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[OBF-411229-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 29. Dez. 1941

Mein liebes, teures Weib! Herzallerliebste, Holde mein!

Herzelein! Herzensschätzelein! Nun leuchtet mir aus Deinen Augen das Glück – das Glück uns[e]rer Liebe! Du bist glücklich in meiner Liebe! Oh holder Widerschein! Oh beruhigender Widerklang! Geliebte! Ich fühle ganz beseligt, wie tief unsre Herzen ineinanderruhen. Oh Geliebte! Ich fühle, wie Du mich an Dein Herz ziehst, ganz lieb, und nah, und fest – Dein Liebster, Dein Herzensschatz! –Oh Herzelein! Ich fühle, wie Du Dich meiner Liebe ergibst, wie Dich meine Liebe beglückt und beseligt! Du!! Du!!!!! Mein! Mein Weib!!! Mein Ein und Alles! Meines Lebens Sonne! Oh Du! Kein lieberes Trachten, keine größere Freude kann mir werden auf dieser Welt, als Dich einzuhüllen in meine Liebe, als Dich zu beglücken!

Und kein größeres Glück – kein Schatz köstlicher auf dieser Welt als von Dir geliebt zu werden! von Dir geliebt werden! Von Dir geliebt werden! Oh Du! Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Oh Schätzelein! Wir müssen es einander immer wieder bekennen und versichern! Wir möchten fein still und ruhig sein voreinander – wir können es nicht! Oh Herzelein! Neben dem jubelnden Entzücken will sich immer sogleich dämpfend und drohend die Sorge einstellen – die Sorge um unsre Liebe. Eine Sorge bewegt mich für uns beide jetzt wieder, Geliebte: daß wir einander nicht verzehren und krank werden vor Sehnsucht. Oh Herzlein! Miteinander wollen wir Gott täglich um Kraft bitten, um Geduld und Demut in seinen [sic] Willen. Oh Geliebte! Wollen nicht den wilden Schmerz und das zehrende Heimweh Gewalt über uns gewinnen lassen. Wollen tapfer aushalten! Du! Mein lieber, tapferer Weggesell! Gott wird unser Gebet erhören. Und wenn es uns am schwersten wird – nachträglich spüren wir, daß Gott es war, der uns darüber hinweg half. Er wird Mittel und Wege finden, uns zu führen nach seinem gütigen Willen.

Oh Geliebte! Anders waren früher die Sorgen um unsre Liebe. Und meine besondere Sorge war doch, daß wir recht zueinderfinden möchten, einander ganz nahe kommen und recht von tiefstem Herzen liebgewinnen – ach Schätzelein, daß ich Dich nicht verlieren möchte – daß ich Dich ganz erfüllen möchte mit meiner Liebe! Das war meine größte Sorge – ach Herzele[in], eine Sorge, von der ich mich doch nie umdüstern ließ – die doch all meine Liebe beflügelt, aufgeweckt und beredt gemacht hat.

Du! Liebes Weib, vertraust Dich mir an mit einer anderen Sorge! Oh Du! Du!!! Du!!!!! Ich bin nicht darüber erschrocken. Und aus Deiner Sorge spricht mir innigste, zärtlichste Liebe – Herzelein!

Herzelein! Weißt Du, was unser Glaube uns sagt? Es gibt keinen Tod – es gibt nur Gottes heiligen Willen! Der Tod, diese dunkle, grausige Gestalt, die unbarmherzig, willkürlich, blind zugreift und Leid bringt – Herzlieb, sie ist eine Gestalt aus der Zeit, da die Menschen noch im Dunkel tappten, da sie noch nichts wußten von einem allwaltenden, allgütigen und allweisen, allerbarmenden Vater im Himmel.

Gottes Ratschluß ist oft unerforschlich und unfaßbar fürs erste, so, daß wir doch manchmal gar nicht den Vater im Himmel erkennen können – aber sein Will ist der Beste. Sündhaft und vermessen wäre der Mensch, der von sich sagen wollte, er kenne Gottes Willen, er könne ihn berechnen, er könne ‚sicher sein' vor Gott. Der Glaube allein, das vertrauensvolle Ergeben in Gottes Führung allein können uns froh werden und schaffen lassen – trotzdem am Ende des Lebens der Tod steht. Oh Geliebte! Laß uns deshalb nicht rechnen und simpeln und rechten und markten – zweifeln ist all das – Laß uns frohen und dankbaren Herzens Seit an Seite schreiten, Gott vertrauend. Oh Geliebte! Wir wollen füreinander beten, daß Gott uns gnädig vereine! Daß er uns demütig halte im Glück! Wir sind Gottes Kinder. Seiner Vater Huld laß uns vertrauen, seiner Führung uns ganz vertrauen!

Geliebte! Wir durften beide schon Menschen führen und deren Vertrauen fühlen. Oh Herzelein! Wir dürfen es beide erfahren, wie köstlich es ist, einen Menschen zu wissen, dem wir uns ganz anvertrauen können – Du!!! Oh wie beglückend, wie köstlich ist das! Also laß uns Gott im Himmel vertrauen, geliebtes Weib!!!

Herzelein! Als Kind kam es mir manchmal ein vorzustellen, wie es wäre, wenn ich am Grabe der Mutter stehen müßte: lauter, wilder, trotziger Schmerz – es darf nicht sein, es kann nicht sein! – Herzeleid, daß es Gott erbarmen müßte, Kümmernis mein Lebenlang [sic]. In diesen kindlichen Vorstellungen tat sich die große Liebe zur Mutter kund, suchte sie ein Maß.

Herzlieb! Es war in einer dunklen Stunde, da ich zurücksank in das Dunkel meiner Schattenwelt, in das Grau meiner Einsamkeit, als ich Dir schrieb: „Ich bin auf alles gefaßt. Ich könnte mich über nichts mehr wundern – auch wenn ich Sie verliere. Ich würde daran nicht zerbrechen."

Oh Du, mein liebes Weib! Damals zweifelte ich noch, glaubte noch nicht, hatte Dich noch nicht so lieb – hielt Dich noch nicht sooo fest! Du!!!!!

Oh Herzelein! Und doch bedeuteten diese Worte dasselbe wie ehedem die Kindergedanken der um die Mutter: es war ein Bitten, ein Flehen, ein Beschwören aus des Herzens dunkelster Tiefe, Herzlieb, es war ein ganz tiefer, dunkler Blick, ein Aufschrei der Seele! Laß mich nicht zurückfallen in meine Schattenwelt, in meine Einsamkeit mit ihrer Freud= und Glaubenslosigkeit!

Oh Geliebte! Wie ich unsre Liebe nur als ein Gnadengeschenk Gottes erkenne – so wäre mir ihr Verlust die schwerste Erschütterung meines Lebens. Herzelein – wenn Du Dich von mir wendetest – ich könnte es nie verwinden in meinem Leben – mein Leben wäre hinfort ein Schmerz und eine Qual. Ich muß Dir treu sein bis in den Tod – ich müßte Deiner Eltern Sohn bleiben – oh Geliebte! Laß mich das nicht ausmalen!

Komm! Falte mit mir die Hände: „Gott im Himmel! Sieh uns hier stehen! Sei uns gnädig! Segne unseren Bund! Führe uns gnädig zusammen, daß wir Dir leben! Zieh uns zu Dir, daß wir Deine Kinder werden, die gläubig und vertrauend aufschauen zu ihrem Vater! Amen!" Herzelein! Ich will d[ir] leben und heimkehren! Ich will Dich gar nimmer allein lassen!

Geliebtes Weib! In Gott dürfen wir uns unsrer Liebe freuen – dürfen wir frohgemut unsre Straße ziehen! In Gott dürfen wir unsrer Liebe dankbar und froh gewiß sein!

Herzelein! Ein Wunder ist unsre Liebe! Ich habe Dir warten müssen – Du hast mich finden müssen! Bis wir einander erkannten.

Nur einmal im Leben kann solches Wunder uns begegnen. Oh Geliebte! Dieses Wunder ist unsrer Liebe größte und tiefste Gewißheit. In wundersamer, unendlicher Liebe hast Du mich gesucht – ach Herzelein, wie das Schwesterchen seine Brüder in den „Sieben Raben", Glücksucher, Schatzgräber, Goldherzelein! Und ich – oh Geliebte! Oh Geliebte! – bin Dein Glück, Dein Schatz, Dein Gold? Nach dem Du so suchen mußtest? Das Dir so einzig und köstlich dünkte? – Oh Geliebte! Sag es mir selbst! Ich weiß es nicht – ich weiß nur, daß ich wartete, einsam, und daß ich glaubte und mich sehnte nach innigster Liebe, nach tiefster Liebe, daß ich mich unendlich sehnte, ein Menschenkind ganz lieb zu haben, wie ein verborgener Quell nach seiner Befreiung. Ich weiß nur und fühle, wie dieser Quell nun befreit ist – wie ich lieben kann und muß – und wie ich geliebt werde! Wie all mein Sehnen erfüllt ist – durch Dich! Geliebte! Geliebte!!!!! !!!!! !!! Ich lasse Dich nimmermehr! Sei froh und zuversichtlich mit mir! Ich halte Dich ganz fest! Ich will Dir leben! Gott wird uns helfen! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich! Du! Meine Liebe! Meine Sonne! Mein Goldschätzelein! Mein geliebtes Weib! Du! Ich küsse Dich! Sooo lieb! Und danke Dir für all Deine Liebe! Du!!!  Ich bleibe ewig Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946