Bitte warten...

[OBF-411216-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 16. Dez. 1941.

Mein liebes teures Herz! Geliebte, Holde mein!

Herzensschätzelein! Ich war doch mit meinen Gedanken gar nicht recht bei meiner Arbeit heute – ach Du, ich bin es ja so oft nicht – habe immer darnach ausgeschaut, auszubrennen und mit Dir zu plaudern; aber es ging nicht. Und nun ist es doch schon wieder spät am Abend. Die Mittagfreizeit haben wir uns über Geschäften verlaufen. Kamerad H. wollte Wolle kaufen, Wolle wollt er kaufen. Und ich war ihm behilflich. Wir sind wohl in 5 Geschäften gewesen, ehe wir das rechte fanden – in der Qualität, in der Farbe fanden wir es gar nicht. Rar ist auch der Artikel schon. Bei solchem Einkaufen erfährt man immer wieder die Anständigkeit und Fairneß des griechischen Kaufmanns. Unsre Kaufleute hätten die Mangelware längst nur noch unter dem Ladentisch liegen und würden den Kunden barsch und kühl abfertigen. Der griechische Kaufmann bleibt freundlich und entgegenkommend. Man hat uns auch Geschäfte gewiesen und Wege beschrieben. Fast jeder kann ein bissel Französisch.

Herzelein! Kamerad H. hat mir Geld vorgeschossen und mir es so ermöglicht, noch gute Wolle für Dich einzukaufen. Es gab in der Farbe keine andre Wahl. Aber es ist beste Qualität, ein wenig weicher noch als die blaue. Wir können die Wolle ja umfärben lassen.

Oh Du! wie will ich mein liebes, weiches, warmes Wollschäfelein dann streicheln und drücken und liebhaben – Du! Du!!! Ganz tief mein Köpfchen in seinem Fellchen bergen – Herzensschätzelein, Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Und heut abend gab es Bratkartoffeln, da ist es mit dem Abendbrot wieder etwas später geworden.

Herzlieb! Nun habe ich mir doch erst [ein]mal zwei Deiner lieben Boten genommen, daß ich darauf eingehe und antworte. Ach Du! Wenn es jetzt hier brennen würde oder wir müßten ganz schnell packen – das Liebste, das Allerliebste, Allerallerliebste, nach dem ich zuerst langte? – sind Deine lieben Boten! Sie sind mir das Kostbarste, sind mir unersetzlich – ach Herzelein, wir bedürfen ihrer nicht, sind mir Bürgen und Zeugen Deiner großen Liebe, sind das Tauschen unsrer Herzen – mein, Dein – weiß nimmer was Dein ist und mein – eins, verschlungen, verschmolzen für dieses Leben! Wir können nicht mehr voneinander.

Mit allen Fasern des Herzens sind wir miteinander verbunden und Deine lieben Boten könnt ich nimmermehr hergeben. Herzelein – Dein Mannerli, das so lange auf die Liebe wartete und nach ihr ausschaute, das ihrer beinahe entwöhnt war – nun kann es nicht mehr sein ohne Deine Liebe. Oh Herzlieb! Deine Liebe! Du! Du!!! Ich stehe ganz in ihrem Bann! Es ist die Liebe, die ich suchte: tiefe, leidenschaftliche Liebe – und doch groß und weit – schicksalhaft! Du! Du!!! Geliebte! Sehnen müssen wir uns wieder – so sehr! Herzlieb! Du wirst fein geduldig mit mir ausharren. Zeig’s keinem anderen Mannerli, daß Du Dich so sehnen mußt – sonst – hast Du keine Ruhe vor ihnen. Herzelein! Dein Mannerli schaut ganz scharf aus nach unserem Wiedersehen. Und es kann doch diesmal sehr schnell gehen. Wenn der Spieß wiederkommt, wird sich’s entscheiden. Braucht er nicht zum Kursus, kann ich womöglich sofort losfahren.

Lichtlabend? Du! Mit meinem Herzelein? Und lädt mich selber ein dazu? Oh Geliebte! Hell und lebendig das Lichtlein, daß es uns[e]re Blicke an sich zieht – tiefe, dunkle Schatten, in denen wir uns verbergen können – Traute, Heimlichkeit, Seligkeit! Ich will sie doch sooo gern mit Dir halten, die Lichtlabende – will mit Dir ins Lichtlein schauen – eins im Blick, eins im Ziel, eins im Herzen mit Dir! Wollen miteinander hinschauen, so ganz innig, eins wie nachdem, das, so Gott will, einmal sichtbares Einssein unsrer Liebe bedeuten soll: nach unserem Kindlein! Du!!! Du!!!!! !!!! !!! Oh Geliebte! Schenke uns Gott recht bald solch frohes, trautes, gesegnetes Wiedersehen! Ich aber bin ein so glückliches Mannerli, daß [sic] so lieb und heiß und sehnsüchtig erwartet wird wie keines sonst auf dieser Welt! Du!!!

Und das sooo gern heimkehrt und so tief heimverlangt vielleicht auch wie kein anderes, oh Du! Geliebte!!!!! Oh Schätzelein! Mit Dir möchte ich noch ein wenig Weihnacht feiern – mich sooo gern mit Dir freuen noch – mit Dir, Du Liebes, Gutes!

An den schönen Decken, und an unseren Kissen und an dem, was ich Dir zudachte und Du mir – oh Herzelein, mit Dir ein wenig nur schon alle Heimlichkeit vorempfinden unsres häuslichen Glückes! Hab doch ein ganz ganz liebes Heimchen zum Weiberl mir erkoren – ach Herzlieb! Du liebst so wie ich die weite Himmelsferne und die heimlichste Traute – ganz allein – Du und ich! – ganz fest schließen wir die Türe zu! Herzlieb! Herzlieb!!!

Einen Leiterwagen haben wir bekommen?! Fein! Fein! Aber womit Du ihn beladen willst! gut [sic], daß das Kinderkriegen nicht so schnell geht – ja? Sonst müßt das Mannerli wahrhaftig das Kutschpferdl abgeben für die Fuhre. Aber mein Weiberl fahr ich mal aus – gleich im Urlaub – beim Mondenschein – ja?

Herzlieb! Ich war doch so froh wie Du im Advent. Haben wir beide zu gleicher Zeit über dem Papier gesessen und die Gedanken und Herzen ganz lieb zueinandergekehrt. Und nun hast doch meinen Adventsgruß noch gar nicht einmal bekommen. Bald ist diese schöne Vorweihnachtszeit vorbei. Und morgen und übermorgen möchte das Mannerli sich doch fast zerteilen mit seinen Gedanken, sollen doch alle noch einen Festgruß und eine Anweisung zum Bescheren kriegen.

Heute kam Gratulant Nr. 2, Hellmuth. Er liegt in Bad Flinsberg im Riesengebirge. Anschließend soll er auf Urlaub kommen, so daß er vielleicht gerade über Weihnacht zu Hause sein kann. Es wäre ja so schön für ihn und die Eltern und Elfriede. Nach Elfriedes Brief liegt Hellmuth in demselben Haus „Glückauf", in dem er früher auf einer Schulwanderung schon einmal genächtigt hat.

Mein liebster Gratulant aber ist doch noch auf dem Wege – Goldherzelein! Und der Geburtstagsmann und Weihnachtsmann stehen doch schon oben auf dem Schranke, auf dem Urlaubskoffer voll Wolle, ich bin doch auch ein wenig neugierig, ach Du! sehr neugierig eigentlich – weil da oben etwas Liebes verborgen und verschlossen liegt, das ich noch nicht kenne – daß dort oben etwas Liebes auf mich wartet – Geliebte! Geliebte!!! Und wo Du wartest – da möcht ich doch gleich kommen – ja? Du!!!!!

Aber ich warte und gedulde mich fein brav. Ach Geliebte, Du! Ich möcht Dir doch auch soooviel Freude und Glück bringen – möchte Dich beschenken – möchte Dir sooo gerne alle Wünsche erfüllen – es gibt keinen größeren als den nach einem frohen, glücklichen Herzen! Ohne dieses Herz, ohne den Reichtum des Herzens bleibt aller Reichtum an Geld und Gut Armut. Und dieses frohe, glückliche Herz hast Du mir gebracht! Mein Leben und Sonnenschein!

Herzlieb! Ich war noch nie im Leben so froh und glücklich wie mit Dir! Mit Dir!!! Und Du sagst es mir, und bekennst es ebenso von Dir – Du! Du!!! Bist froh und glücklich an meiner Seite – Geliebte! Geliebte!!! Dann könnte ich Dich am reichsten beschenken? Dann könnte ich Dich ganz glücklich machen? Oh Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Bleibe Gott uns gnädig!

Herzlieb! Du!!! Weiter mag ich nichts: Dich lieben – und von Dir geliebt werden! Oh Herzelein! Du beschenkst mich sooo reich mit Deiner Liebe! Du bist mir Erfüllung! Ich muß Dich lieben! Muß Dich lieben!!!

Oh Geliebte! Laß Dir auch danken für all Dein Schenken! Die feinen Kuchen waren doch sooo süß – ich glaub sie sollten das Mannerli mahnen und erinnern an etwas noch viel Süßeres – Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Meinst, daß ich es vergessen könnte? Oh Geliebte!!! Und die grünen Äpfelein schmeckten doch so heimatlich herb und würzig – ganz fein! – Du hast mich sooo lieb! Du! Gott erhalte Dich mir!

Oh Herzelein! Möchten meine Geschenke Dir auch ein wenig zeigen, daß ich es sooo gut mit Dir meine – sooooooooooooo gut! Ich liebe Dich! In Liebe und Treue bleibe ich ewig Dein [Roland]! Du!!!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946