Bitte warten...

[OBF-411216-002-01]
Briefkorpus

Dienstag, am 16. Dezember 1941.

Herzensschätzelein! Mein lieber, guter [Roland]! Du!!!!!

Heute kamen wieder zwei liebe Boten an von Dir! Oh Du! Ich habe mich ja soo gefreut! Ganz herzlich möchte ich Dir danken, mein [Roland]! Kommst so lieb zu mir, Du! Ach! Ich fühle richtig, wie Du Dein bißchen Eigenleben herüberretten mußt in die Stille, bei allem Trubel und Durcheinander Deiner Umwelt. Herzelein! Es ergeht mir manchmal auch so, daß ich kaum mich sammeln kann, so viel stürmt auf mich ein. Und dabei bin ich doch mein freier Mann! Aber das Leben jetzt, im großen und [g]anzen, geht nicht still und spurlos an einem vorüber. Man muß sich mit so vielerlei beschäftigen, ob man will oder nicht. Und das alles raubt einem manchmal die Ruhe, die Besinnlichkeit. Aber, Geliebter! Wir wollen nicht undankbar sein! Oh nein! Wem geht es gleich wieder so gut wie es uns beiden noch geht? Das wollen wir uns immer vor Augen halten, wenn doch mal eine Wolke der Unzufriedenheit sich zeigt. Wir möchten nur beklagen, daß uns mehr Zeit und Ruhe fehlt zum Aneinanderdenken. Es geht überall mal heiß her. Es kommen auch wieder ruhigere Tage. Schätzelein! Wir wollen nicht verzagen! [W]ir wollen froh sein bei dem Gedanken: uns bleibt doch bei allem Durcheinander unsres Alltags eine Stunde, die wir einander ganz schenken, indem wir aufschreiben, was uns bewegt. Gebe Gott, daß unsere künftigen Tage uns dieser Stunde nicht berauben! Es ist uns beiden das Liebste am Tage! Du. Und wenn Du oder ich einmal noch ganz in Anspruch genommen würden von Pflichten und Arbeit, zu einem kleinen, noch so kleinen Lebenszeichen muß Zeit werden, Herzelein!

Ich muß täglich wissen, ob Du noch wohlauf bist und wie es Dir ergeht!! Und dasselbe Zeichen sollst auch Du täglich erhalten von mir. Soviel Zeit muß werden.

Du hast nun auch Deine liebe Not mit Deinem Stubengenossen. Ach, nichts ist mir verhaßter, als ein ewig Qualmender! Ich kann Deinen Unwillen darob so gut verstehen! Aber – man kann solche passionierte Raucher auch nicht überzeugen eines Besseren! Das weiß ich doch! Man kann sie nur ab und zu mal zur Rücksichtnahme bewegen, bitten! Es ist nicht hübsch, wenn die zwei so qualmen abends, Ihr müßt ja auch im gleichen Raume schlafen! Kein Wunder, wenn Du lieb's Hascherl so schmal wirst! Die olle Stinkluft! Mögen sie doch in der Kantine rauchen oder sonstwo. Nehmen sie denn nicht soviel Rücksicht auf Dich? Nichts ist nämlich häßlicher für einen Nichtraucher, als mit Rauchern zusammen zu wohnen. Mich kann das rasend machen! Ich kann den Dampf nunmal nicht ausstehen!

Ach ja, Herzlieb! Und doch mußt Du dankbar sein, daß [D]u die Kameraden fandest!

Herzlieb! Erzählst mir, daß Regenzeit herrscht bei Euch. Schwarz sind die Nächte. So ist's bei uns auch.

Und nun schreibst auch von dem Dunkel in der ganzen Welt. Krieg aller gegen alle. Wirst die Nachricht vom 6. Dezember meinen: Japan erklärt Amerika den Krieg. Unterdessen sind auch wir mit den gesamten 5 weiteren europäischen Staaten hinzugekommen.

Es ist kaum noch ein Raum auf dieser Erde, der von diesem Kriege nicht betroffen wäre. Ist's nicht zum Verzweifeln? Nichts ist [be]ständig. Alles wankt und fällt. Du sagst so recht: das Leben zeigt sich in seiner ganzen, nackten Sündhaftigkeit und Bosheit. Oh Geliebter! Herzliebster! Was wäre, wenn wir nicht um Gott wüßten, nicht an ihn glaubten? Wenn wir die Weihnachtsbotschaft nicht hätten? Dieses Leben – es lohnte sich nicht. Ach Du!! Du!!! Was wäre, wenn ich Dich nicht hätte? Wenn ich mirch Dichr nicht verbunden wüßte, lieb und treu für dieses Leben, unwiderruflich. Vor allem aber mit der Bande stärkstem, unendlicher Liebe? Oh Du! Mein Herzelein! Du fragst mich auch so. Was wäre, wenn wir nicht an unsere Liebe glauben dürften – wenn wir einander nicht festhielten? Oh Geliebter! Wie will ich Dich festhalten! Daß wir nicht mitgerissen werden in den wilden Strudel, daß wir einander nicht verlieren im Dunkel und Drängen dieser Tage! Oh Geliebter! Wie will ich Dich festhalten, mit meinem Sehnen! Mit meinem Lieben! Mit allem, was ich habe! Oh Du!! Wir wollen zueinander stehen – gläubig – treu!!! Wollen nicht lassen voneinander! Du!!!!!

Und Gott im Himmel möge mit seiner Gnade und seinem Segen auf uns herniederschauen! Ach Geliebter! Wir sind uns[e]rer Liebe so ganz gewiß und es ist nicht Zweifel, die uns beschleichen wollen, wenn wir einander [un]sre Liebe so versichern und Mut zum Durchhalten zusprechen! Es sind nur die Sorgen, die vor dem Dunkel dieser Tage ihr Haupt erheben. Ach Du! Ich bete mit Dir zu Gott, unseren Vater: laß uns stark sein! Laß uns feste stehn! Laß uns Treue bewähren! Möchte einander die Liebe immer ganz gegenwärtig sein!

Oh Herzelein! Daß wir sie hinüberretten in die bessere Zeit! Daß wir sie erhalten, bis wir sie in friedlichen Tagen erst recht einander erzeigen und bewähren können! Oh Herzlieb! Wieviel Kraft und Trost kommt mir aus der Gewißheit Deiner Liebe! Geliebter! Oh Geliebter!! Es ist noch ein Mensch, an den ich glauben kann, felsenfest! An den ich mich halten kann, in dessen Liebe ich geborgen bin! Oh Geliebter! Ich weiß ein Herz! Ein liebevolles, treues! Es erschließt sich mir! Ich darf darinnen wohnen! Oh, wieviel großes Glück! Herzelein! All dies Glück möchte ich auch Dir sein! Oh Du! Und ich weiß, Du sagst mir's ja auch immer wieder, wie lieb und wert ich Dir bin! Oh Du! Glückselig sehe und fühle ich es: ich bin Deines Herzens Königin! Ich will Dich lieben, lieben in alle Ewigkeit! Du!! Oh Du!! Ich muß Dich sooo liebhaben! Du!!! Bist mein Ein und Alles! Bist meine Welt! All meine Seligkeit! Geliebter! Behalte mich lieb! Du!!!

Mein liebes Herzelein! Heute ist nun unser Backtag. Am Vormittag richteten wir alles zu. Ich besorgte noch paar Wege. Verschiedene Formulare wegen der Kinderschar hatte ich von den Eltern zu unterschreiben. Bei Lore G. holte ich mir ein schönes Märchenbuch, woraus ich morgen zum Lichtlnachmittag [sic] vorlesen will. Abends ½ 8 [Uhr] ist dann Weihnachtsfeier im Lazarett. Die Kantorei wirkt mit. Da ist mein Tag morgen wieder hin! Wir wollen auch bis zum Donnerstag unsre Küchen noch reinemachen, damit wir uns an die große Wäsche wagen können. Vor den Feiertagen hat sich unser lieber Vater [Nordhoff] angemeldet, da möchten wir doch auch gerne mit allem fertig sein! Heute habe ich das Päckel nach Kamenz abgeschickt! Für Vater das wenigste, leider! Ein Buch. „Der rheinische Hausfreund“ v. Johann Peter Hebel. Für Mutter 2 Röcke, [e]in feines Kissen, 1 Schock Klammern, ½ Dutzend Topflappen umhäkelte ich noch, die sind schön! Alles fein gebündelt und ein Zweiglein drauf und dazu noch selbstgebackene Pfefferküchlein und Makronen. Es war ein schönes Päckel und die Eltern werden sich schon freuen über ihrer Kinder Weihnachten.

Du! Ich habe die Mutsch zum Bäcker geschickt, ich wollte doch so gerne ein Weilchen mit Dir alleine sein! Du!! Und nun ist sie wieder da. In 1 ½ Stunden kann ich die beiden runden Kartoffelkuchen holen! Du!! Wenn ich Dich doch könnte zum Kaffee einladen! Weißt, wenn er so frisch ist, schmeckt er doch so gut. Na, wenn Du heimkommst – aber dann will [ich] auch wieder backen! Und Deine beiden Stollen schicke ich gleich ab, wenn die Post wieder geht! Damit Du sie auch noch vor Deinem Urlaub bekommst! Du!! Ach Du! Wenn es auch jetzt so unwahrscheinlich ist an Urlaub zu denken – ich glaube doch ganz fest daran. Herzelein! Du mußt mich besuchen! Und bald! Bald!! Du!!!

Nun will ich noch ein bissel mithelfen, Mutsch räumt die Schränke aus und putzt alles! Heute Abend gehe ich mit meinen Laternchen ins Rote Kreuz! Mein Herzelein! Ich denke doch so lieb immer Dein! Ich könnte Dich nimmermehr vergessen. Oh Du!! Du!!! Geliebter! Bleibe mir gut! Behalte mich lieb! Auch ich bin ganz Dein! In Liebe

allezeit Deine [Hilde]

Gott behüte Dich mir!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946