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[OBF-411215-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 15. Dezember 1941.

Herzensschätzelein! Mein lieber, guter [Roland]! Herzelein Du!!

Heute war mein Tag ganz ausgefüllt. Und jetzt erst, um 7 [Uhr] abends beginnt mein Feierabend – ich verbringe ihn doch am allerliebsten mir Dir, mein herzliebes Mannerli!

Will Dir nur gleich von früh angefangen erzählen. Zuerst schliefen wir alle 3 richtig aus! Bis um acht!! Weil der Papa Nachtdienst hat ging es einmal, heute zum Montag. Ganz finster war der Tag heute, regnerisch; aber nicht sehr kalt. Nach der üblichen Hausarbeit, die ich mit Mutsch zusammen verrichtete, mußte ich Wege besorgen. Ach, zwischendrin hab ich mir doch bald die Augen ausgeschaut nach dem Briefträger. Er kam ewig nicht heute, als er endlich da war, hatte er noch nicht mal etwas für mich. Nun muß ich auf morgen früh hoffen! Du!!

Unsere Backwaren holte ich vollends, Zucker und den Butterschmalz. Diesmal bekommt pro Nase 50g! Voriges Jahr 150g und das mehrere Monate lang. Na – es geht auch so ganz gut. Wir haben lange genug vorher gespart mit dem Fettstoff. Wir können doch froh sein, daß es überhaupt Stollen gibt! Viele haben vielleicht gar keinen. Frau S. gab mir paarmal ein Tütchen Rosinen, nun ist ein ganzes Pfund zusammengekommen, das ist ganz schön. Wenn Du heimkommst möchte ich am liebsten gleich nochmal Stollen backen! Wirst Du paar Rosinen kriegen? Aber für Wucherpreise würde ich an Deiner Stelle keine kaufen!

Morgen um 2 Uhr mittags gehe ich zum Backen. Dann bin ich nach Limbach. Für Mutter [Nordhoff] die Seide zum Anfertigen von Röcken fortgebracht. Ich will doch morgen das Weihnachtspäckchen nach Kamenz schicken. Dein und mein Weihnachten!! Einen Film erstand ich wieder mal für Dich. Es sieht ganz mies aus. Die Bücherwünsche müssen nun vorderhand ausfallen, Herzlieb. Nach Weihnachten liefert der Verlag wieder. Es ist jetzt der kleinste Wunsch mit Schwierigkeiten verbunden. Ach Du!! Uns soll das garnicht die Freude nehmen an unserm Glück! Du!! Wir sind auch ohne reiche Geschenke froh und glücklich miteinander, gelt? Herzelein!! Wenn wir nur einander haben, wenn nur eines froh des andern Liebe spürt, dann sind wir sooo glücklich! Sooo reich beschenkt, wie niemand sonst! Du!! Ach Geliebter! Unser Glück überstrahlt doch alle die kleinen Unebenheiten des Alltags! Und das macht ja das ganze Glück unsrer Liebe aus, daß alles Kleine, Nichtige verblaßt daneben. So wird es immer bleiben zwischen uns: Wenn wir uns einander so ganz gehören – alles andre können wir entbehren – nur einander nicht! Oh Geliebter! Geliebter mein!!!

An die Gänge in Limbach reihte sich zum Schluß noch ein gutes Geschäft! Ich erstand eine Laterne! Eine richtige kleine Petroleumlaterne. Es gibt keine Batterien für die Taschenlampen. Und ich kann bei der Finsternis kaum den Weg sehen, nach dem Niederdorfe ist es ganz schlimm, wenn ich zum Kursus gehe. Überhaupt, um 8 [Uhr] abends ist die schlechteste Zeit; denn da ist der Mond noch nicht aufgezogen am Himmel. Im großen und ganzen fühlt man sich sicherer, wenn man ein Licht bei sich hat. Es gibt immer mal einen Gang, den man im Dunkeln noch besorgen muß. Was glaubst Du [wo]hl, hinter diesen Laternchen sind die Leute her, wie der Teufel hinter der armen Seele! Ich war heilfroh, daß ich auch noch eine erwischte. Und dann hatten Mutsch und ich heute noch einen Gang! In Niederfrohna bei der Kirche wohnt ein Vetter von ihr, dessen Frau hat dieser Tage mit Mutter gesprochen und ihr ein paar Pfund Äpfel versprochen! Sie sind von Kaufungen nach Niederfrohna gezogen und haben da einen großen Obstgarten. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen. Mit dem Bus um 1300 [Uhr] fuhren wir bis zur „Deutschen Eiche", weil es so regnete. Und um 5 [Uhr] kamen wir zurück. Ja, sagte sie, wärt ihr nur mal eher gekommen; nun sind sie auch bald alle. Aber 20 lb. bekamen wir doch noch. Ist doch ganz fein, gelt? Nun haben wir nächstes Jahr wieder eine Aussicht, etwas zu bekommen. Ach, Herzlieb! Wir verderben nicht, und wenn es einmal dunkel scheinen will, da weist uns Gott doch wieder einen Lichtblick. Sorge Dich nur nicht um uns, wir halten schon durch. Und wenn unsre Lebensmittelrationen weiter so bleiben, dann geht es uns nicht schlecht. In 1-2 Jahren muß sich ja das ganze Bild einmal gewandelt haben. So hofft man! Alle Staaten gehen mit uns gegen Amerika und England. Ach, ich habe wohl mit Dir noch garnicht über den Kriegszustand mit Amerika gesprochen? Ich saß gerade über Deinem Geburtstagsbrief, als der Führer den Reichstag einberief und [e]ine Ansprache hielt. Was soll man auch dazu sagen? Es war vorauszusehen, daß wir uns auch noch mit U.S.A. herumstreiten müssen. Es spitzte sich ja immer mehr zu das ganze Verhältnis. Es ist traurig, wenn man darüber nach denkt [sic], wie weit dieser unselige Krieg nun seine Kreise wieder gezogen hat. Es bleibt uns nichts erspart. Hast Du den Führer gehört? Saloniki war doch auch angeschlossen! Ich will mich hier nicht weiter äußern.

Ach Herzlieb! Daß wir diese Schrecken miterleben müssen des Krieges! Gott stehe uns bei! Er helfe uns zu einem guten Frieden. Ob Ihr an Eurem Zipfel in S. [sic] von alledem berührt werdet? Vielleicht kaum. Doch die ganze Kampfhandlung wird sich, so denke ich, noch einmal gewaltig nach dem Mittelmeer ziehen. Der Spanier gesellt sich sicher noch hinzu, um Gibraltar mit zu erobern helfen! Ach – es ist mir wiederum auch manchmal ganz undurchsichtig, das Ganze. Nur nicht unnütz grübeln und spekulieren in Gedanken. Es kommt alles, wie es kommen muß. Wir können doch nichts, als auf das Gute hoffen. Auf Gott vertrauen, daß er alles zum Besten wendet.

Herzensschatz! Wir wollen den Mut nicht sinken lassen! Nein!! Wir wollen ja weiterleben trotz allem, allem! Unser Leben soll auch in dieser Not und Sorge bestehen bleiben! Und weiter vorwärts gehen! Du! Du!!! Kein Sturm soll uns wankend machen im Vertrauen auf Gott unseren Vater, der auch unser Leben bei sich beschlossen hat. Oh Geliebter! Wir stehen zusammen, mag kommen, was da wolle! Du und ich, wir sind ein Ganzes! Und sind auch stark genug, Widerständen zu trotzen. Ich halte aus mit Dir, ich weiß es gewiß! Und wenn es noch solch großes Opfer kostete. Alles will ich entbehren, alles will ich hergeben – nur Dich nicht! Du!!! Du mußt mir bleiben! Oh, ich liebe Dich! Du!!!!!! Herzelein! An Dir hängt mein ganzes Leben! Ich brauche Dich auf dieser Welt mehr, denn alles andere daneben! Ich muß Dich um mich haben, erst dann weiß ich, daß ich lebe! Weiß ich, warum und wofür ich lebe! Ach Du!! Du all[ein] bist meines ganzen Lebens Inhalt hier auf Erden! Du bist meine Erfüllung! Bleibst meine Sehnsucht allezeit, Geliebter! Mein Herz bleibt Dir in unendlicher Liebe verbunden bis an mein Lebensende. Ich bin Dein für dieses Leben! Oh Du weißt, wie unendlich ich Dich liebe! Mein Herzensschatz! Du mußt es ja fühlen, wie mein ganzes Sein in Dir aufgehen will, wie alles drängt zu Dir hin – nur zu Dir! Oh! Ich liebe Dich!!! Geliebter! Glückselig spüre ich die Nähe, die uns verbindet bei aller räumlichen Ferne; denn sie ist nur räumlich! Nimmermehr kann sie so sich zwischen uns drängen, daß wir einander fremd würden, oder einander vergäßen! Nie!! Nur Gewalt, unbedingte Pflicht kann uns einmal hindern, nicht so lieb wie wir es gewöhnt sind, aneinander zu denken. Ach Herzelein! Später sollen wir nie aufeinander warten müssen ach! Du!! Gar nimmer! Du!! Wir sind uns immer so ganz lieb und heimlich nahe! Beide fühlen wir es ganz glücklich! Auch wenn es Worte einmal nicht ausdrücken. Und von diesem Wissen kommt uns soviel Kraft, aller Mut zum Leben, alle Kraft zum Durchhalten, aller Sonnenschein! Oh Du! Deine Liebe ist mein ganzes Glück! Und ich möchte so von Herzen gerne, daß auch ich Dich allezeit so tief beglücken kann, mein Lieb! Du!!!! Gott behüte Dich mir! Auf Wiederhören! Ich küsse Dich, Schätzelein! Gute Nacht! In inniger Liebe allezeit ganz

Deine [Hilde]

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946