätzelein! Das Glück zweier Liebenden hängt von so vielem ab – am meisten doch davon, daß die Herzen zusammenstehenstimmen. Zusammenstimmen ist vielmehr als Verstehen. Zu diesem Zusammenstimmen gehört auch das Harmonieren in Freud und Leid. Ich habe Dir schon erzählt, daß ich ein gutes Menschenkind kannte, mit dem ich nicht zusammengestimmt hätte – es war zu weich, zu empfindsam in allem. Herzelein! Vielleicht würde manch einer mit dem Kopfe schütteln, wenn er unsre Briefe läse. Er würde unser Glückstrahlen und Jubeln und Empfinden nicht begreifen. Das tut auch nicht nötig. Aber daß wir einander darin ganz verstehen, daß wir Freud und Leid voreinander ausbreiten können ohne Hemmung, ohne Vorbehalt, daß sie unsre Herzen mitschwingen machen – das ist so wichtig. Oh Du! Herzelein! Ich verstehe Dich in Freud und Leid. Du kannst so tief und dankbar und kindlich Dich freuen – Du! Wie bin ich glücklich darum! Wie lieb ich Dich darum!!!

Oh Schätzelein! Wie machst Du mein Herze mitschwingen, mitjubeln! Wie beglückt fühle ich alle Zartheit und Innigkeit Deines Herzens – oh Herzelein! Ich bin ganz eins mit Dir! Ganz eins mit Dir!!! Oh Du! Ganz hoch schlägt mein Herz vor Liebesglück, daß Du zu mir kommst mit Deiner Freude, daß Du mein bist! Ganz mein!!! Herzallerliebstes Weib! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Ganz lieb und heiß umschlingen möcht ich Dich, Herzensschätzelein! Oh Du! Du!!!!! !!!!! !!! Komm immer zu mir! Geliebte!!! Mit Freud und Leid! Ich bin sooooo glücklich!!!

Glücklich doch auch darum, daß Du meine Freude, meine Zärtlichkeit, mein Glücksempfinden mitfühlen kannst, daß es Dich anspricht, ganz wesensverwandt. Oh Geliebte! Ich muß mit allen Anliegen des Herzens auch zu Dir kommen. Niemand in der Welt wird mich noch einmal sooo lieb verstehen wie Du! Mein liebes Weib!!!

Herzlieb! Im Gedränge vor dem Feste bin ich doch mit meinem Schreiben fast nicht nachgekommen. Darum richtete ich den den  lieben Eltern zugedachten Brief an euch alle. Und am nächsten Tage schrieb ich einen für mein Schätzelein besonders. Er hat Dich nicht rechtzeitig erreicht. Aber er wird Dich auch nachträglich beglückt haben. Ach, Du weißt, daß ich Dich sooo liebhabe! Sooooooooooooo lieb! Herzelein! Ich hätte mir doch sooo gern mitbescheren lassen bei euch daheim. Und wie Du mir lieb nun alles schilderst, will mich doch nachträglich die Sehnsucht packen.  Hast sooo lieb und festlich alles vorbereitet! Du! Herzelein! Mit Dir einmal warten vor der Weihnachtstür – Du!!! Bei Euch daheim – ich glaub['], da kann ich mich am meisten von Herzen freuen! Oh Schätzelein! Wir kennen das selige Erwarten – Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Weißt, wir lassen die liebe Mutsch den Weihnachtsmann sein – und wir unterdessen? Du! Oh Du!!! Nicht so laut küssen! Ganz still sein, wenn ich Dich drücke, Du!!! Oh Du!!!!! !!!!! !!! Herzlieb! Läßt Du wohl Deine Weihnachtsstube noch ein Weilchen – und den Christbaum? Du! Du!!! Ich möchte doch sooo gern zu Dir kommen. Denk nur! Was für eine böse Nachbescherung es gab: am dritten Feiertag – Urlaubssperre. Und gestern! Du!!! Du!!!!! Urlaubssperre am 12. Januar wieder aufgehoben! Herzelein! War das eine Freude!!!!! !!!!! !!! Und unser Spieß braucht nicht mit zum Kursus. Du! Du!!! Schätzelein – wenn es eben gar keinen Urlaub geben könnte – Du! Wir wollten nicht daran zerbrechen – wir wollten einander ganz lieb behalten – ja? Du!!!!! !!!!! !!! Du kannst mich doch gar nicht auslassen aus Deinem Herzen – Du! – Ich bin doch hineingewachsen und wohne nun darin das ganze Leben! Du!!! Aber nun können wir auch die Hoffnung nicht auslassen, und unsre Freude nicht verbergen! Gott steh uns bei!

Du! Wenn das nun [ein]mal schnell ginge – da ist doch noch die Geschichte mit dem Schlüssel – nicht mit dem Schlüsslein, das schreib ich doch viel kleiner!!! – mit dem Hausschlüssel – ich habe keinen Schlüssel einstecken – bloß ein Schlüsslein - aber das gehört gar niemandem sonst als meinem lieben Dornröschen! – Ach Herzelein! Du! Ich freu mich mit Dir, ganz leise und heimlich!!!

Nun will ich Dir erst noch sagen, wie wir Silvester feierten. Es ist schnell erzählt.

Um 3 Uhr war der Dienst zu Ende. Kamerad H. kam heim. Nun haben wir gemeinsam für eine behagliche, saubere Stube besorgt. Nach 4 Uhr haben wir Kaffee getrunken, Stollen gab's. Und dann war es doch so weit, daß ich mich zum Kirchgang anschicken musste. Draußen schneite es. Eine milde Schneeluft wars, ein frohes Menschengewühle. Das Neujahrsfest wird hier wohl noch mehr gefeiert als das Weihnachtsfest, und, wie in Frankreich, beschenkt man sich erst recht zu Neujahr. Ach Du, Herzelein! Die innige, süße Freude der Weihnacht gibt es hier nicht. Die ist nur daheim! Der Gottesdienst war nicht gut besucht. Der junge Pfarrer konnte die Herzen nicht recht entbinden von ihrem Anliegen – sehr schade! Er knüpfte seine Predigt auch nicht an ein Schriftwort – am Tag der Jahreswende, da die eherne Majestät des Gotteswortes uns recht bewusst werden sollte! Aber wir sangen die schönsten Neujahrslieder – und ich habe mir das Herz freigesungen. Ganz froh bin ich nach Hause gegangen. Ein Unteroffizier sprach mich an – Pfarrer aus Grüna bei Chemnitz. Ganz dicht dabei bin ich doch ganz zu Hause, Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Auf dem Heimwege hatte ich doch noch eine Besorgung, die meine Schritte beflügelte! Du!! 'Zu Hause' steckte alles im tiefsten Dunkel. Kein Licht. Nur ein wenig Kerzenschein, daß wir gerade das Mündlein finden konnten mit unserem Kartoffelsalat und unsrer Wurst. Ein ganz grüner Kartoffelsalat war's, heut abend gibt es noch ein wenig.

Ein lieber Bote wartete mein daheim – Du! Du!!! Und dann haben wir uns gleich erst ein wenig lang gestreckt – und geschlafen, bis gegen 9 Uhr. Unterdessen war das Licht gekommen. Unsre Hundertkerzige brannte ganz trübe. Nun ließ es dem Mannerli aber keine Ruhe, es musste Zwiesprache halten mit seinem Herzelein! Vom alten Jahr ins neue Jahr – so wie Du daheim, Geliebte!!!

Kamerad H. hatte 2 Flaschen Bier getrunken und das Bauchel sich vollgestopft mit Kartoffelsalat – er sank wieder müde au sein Bettlein und hat brav geschlafen, während ich mit meiner Herzallerliebsten sprach – das war fein! Am liebsten bin ich doch mit Dir ganz allein! Du - so wie später einmal – ganz allein mit Dir! Um uns lauter Herzenstraute!!! ½ 12 Uhr wachte der vollgefressene Wolf auf. ¾ 12 Uhr hat Dein Mannerli die Weihnachtslichter angezündet, daß sie uns leuchten sollen über die Schwelle ins neue Jahr. Ein neues Jahr – manches lassen wir zurück im alten, vieles wollen wir zurücklassen – ein Anstoß soll das neue Jahr sein zu neuem Leben! – aber manches möchten wir nimmermehr zurücklassen, wir könnten es nicht, wir müssen es mitnehmen, unsre Liebe, unseren Glauben. Neues Leben, wohl, aus unsrer Herzen Wurzel. Und zu unsrer Leben Herzwurzel gehört unsre Liebe, und unser Glaube! Du! Mein geliebtes Weib. Die meisten Kameraden waren zu einem Bunten Abend an Land. Ganz ruhig war es im Hause – bis nach 11 Uhr. Dann wurde Leben  Den Übermut und die Ausgelassenheit hatte man von vornherein stark gedrosselt: die Kantine blieb geschlossen. Erst gegen 11 Uhr gab es einen Punsch. Der Übermut war so noch groß genug und machte sich in einer heftigen Knallerei Luft, die strengstens untersagt war. Aus der Nachbarstube ertönten im Radio die Glocken, die Dampfer begrüßten das neue Jahr mit Sirenengeheul. Wir beide bemühten uns um uns[e]re Sektflasche, der Pfropfen saß zu fest. Ein Glas haben wir geleert auf das Wohl unsrer Frauen und Lieben daheim. Den Rest haben wir weggeschenkt – das Zeug's schmeckte uns nicht  Gegen 1 Uhr sind wir ins Bettlein gekrochen. Und jemand ist gewesen, der hat das Mannerli lange nicht schlafen und sich sooo sehnen lassen! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Geliebte! Ein paar Bilder lege ich Dir bei. Meine Herzensfreude und - Dankbarkeit am Heiligabend war sooo groß – sie wollte sich Dir kundtun. Schätzelein! Ich wollte Dich doch so gern beschenken. Und da hab ich mich doch belauschen lassen, am Weihnachtstag, als ich allein war – für! Dich! Für Dich ganz allein!!! Du!!!!! Mag es Dich ein wenig freuen und beglücken. Nimm die Bildchen als mein Neujahrgeschenk – als ein Gelöbnis – ach Herzlieb, als mein Bekenntnis und [A]usdruck meines Glückes, das Deine Liebe mir bringt:

Du bist mein Ein und Alles! Meine Sonne! Mein Leben! Du! Herzelein! Geliebte! Ich liebe Dich! Ich bin ganz Dein – und bleibe es bis an mein Ende! Gott behüte Dich! Er segne unsren Bund!

Du! Herzelein! Ich küsse Dich – herzinniglich! Ich drücke Dich überglücklich an mein Herz! Oh Du! Bleibe mein! Behalte mich lieb!Ich liebe Dich so sehr! Du!!! Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Ewig Dein [Roland] Ganz Dein! – Du! Mein!!

Mein!!!!! !!!!! !!!

Sage den lieben Eltern viel liebe Grüße.

Die Bilder sind leider nicht gut behandelt worden.

Eines ist gar nicht abgezogen. Griechische Bedienung!

 

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946