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[OBF-411220-001-01]
Briefkorpus

Sonnabend, den 20. Dez. 1941

Meine liebe, liebste [Hilde]! Herzelein! Liebes, teures Weib!

Sonnabend ist. Stille. Feierabend. Die Arbeit ruht. Und in unsrer Stube ist wieder Ordnung nach dem Kartoffelbraten, dem kleinen Waschfest des Kameraden H. und unserem Abendbrot. Und nun ist wieder die Stunde, in die unser Tag mündet, auf die es einzig zuzueilen scheint, für die einzig es geschaffen und wert scheint, Deinem Mannerli: die Stunde des Heimdenkens. Herzelein! Diese Stunde, dieses Heimdenken, und Dein liebes Denken her zu mir machen es, dass die Weite und Ferne schrumpft zwischen uns, daß unsre Herzen sich ganz nahe bleiben, daß wir einander nicht verlieren im Gedränge unsrer Zeit, sie sind die Brücke zwischen Dir und mir, Bett und Strom unsre Liebe und Sehnsucht.

Oh Geliebte! Zwei liebe Boten halte ich in Händen – oh Herzelein! Geliebte!!! – Sie sagen und künden von Deiner Liebe und dem süßen Schmerz Deiner Sehnsucht!

Liebes, liebstes, herzallerliebstes Weib! Ich könnte jubeln darum: Du liebst mich! Du liebst mich sooo sehr!!! Und so heiß und glutvoll und übermächtig ist Deine Liebe. Mir gilt sie! Mir!!! Oh Du!!! Du!!!! !!!! !!!! !!!

Oh Geliebte! Und ich könnte traurig werden darum: Ich muß Dir ferne sein! Ich kann Dein Sehnen nicht stillen! Ich kann Dir nicht helfen in Deinem Schmerz – – als nur so, daß auch ich mein Sehnen dämpfe und unterdrücke – – oh Geliebte! Vor 8 Tagen war es doch, daß es aufbrechen wollte aus des Herzens Tiefe, als mir wie durch dicke Wolkenschleier der Glanz der Heimat, der Sonnenglanz des Glückes letzter Heimkehr erschien – oh Geliebte! Nachdem erst am Tag zuvor sich neue Wolkenwände vor den Schein unsrer Hoffnung, unsrer Sehnsucht legten. Oh Geliebte! Du weißt es und erlebst es mit mir: Es ist ein Atemanhalten, ein flaches, kurzes, gespanntes Atmen – es ist ein Spannen, Hoffen, Warten, Zagen, ein Lauschen unsrer Herzen – – oh Du! Du!! Du!!!!! !!!!! !!! Seit wir uns lieben! Seit wir einander teuer und wert und unersetzlich wurden! Seit wir das große Glück in uns tragen und den heißen Wunsch, miteinander zu leben! Oh Herzlieb! Es war ein Zittern und Beben unsrer Herzen bis zum Tage unsrer Hochzeit! Und nun ist es wieder, seit dieses Kriegsgewitter tobt. Oh Herzlieb! Geliebte! M[ei]n Weib!!! Ich werde den Tag nicht vergessen, da dieser Druck sich auf die Brust legte – da diese Wolkenwand sich vor die Sonne unsrer Hoffnung schob – den Septembersonntag, nach Niedergrund ging ich damals. Oh Geliebte! An Dich dachte ich nur! An Dein Glück, unser Glück! Und heißer ist dieser Druck, diese Wolkenwand. Oh Du!!! Du!!!!! Oh Gott im Himmel! Wann werden wir so ganz tief aufatmen können? Wann wird die Sonne unsrer Hoffnung sieghaft die Wolken des Zagens und Bangens und Wartens durchbrechen? Oh schenke uns Kraft und Geduld, daß die Sonne nicht schwindet und erstickt in Nacht und Verzweiflung! Daß wir durchhalten, stark und treu! Oh Gott im Himmel! Sei uns gnädig und schenke uns Kraft!

Oh Herzlieb! Ich könnte bangen um Dich, wenn ich nicht wüßte, daß Deine Sehnsucht aus Deiner Herzensliebe zu mir steigt – daß Du mich liebst sooo unendlich, sooooo mächtig, sooo entschieden – daß Du mir ganz treu bleibst – daß Du lieber vor Sehnsucht Dich verzehren wirst als sie zu einem anderen tragen. Oh, das kannst Du nimmermehr – ich kann es auch nicht. Oh Geliebte! Du! Du!!! Mein Weib! Ich bin doch sooo unendlich reich und glücklich in Deiner Liebe! Und bin so glücklich darum, daß Du zu mir Dich flüchtest mit Deiner Sehnsucht. Du wir wollen, wie immer schon, einander ganz lieb bei der Hand nehmen – dann zwingen wir's, dann halten wir aus! „Sehnst Du Dich auch nach mir? Du!! Du!!! Sag? Oh sag´s mir!“ Oh Herzelein! Ich kann es Dir nicht sagen – ich darf es nicht – heute nicht! Geliebte!!!!! !!!!! !!! Dein Mannerli hat erst gestern wieder mit sich ganz ernst zu Rate gehen müssen. Oh Du! Du!!! Herzlieb! Ich kann nicht träumen! Mich schmerzt das Sehnen so bewußt – es drängt so sichtbar, Du!!! Oh Geliebte! Und ich will doch stark bleiben – ich will nichts verschwenden – will alles aufheben – will mich sehnen – will kein Stillen der Sehnsucht ohne Dich. Oh Geliebte! Ganz böse könnte ich mir werden – und ganz streng muß ich mir sein! Das Schlüsslein gehört überhaupt nicht mir – es gehört nur Dir! Oh Geliebte! Ich will stark sein mit Dir! Will aushalten mit Dir und Gott um seinen Beistand bitten, Geliebte! Einmal wird all die Not ein Ende haben!

Und Du weißt: Ich schaue aus nach unserem Weg, nach unserem Recht – ach Herzelein! nach unserem Glück! Ich will doch bald zu Dir kommen! Ganz bald! Bei Dir sein! Oh Herzelein! Will mein Liebstes heftig umfangen und an mich drücken und festhalten wieder einmal – Gebe Gott, daß ich Dir bald heimkehren kann für immer – und will fühlen, wie Du mich wiederliebst, wie Du mir Heimat bist und Erfüllung! Oh Herzelein! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Geliebte! Will Dir so froh und dankbar heimkehren! Voll Dank zu Gott, daß er Dich mir schenkte, daß er uns so gnädig ist – voll dankbarer Liebe zu Dir – weil Du mich sooo liebhast und mir sooo treu bist – einziges, geliebtes Weib!

Oh Herzlieb! Ich könnte den Brunnen uns[e]res Glückes nicht zuschütten, die Sonne unsres Glückes nicht trüben – oh Du, die Glut unsrer Liebe nimmermehr ersticken!!! Oh Geliebte!

Und wenn Du je mich kränktest – so wie im Traume wild und ungestüm müßte ich Dich an mich ziehen – auflodern würde die verhaltene Glut – aufschreien müßte meine Liebe –  – – – oh Herzlieb! Du kannst mich so tief nimmermehr kränken – oh Herzelein! Du liebst mich so wie ich Dich! Du bist von dem Glück unsrer Liebe so erfüllt wie ich. Und ich – kann nur lieb zu Dir sein, nur lieb, lieb, so von ganzem Herzen lieb – kann Dich nimmermehr kränken, und Dir wehetun, ach Du, es geschähe denn aus übergroßer Liebe – ich kann nicht weichen von deiner Seite, keinen Schritt, ich kann Dich keinen Augenblick fallen lassen, ich müßte denn selber stürzen. Oh Du! Mein Herzblut! Mein Leben! Meine Liebe! Meines Lebens Sonnenschein und Mut! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Ich muß alle Menschen achten, ich kann niemandem wehet[un] – aber Dich achte ich doch über alle – Dich muß ich lieben und erheben auf meines Herzens Thron! Herzenskönigin Du! Geliebte mein!

Oh Herzelein! So tief und dunkel und innig ist mein Lieben wie das Deine. So tief und dunkel, verankert in Herzens Grunde, in Wesens Mitte!

Oh Herzlieb! Laß uns froh und dankbar sein in diesen heutigen Tagen der Weihnacht! Dankbar für Gottes unendliche Güte und sein Geschenk der Liebe! Laß uns zu ihm aufblicken, zuversichtlich und getrost. Er hat Gedanken des Friedens mit den Menschen, die ihn suchen und lieben! Ich bin Dir sooo unendlich dankbar! Du! Du!!! Geliebtes Weib! Ach Liebende können einander nicht danken – und doch! Oh Schätzelein! Nimmermehr kann ich Dich lassen – nimmer Dir wehetun vorsätzlich! Innig verschränkt und verschlungen sind wir in unserem Leben – unlösbar, unverlierbar – Dein! Ganz Dein!!! Ewig Dein!!!!! – Mein! Ganz mein!!! Ewig mein!!!!! Oh Du! Geliebte! Mein Weib!

Gott behüte Dich mir!

Ich will bald zu Dir kommen! Bald! Bald!!! Oh Du! Mein Herzblümelein! Goldherzelein! Ich liebe Dich!

Ich küsse Dich herzinnig!

Ewig dein [Roland]!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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