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Sonnabend, am 13. Dezember 1941.
Herzenschätzelein! Mein geliebtes teures Herz! Du!!!
Nun ist es doch gegen meinen Willen einmal so weit gekommen, daß ich meinem Mannerli eine Stunde abknapsen mußte von seiner Zeit! Du!! Ach, ich weiß, Du bist mir nicht böse darum! und ich habe Dich ja genau sooo lieb, bin Dir genau sooo gut darum! Herzelein! Mein liebes, liebes!!
Ja! Gestern war ein heißer Tag bei Frau [Nordhoff]! Großreinemachen. Mit dem Papa um ½ 6 [Uhr] stand ich auf. Im Finstern noch zog ich alle Betten ab und brachte sie in den Hausflur zum Lüften. In der Zeit wirtschaftete ich in der Küche umher, denn da kann ich verdunkeln und schrubben nach Herzenslust. Um 9 [Uhr] war es soweit, daß ich mich über die anderen Räume erbarmen konnte. Und der Briefträger ging wieder vorbei! Nun machte ich mich richtig mit verbissenen [sic] Eifer ans Werk. Zur Belohnung wollte ich am ander[e]n Tag einen Brief haben von meinem Herzlieb! Und ich habe ihn! Nein, zwei!! Aber davon kann ich Dir erst heut[‘] abend erzählen, Herzelein! Heute habe ich schon wieder größte Eile. Mit Deinen Briefen kam von Mutter Post und die Punkte für den seid[e]nen Rock, mein Weihnachtsgeschenk an Mutter. Nun muß ich gleich noch zu dem Manne rennen, der mir die Seide verkaufen will! Es ist jetzt ½ 11 [Uhr] und um 1333 [Uhr] geht der Zug, der mich zur Dienst-Arbeitsbesprechung der “D. Kinderschar” nach Chemnitz bringt. Ich muß auch hinfahren, bin diesmal die einzige Vertreterin O.’s, denn Fr[au]. L. ist verreist. Doch heute Abend gehöre ich wieder Dir, mein Lieb! Denke nur, das Fahrgeld, das ich dazu brauche, kann ich mir von uns[e]rer Kassenverwalterin abholen! Und das ist die Schwester von dem Frl. N., die auf dem Arbeitsamte sitzt. Ich war schon mal mit Frau L. dort. Nun weiß sie ja Bescheid über meine “private Tätigkeit”.
Nun noch etwas von gestern. Elternschlafzimmer, Stube und mein Kammerle, das war das Gebiet, an den [sic] ich meine Arbeitswut ausließ! Fenster putzen, Möbel abseifen, Sofa’s [sic] und Matratzen absaugen, staubwischen, Fußböden säubern und neu polieren. Alles wieder einräumen und die Betten frisch beziehen. Du kannst Dir vielleicht vorstellen, was das für ein Stück Arbeit ist, ganz allein! Aber ich fühlte mich so stark und angriffslustig, daß ich forsch drauflosging. Gegen 6 Uhr abends war ich endlich fertig! Daz[u] kam aber auch noch Essenkochen und Essentragen!! Gräupchen mit Kohlrabi u[nd]. Rauchfleisch gab’s. Am Schluß meiner Arbeit wusch ich mich, zog mich um und wollte einholen geh[e]n. Da kam Mutsch heim! Ich war recht froh! Nun konnte sie derweile das Badewasser versorgen. Um 7 [Uhr], nach Ladenschluß kam ich wieder heim. Dann war ich aber richtig müde und hatte nach dem Bade keine Kraft mehr zu schreiben. Du! Siehst Du? Gestern hätte ich Dich garnicht brauchen können!!! Außer denn, [Du] hättest mir beim Betten überziehen geholfen! Du! Wie das ausgeseh[e]n hätte, kann ich mir schon vorstellen! Du Hallodri! [Du] Hättest mir nicht viel genützt! Hättest mich noch abgehalten von meiner Arbeit. Ach Du!! Wer weiß, ob da die Betten bis zum Schlafen geh[e]n in Ordnung gebracht waren! Wir hätten doch sonst was getrieben aus Übermut und Liebe. Du!!! Nur nichts Gescheits[‘]! Wenn ich reinemache, darf ich Dich nicht sehen! Sonst habe ich keine Andacht! Bilde Dir aber nischt ein, weil Du soviel Gewalt über mich hast! Du!! Lausbub! Dickerle! Herzensschatz!!!
Ach! Ich habe Dich sooo sehr lieb! Bist [Du] mir bös[‘]? Weil ich so kurz schreibe? Ach nein! Gelt? Auf Wiederseh[e]n! Schätzelein! Ich denke an Dich!!! Ich küsse Dich!!!
Behüt’ Dich Gott! In Liebe ganz Deine [Hilde].
Du!!!!! Mein!!!