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[OBF-411217-001-01]
Briefkorpus

Sonntag, den 17. Dez. 1941

Herzelein! Geliebtes, teures Weib! Meine [Hilde]!

Da habe ich doch noch alle Hände voll – Blüten und Früchte unsres Glückes, Deiner Liebe – da purzelten schon wieder 3 Boten herein – – Du liebe, treue Seele! Oh Du! Du!! Wie soll ich sie Dir zeigen, all mein Glück und meine Freude? Und meine Boten darf ich doch gar nicht öffnen – Du! Du!!! Geliebte! Er ist bei mir, Dein Geburtstagsbrief!!! Schätzelein! Das Geschenk, das reichste, das mich am meisten beglücken kann, Dein lieber, lieber Bote! Heut abend, vorm Schlafengehen, muß ich ihn ganz lieb an meine Lippen drücken, und er wird nun unter meinem Kopfkissen liegen bis in acht Tagen – nein, solange ist`s ja gar nicht mehr – bis zum Montag noch! Oh Schätzelein! Von Dir kommt mir alle Freude, alles Glück! Du hältst es in Deinen Händen! Du allein kannst mich so ganz reich und glücklich machen! Du hast mich so lieb!!! Du bist mir so treu!!! Oh Geliebte!!! Ich möchte Dich doch ganz liebhaben vor Jubel und Freude! Weißt Du noch, wie Du mir den ersten Geburtstagsbrief schriebst. Im Z.-wald sind wir – glücklich schon damals – gegangen, als wir davon sprachen. Aber nun will ich doch der Reihe nach gehen, und Dir auf Deine lieben Boten Antwort sagen. Von Eurer Hamsterfahrt hast mir berichtet. Ich freue mich über den glücklichen Verlauf. Und die liebe Mutsch war doch mit diesmal. Auf den Handel hast sie wohl gar nicht mitgenommen. Hühner und Gänse ausnehmen möchte das Mannerli wohl noch lernen? Ich würd es schon. Aber Schlachten kann ich, glaube ich, nicht. Ich hab doch ein gar fürsorgendes Weiberl! Wie schwer wäre mir wohl alles gefallen, wenn Du Liebe mich schon verwöhnt hättest, Du!!! Ein bisserl verwöhnen laß ich mich doch gerne von Dir! Und ich will Dir [in] nichts nachstehen, Du!!!

Nun ist das Vorweihnachtsprogramm schon angelaufen. Die liebe Mutsch ist verreist. Wundert mich, so dicht vorm Feste. Aber was sie sich in den Kopf gesetzt hat und was sie versprochen hat, dazu steht sie. Ist mein Herzlieb wohl ein paar Nächte ganz allein gewesen im Hause? Ich fürcht mich nicht. In dem schönen, abgeschlossenen Hause weiß ich Dich sicher. Welch glücklicher Entschluß, diese Wohnung zu nehmen! Ganz für Euch könnt Ihr sein in dieser Wohnung. Ach Herzelein! Ich komme sooo gerne in dieses  Haus. Es ist noch eines von den alten Häusern, das ein Hort ist des Persönlichen, des Privaten. Ein offenes, großes Mietshaus ist doch etwas Schreckliches. Geliebte, Du! Unten, im Erdgeschoß, ist es noch alles fein eingerichtet, ist noch Ausstattung – aber oben, oben – da ist Reichtum des Herzens, oh Du! wie schnell steig ich hinauf! Bis ich oben stehen, am Turmstübchen, am Sonnenheim – oh Du! Du!!!Ich möchte doch sooooooooooooo gern bald wieder einmal da einkehren! Vielleicht wird es bald einmal! Und mein Herzlieb wartet mein – so voll Ungeduld und Sehnsucht schon – Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! – Und ich doch bald kommen! Wenn es möglich ist im Januar noch, liebes Weib! Will mit Dir noch Weihnachten nachfeiern! Und Lichtabend halten! Oh Herzlieb! Will dir aller Liebe letzte Gewißheit bringen und mir mitnehmen – Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Oh Du! Will die Heimat ganz lieb und tief in mich aufnehmen!

Ich freue mich, daß Du ganz ruhig und vernünftig an das Großreinemachen gehen willst. Und die liebe Mutsch wird Dir dabei zur Hand gehen. Du sorgst Dich um die liebe Mutter, Schätzelein, wir müssen uns darüber mal unterhalten. Krebs, meine ich, kann dort nicht auftreten. Krebs ist doch Wucherung. Ach Herzelein! Mach Dir nicht unnütze Sorgen! Es wird gut sein, wenn die liebe Mutsch wieder zu ihrem alten Arzt gehen kann. Weißt, ich bin so froh, daß Du um die lieben Eltern sein kannst in diesen Tagen. Daß Du sie aufheitern kannst, ihnen Leben und Sonnenschein bringen in ihr freudloses, arbeitshartes Dasein daheim. Ich weiß doch, wie gut Du das kannst. Und ich weiß doch auch, daß in Deinem Frohsein und Sonnenschein unser Glück sich spiegelt! Herzelein! Ich bete mit Dir für die liebe Mutter, für die Eltern, daß sie noch recht, recht lange an unserem Glücke teilhaben sollen!

Weißt, wenn ich so bedenke, was Du alles anstellst den ganzen Tag – mein Schätzelein kann doch kaum zur Ruhe kommen: soviel Vorhaben, Gänge, Besorgungen täglich; Deine wöchentlichen Verpflichtungen, 3 zähle ich – und dazu noch die gelegentlichen Haushaltarbeiten, Wäsche, Großreinemachen[.] Und dazu noch das Mannerli – mein Schätzelein wird sich doch nicht alles abjagen [sic]? Wirst denn richtig Ferien machen mit mir, wenn ich auf Urlaub komme? Im Kursus, in der Kinderschar, in der Kantorei? Ich mag es nicht verlangen. Aber den Kursus können wir ganz fein zu Hause halten, kann das Mannerli seine Kenntnisse gleich ein bissel mit auffrischen.

Recht, daß Du Deine Buben gar nicht erst ins Haus gewöhnst. Sie sind zu anhänglich und Du hättest keinen Tag mehr Ruhe vor ihnen.

Nun man Dir das Amt aufgebündelt hat, ist es ganz gut und richtig, daß Du den Kindern ein wenig amtlich kommst. Ich bin nicht böse, daß Du es hast. Es ist vielleicht recht gut. Die Mitgliedschaft im Frauenwerk wird ganz von selber kommen. Den Kreis des Jahres – durch dieses Leben – erfülle Gott uns recht bald in Gnaden unseren heißesten Wunsch!

Herzlieb, Du! Herzenskönigin! Du liebst mich – ich liebe Dich – sooo innig von Herzen – so mächtig drängt es uns zueinander – so ganz erfüllt uns dieses Lieben. Oh Herzlieb! Wir sind so glücklich! Es steht nichts hindernd und hemmend zwischen uns – als nur die Ferne, das Getrenntsein. Vor mir liegt aber ein ersehntes Land gemeinsamen Lebens – mit soviel Aufgaben, ganz übersonnt und erhellt von unsrer Liebe. Zwei ganz glückliche Menschenkinder, Seelengeschwister, sehen wir da wandeln, in Liebe zueinander geneigt. Oh Herzelein! Sie trag[en] in ihrem Herzen den Glauben an gute, reine Liebe! Und wir sind doch miteinander schon ein gut Stück auf dem Wege in das ersehnte Land gegangen, Du! Du!!!

Oh Herzlieb! Das alles ist mir so glückhaft und Sehnsucht weckend bewußt geworden. Du! In unserem Lieben wird allzeit etwas von dem Wunder und Glanz des Märchens sein – ja? Du!!! Oh Geliebte! Du!!! Dein Prinz will ich doch sein, der Dich so glücklich macht. Oh Schätzelein! Deine Liebe wird mich immer wieder entzücken und beglücken! Liebe ist Sonne, die alles um sich her auch in goldenes Licht tauchen, alles verzaubern möchte zu höchs[te]r Harmonie und Schönheit. Herzelein! Wenn wir auch nicht in so prächtigen Gärten und Schlössern wandeln können – so wird doch auch unser Lieben zu Ausdruck und Gestalt drängen in unserem ganzen Lebensplan, in unserem Tageslauf, in unserem Heim! Und mag das Leben nun uns immer grauer werden, freudloser, ärmer – Gottes schöne Welt, die Sonne am Himmel, die Schönheiten der Kunst und der Reichtum unsrer liebenden Herzen bleibt uns. An die wollen wir uns halten, diesen Bezug wollen wir verteidigen – und unser Heim wird die Burg sein unsrer Liebe!

Herzlieb! Ich bin so glücklich, daß wir darin einander ganz verstehen und verwandt empfinden. Herzelein! Die Gestaltung unseres persönlichen Lebens und unseres Heimes werden unser liebstes Werk sein! Weißt, was ich immer wieder finde? Wie das lange Kleid so schön ist – so würdig, königlich – so schön! Empfindest Du auch so?

Der das Kleid zum ersten Male so kurz schnitt, trug in sich nicht das Bild glückhafter Liebe, guter Liebe. Dein Mannerli wünschte sich lauter lange Kleider! Vielleicht bringt es die Mode einmal wieder. Wie auch das lange Haar. Du! Ich freue mich doch sooo sehr auf Dein Zöpfchen – und auf das Nestchen – Du! Du!!! [E]s gehört wohl Mut dazu, jede Modetorheit mitzumachen – aber noch mehr wohl, sich ihrer zu enthalten. Ich glaube, die Mode unsrer Zeit baut auf Voraussetzungen auf, die gar nicht diejenigen guter Liebe sind, wie ja auch die Liebe der meisten Menschen nicht gute Liebe ist. Die Mode unsrer Zeit arbeitet mit den Mitteln des Raffinements. Die Frau soll sich interessant machen, verführerisch. Ich meine, wo sich eine Frau ihrem Manne interessant machen muß und verführerisch, ist es mit der Herzensliebe nicht weit her. Wie weit sich das Modebild von dem der Schönheit und Würde entfernen kann, erleben wir ja – man denke nur an die Zeit der kurzen Röcke oder der verschrobenen Hüte. Die Mode macht wahrhaftig aus der Mehrzahl der Mädchen nicht Pfauen, sondern Gänse.

Es fällt hier in Saloniki angenehm auf, daß bis auf die Bemalung der Gesichter alle sich schlicht kleiden, fast zu schlicht. Hüte sieht man selten. Die meisten tragen kurzes Haar, das wenig gepflegt erscheint, innen glatt, nach den Enden gelockt, ohne Form hängt und steht es in einem Wuschel vom Kopf, das Profil meist unschön entstellend. Liebe will schmücken und bekränzen, will Entfaltung aller Schönheit – Schönheit! Herzelein! Geliebte! Aller Liebe[,] Schönheit und Holdseligkeit findet doch ihren reinsten Ausdruck in den Landschaften der Seele, des Empfindens – und diese spiegeln sich wieder im Antlitz, im Leuchten der Augen, im Klang der Stimme, in aller Zärtlichkeit – Du! Du!! Wir wissen darum.

Herzlieb! Heute kam zu mir Dein lieber Bote vom Sonnabend. Ich bin Dir doch gar nicht böse darum, daß er nur kurz sein konnte. Ich erkenne doch in ihm all Deine große Liebe und Dein Glücklichsein. Ich weiß es doch, daß nach den mannigfachen und verwirrenden Geschäften des Ta[g]es Du am liebsten, und noch viel lieber, dann einkehrst im Gedenken und Empfinden uns[e]rer Liebe. Und ich erkenne doch, wie der Sonnenschein und der Herzschlag unsrer Liebe auch Dein Schaffen beflügelt. Du! Wenn ich bei Dir bin und Du hast soviel Arbeit – ein Kussel zwischendrin will ich mir aber pflücken, ja? und 5 Minuten mußt [Du Dich] mal ganz lieb bei mir niedersetzen, Du! Sonst denke ich doch, Du bist der Arbeit mehr gut als mir.

Darfst auch mich mal stören in der Arbeit – Du! Dem Mannerli was Süßes ins Mündel schieben – und wenn Du mit in meinem Stübchen sitzt, muß ich ohnehin mal zu Dir kommen!

Übermut? Wer ist wohl übermütiger von uns beiden? Ich wag nicht es zu entscheiden. Ich glaube, das stellt sich erst recht heraus, wenn wir mal ganz für uns haushalten, brauchst aber nicht in Sorge zu sein. Beim Bettenüberziehen hätt ich Dir doch höchstens mal das Kopfbettlein übergestülpt oder Dich ins große Bettlein gepackt und dann gefragt, wer drinnen steckt. Du!!! Herzlieb! Die Stunde ist vorgerückt. Kamerad H. liegt schon lang und wartet, daß ich das Licht lösche. Bald fasse ich Deine lieben Hände wieder – oh Du! wie gern!!! wie lieb!!!

Gott behüte Dich!

Ich bin Dir sooo gut und habe Dich sooo sooooooooooooo lieb! Du!!! Du!!!

Ichbin [sic] Dein! Ganz Dein!

Ewig Dein [Roland]! Du!

Mein!!!!! !!!!! !!!

 

 

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946