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[OBF-411230-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 30. Dezember 1941

Herzallerliebste! Mein liebes teures Weib! Holde mein!

Oh Geliebte! Soviel Sonnenschein ist in meinem Herzen! Soviel Glücksgefühl! Oh Herzelein! Ich konnte doch gar keinen Schlaf finden, keine Ruhe – ich habe Dich müssen ganz liebhaben – Du! Du!!!

Oh Du! Nicht jeden Tag strahlt sie so mächtig, die Sonne unsres Glückes. Nicht jeden Tag erglänzt sie so tief leuchtend. Ein Garten, ein Schatzkästlein, ein Buch ist unsre Liebe. Komm, Herzelein, wir wollen miteinander durch den Garten unsrer Liebe gehen! Oh Du! Du!!! Soviel Blüten stehen schon darin – und gleich hier, oh Geliebte, sie ist erst gestern so herrlich erblüht – Du! Und ich bin noch ganz trunken von ihrer Schönheit und ihrem Duft. Und ringsher die vielen, vielen Blüten schon. Und vor uns, Du! Du!!! Noch viele, viele Knospen – Geliebte! Geliebte!!!!! – Und siehst Du hier im Schatzkästlein die vielen Karten liegen? Aus jeder Karte schimmert eine Welle unsres Glückes! Oh Herzelein! Welcher Reichtum! Welch köstlicher Schatz! Wie will ich sie hüten! Nicht eine möchte ich auch nur veräußern! – Oh Herzensschätzelein! Fragst Du, ob ich Dich liebe? Schlag auf das Buch unsrer Liebe – schlag es auf: „Ich liebe Dich! Ich liebe Dich!" So will es Dir jubeln, Dich beglücken und beseligen! Geliebte! Da sind Worte! Und Dein Mannerli steht zu seinem Wort. Aber da ist viel mehr noch, Geliebte! Zeichen der Liebe! Zärtlichkeit, und Schenken und Seligkeit, lebendige Liebe zum Zeichen erstarrt – Liebe, die sich kundtun muß, oh Herzelein, mit der wir einst einander umgaben, täglich, stündlich, immerzu! Und jedes neue Blatt, das wir dem Buche einfügen, es ist nicht wertlos, ungültig, veraltet, ist nicht verwelkte Liebe – oh Herzelein! Es ist Frucht der Liebe, Reichtum, der uns bleibt! Oh Geliebte! Unsre Liebe wird sich wandeln, aber sie wird nie erstarren in Worten und Schwüren – sie wird ganz lebendig sein wie der Quell, wie das Herzblut. Herzelein! Ein Meer ist unsre Liebe! Die Ströme unsrer Liebe haben einander gesucht, sind einander entgegengeeilt  und nun haben sie einander gefunden und sich vereinigt und einander ergossen zum Meere. Und nun ist ein Fluten und Wallen von Herz zu Herz – oh Geliebte!!! Und wie das Meer nicht flieht und flüchtig ist, sondern ruft – so gewiß ist unsre Liebe und stetig – ein unerschöpfliches Meer. Oh Herzlieb! Ich bin sooo reich und glücklich in Deiner Liebe! Sie ist ein Meer, so stetig und unerschöpflich wie ein Meer! Oh Herzelein! Du füllst mein unsagbares Glück – oh Du! Du!!! Ich liebe Dich!!!!!

Schätzelein, über allem Herzenssonnenschein vergesse ich doch ganz, was um mich vorgeht. Es ist auch alles so klein und unwichtig daneben. Oh Geliebte! Wer erfährt es noch so wie wir beide, daß aller Reichtum im Herzen beschlossen liegt?

Winter ist es geworden in Saloniki. Am Sonntagnachmittag fielen die ersten Schneeflocken. Am Abend lag alles überschneit. Am Montag fegte ein kalter Nord [wohl: Nordwind] in unsre Bucht. Er brachte 5 Grad Kälte. Heute früher hatten wir bei klarer Luft und Windstille 7 Grad Kälte. Gleich ist das Wasser gefroren in unserem luft[ig]en Haus. Nur aus einer Leitung läuft es noch. Es ist alles auf solche Kälte nicht eingerichtet. Das schlimmste ist dieser kalte Wind. Heute ist es schon wieder still und milder. Also wechselhaft. Dein Mannerli steckt warm und es ist ihm auch ganz warm immer – warm, so warm, daß er doch gleich etwas davon abgeben könnte – meinem Herzlieb – Du!!! – hat den Pullover angezogen, seitdem der kalte Wind geht. Und in unserem Stübel hat der Ofen schon ein paar mal gekocht – er macht seine Sache gut.

Leben ist geworden im Wasser vor unserem Haus. Entenschwarm, bis zu 300 Stück, suchen das stille Wasser zwischen dem Uferrand und der Steinmole auf. Die Soldaten von der Wetterwarte machen Jagd darauf. Die Tiere sind wenig scheu und leicht zu erlegen. Weiß nicht, ob viel dransein [sic] mag. Die Möwen fliegen in größeren Scharen das Uferwasser ab und suchen etwas für ihre Schnäbel und Mägen. Zu ihnen haben sich jetzt Seeschwalben gesellt, ein ganzer Schwarm, der manchmal wie eine Wolke so geschlossen vorüberbraust und dann sich plötzlich niederstößt oder zerstiebt.

Herzlieb! Wie wird es zu Hause aussehen jetzt? Du hast auch lang nichts mehr darüber geschrieben. Ich hörte, daß es wieder wärmer geworden ist – ist wohl wieder ein schwarzes Weihnachten gewesen?

Morgen nun der letzte Tag im alten Jahre. Oh Schätzelein! Ich werde ganz lieb Dein denken! Um 5 Uhr will ich zum Gottesdienst gehen. Mal sehen, ob ich den Kameraden H. mitbekomme. Wir werden das neue Jahr erwarten – in der stillen Behaglichkeit unsres Stübchens heimdenken. Das Mannerli wird seinen Boten auf den Weg schicken – wird all die lieben Bilder um sich versammeln – ein paar Seiten auch in Deinem Geschenkbuche lesen. Und bei einem guten Trunke – wir haben eine Flasche Sekt zu zweien, Weihnachtsgeschenk für die Soldaten – werden wir anstoßen auf das Wohl aller Lieben daheim, auf ein gesegnetes Jahr, das uns den Frieden bringen möge, und auf das ganz besondere Wohlergehen doch von meinem allerliebsten Herzensschätzelein. So in der Stille wird auch der Neujahrstag vorübergehen. Das Mannerli wird voraussichtlich ganz allein sein – Kamerad H. hat wieder Sonntagsdienst.

Oh Geliebte! Ganz bewegten Herzens werden wir beide stehen an der Jahreswende. So wie schon immer, seit wir einander liebhaben. Geliebte! Eine große Hoffnung tragen wir in uns. Das verflossene Jahr hat sie uns nicht erfüllt – aber es hat sie auch nicht zerstört. Und das verflossene Jahr hat uns ihrer Erfüllung nähergebracht. Oh Geliebte! Des wollen wir aus tiefstem Herzen dankbar sein!!! Möchte Gottes Gnade uns im neuen Jahre so zur Seite sein wie in dem zu Ende gehenden!

Herzelein! Möchten an dem neuen Kalender soviel Tage reichen, tiefen Herzensglückes stehen wie an dem alten. Oh Geliebte! Vielleicht ist der Tag darunter, da ich Dir ganz heimkehre! Sei zuversichtlich und stark mit mir! Gott wird mit uns sein! Er wird alles zum Besten wenden!

Herzelein! Geliebtes Weib! Wenn ich nur ferner Dich lieben darf – wenn Du mir nur bleibst – oh Du! Dann wird so[vi]el Sonne und Mut und Kraft mit mir sein – Sonne, die Dir widerscheint, Mut und Kraft, die Dich mittragen, Herzelein! Du bist doch meines Lebens ganzer Sonnenschein! Meines Herzens ganze Freude! Mit Dir bin ich sooo reich! Ohne Dich wäre ich sooo arm!

Oh Herzelein! Mit all meiner Zärtlichkeit will ich Dich auch umgeben. Will Dein ganz lieb denken in den nächsten Tagen! Du! Mein Weib! Mein Weib!!! Mein liebes, holdes Weib! Oh Schätzelein! Unendlich wert bist Du mir! Schaust Du Dein glückliches Mannerli? Sein Entzücken? Du hast es so glücklich gemacht! Oh Du! Bist sooo reich! Bei Dir ist soviel Wonne und Seligkeit! Oh, weißt Du, wie selig Du De[in] Mannerli machen kannst? Wie ganz närrisch vor Liebe? Herzelein! Möchtest keines wieder so beglücken können, so reich beschenken wie Dein Mannerli! Oh Du! Möchtest keines auch wiederfinden, daß sooo verlangt und sich sehnt und neigt zu weiblichem Wesen – zu gutem, echtem weiblichen Wesen, wie Du, Geliebte, es verkörperst. Oh Geliebte! Dir darf ich ganz nahe sein! Dir darf ich alle Zärtlichkeit bringen! Darf so tief in Deinem Herzen wohnen! Du bist mein! Ganz mein!!!!!!!!!!!!! Ich bin ganz Dein! Und Du bist mein allerliebstes, einziges Weib! Erfüllung all meiner Sehnsucht! Du, meine Liebe! Meine Sonne! Gott sei mit Dir! Er lasse Dich recht bald wieder gesund werden! Herzelein[!] Denk an Dein Herzensmannerli! Ich bin Dir ganz nahe, immer, Du!!!!!

Ich küsse Dich – leis, ganz leis! Herzblümelein! Lotosblume! Ich streiche Dir über die Wängelein – leis, ganz leis – Herzallerliebste, Du! Goldherzelein! Birg Dich an meiner Brust! Hüll Dich in meine Liebe! Ich halt['] ganz still – und bin ganz glücklich – und selig – Dein Mannerli – Dein Herzensmannerli – in unendlicher Liebe – ewig Dein! Ganz Dein [Roland]!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946