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[OBF-411213-001-01]
Briefkorpus

Sonnabend, den 13. Dez. 1941

Herzensschätzelein! Geliebtes, teures Weib! Geliebte!

Sonnabend. Zum  ersten Male heute 5-Uhr-Schluß. Schreibst mir, daß es zu Hause doch schon um 3 Uhr manchmal wieder dunkel ist. Hier ist es bis gegen ½ 6 Uhr hell. Sieht man noch ganz genau, wenn zwei sich liebhätten, Du! Wird dem Mannerli ganz komisch sein, wenn es mal auf Urlaub kommen sollte in der dunklen Zeit – ja? Du!!! Und des morgens ist es doch schon ½ 8 Uhr so hell, daß man schreiben und lesen kann. Für die Langschläfer, wie für mein Schätzelein manchmal, ist das weniger günstig. Ei, ei – wie wird es manchmal gucken, wenn das Mannerli früh schon verschwunden ist – und auf dem Nachtischchen steht obendrein noch das Verslein: „Ätsch, verschlafen!“ Was wird es dann wohl zum Mittagessen geben? Ein Strafgericht – das wäre – Schelte mit Küßchen, ja? Oh, das schmeckt fein süß von meinem Weiberl!

War doch wieder ein ausgesucht schöner Tag heute! Der Mittag wie im Frühling. In den Nachbarhäusern sonnte man sich auf dem Balkon. Wie ein Spiegel das Meer, ganz windstill. Und der Abend heute so mild, so wohlig – und das Volk darin so feiertäglich froh bewegt. Ich wünschte, ich könnte mit Dir einmal als Weltenbummler durch solchen Abend gehen! Ja, noch eine Neuerung. Am Sonnabend gibt es ¼ 6 Uhr Warmessen, heute eine Erbssuppe [sic] mit Bockwurst. Müssen wir ein zweites Mal zum Hafen, und weil die Straßenbahn nur bis 5 Uhr fährt, eben zu Fuß. Das ist mir nur recht. Ist man doch genötigt, sich im Freien zu bewegen.

Du schreibst darüber, daß Herr L. über das Essen klagt. Es gibt wenig Kartoffeln. Und die gern Kartoffeln essen kommen dabei zu kurz. Dein Mannerli ist glücklich dran, dass es gar kein Kartoffelstopfer ist. Ich esse Reis, Nudeln und Makkaroni sehr gern. Sonst ist unser Essen reichlich wie bisher. Ich lese mit Befriedigung, daß der liebe Papsch Euch reichlich Kartoffeln eingetragen hat. Die helfen gut haushalten, ganz leer kann das Bäuchel nun gar nicht sein. Ich möchte schon gern wieder mal bei Dir zu Gaste sein, Du! Schmeckt mirs doch am allerallerfeinsten – und wenn mal ein bissel weniger auf dem Teller ist, guck ich doch bloß mein Feinslieb an, und bin dann ganz froh und satt. Wenn Du an meiner Seite mitpappst [sic], schmeckt mirs doch immer – Du!! Steckst wohl immer noch alles unter der Nase rein? Ins Kußmäulchen! Du! Ich pflückt mir doch sooo gerne ein paar Früchte von dem Bäumchen – Du!!! Liebes! Liebstes!!!

Weißt, ich hab nämlich einen ganz alten Brief vor [mir], der mit Verspätung ankam. Schreibst mir von eurem Tauschhandel Butter – Mandeln. Dir Kamenzer Mutter hat auch eine Sendung bekommen, auch eine Sendung Gewürz. Wenn Du, Herzlieb, teilen sollst, werd ich das immer besonders vermerken, ja?

Ich habe hier noch 2 bittere Mandeln, Pfirsichkerne. Die langen wohl eine Weile. Von den Rosinen und Mandeln der neuen Ernte war bisher noch nichts zu sehen. Über Kamenz habe ich Elfriede schon ein Teil Tee zukommen lassen. Ich will sehen, ob ich von dieser Rarität noch etwas besorgen kann für sie.

Einen Staubmantelstoff hat mein Herzlieb? Will sich doch nicht etwa aus dem Staube machen? Weißt, da verwandle ich mich gleich in den Wind und fahr dem Staub hinterher – wird es ihm nicht gut ergehen!

Ob Du wohl das Buch für Elfriede bekommen hast?

Und nun hat mein Herzlieb gebacken fürs Mannerli, Rezept: von allem Zugeteilten etwas abgeknapst – und alle Kunst der Küche – und – mit viel Liebe – ja? Du! Ach Du!!! Gute! Herzensgute! Du bist doch zu gut mit Deinem Mannerli – sooo gut! – viel zu gut – Du!!! Du!!!!!

Ich glaub[‘], das rechte Weib muß sich so im Gutsein verschenken – [es] muss etwas ganz lieb umfangen und einhüllen können, etwas nähren und ganz nahe fühlen: Das Kindlein im Schoß, und an der Brust, und im Arm – und das Mannerli in seinen Armen und an seinem Herzen? Du? Geliebte! Liebes, liebstes Weib! Ich komme doch sooo gern zu Dir – und lasse mich beschenken von Deiner Güte – und ruhe doch sooooooooooooo gerne bei Dir, Du – oh Seligkeit! In Deinen Armen, Schätzelein! Du!!! Oh Herzelein! Ich sehne mich doch sooo nach der Glut und demr Wärme solch[‘] guter Weibesliebe. Herzelein! Erfüllung! Ergänzung! Tiefstes Ruhen! Geborgenheit! Heimat! Oh Herzlieb! Und ich weiß doch, daß Du so tief und reich auch die anders geartete Liebe Deines Mannerli fühlst, glücklich fühlst, Du!!!

Ob Du meinen Geschmack getroffen hast? – Keine kann ihn doch besser treffen als Du! Weil Du mein allerallerallerliebstes [sic] Weib bist, Du.

Und an Weihnachten hast [Du] gedacht und an meinen Geburtstag?

Oh Du lieber Geburtstagsmann und Du liebes Christkind! Ich laß nicht nach, und wrd Dich suchen, bis ans Ende der Welt, bis ich Dich finde, Euch finde, daß ich Euch schaue und selber danke – Herzelein! Geliebte!!!

Osterhase und Geburtstagsmann und Christkind – all die guten Geister aus dem Kindesland, Schätzelein, wer könnte sie dem erwachsenen Mannerli besser verkörpern als mein liebes, gutes, einziges Weib, von dem ich so reich beschenkt werde mit der köstlichsten Liebe, mit der reichsten Herzensgüte? Dessen Liebe all meine Liebe sich verbunden hat, dessen Liebe alle Kraft des Herzens und Gutseins entbunden hat, erlösend, befreiend, beglückend! Du!!, Du!!!!!

„Ich hab doch sonst nichts als den Stollen! Ich möcht Dir doch so gerne ein wenig Freude machen!“ Herzlieb! Du !!! Schaust Du Dein reiches, glückliches Mannerli? Wer hat es nur so reich gemacht? So glücklich? Du!!!!! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Muß doch das Glück ihm selber begegnet sein – eine Goldmarie – ein Goldherzelein! Oh Du! Ich habe Deine Liebe! Und die ist immer bei mir – und eben auch jetzt – und strahlt mir aus jedem Zeichen von Deiner Hand. Ach Du! Brauchst mir doch zu Weihnachten nur ein kleines Zettelchen zu schicken, und malst ein Herzlein drauf und schreibst das Wörtchen ‚Dein‘ hinein – Du! Dann bin ich doch am reichsten beschenkt!

Weißt denn auch noch, was der Stollen bedeutet? Du?!!! Herzlieb! So Gott will, wirst Du aus der gleichen Liebe und Hingabe mir doch einst ein Kindlein schenken – Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Unser Kindlein!!!

Und Deine Geschenke werden ganz pünktlich kommen, vielleicht schon morgen. Eine große Päckchensendung ist angekündigt. Aber ich pack alles erst aus, wie es draufsteht, ja?

Heute abend sitzen wir doch nun wieder zu zweit am Tisch. Kamerad K. fuhr heute in Urlaub. Am Dienstag wird er nach Hause kommen. Ist das Kleeblatt schon wieder nicht vollständig. Ach Herzelein! Als ich dem Kameraden K. die Hand drückte zum Abschied – da tat sich doch einen Augenblick die Tür auf: und ich schaute die Heimat in Winterpracht und Weihnachtszauber, schaute die Heimat unsrer Liebe, die Heimat Deines Herzens – empfand sie in aller Tiefe und Traute – oh Du! Du!!! Du!!!!! Schätzelein! Da wollte es aufbrechen aus der Tiefe des Herzens – das Heimweh, Du! Du!! – aus der Tiefe, da dann der Jubel und die Freude und der Dank glücklicher Heimkehr  für immer brechen werden – oh Schätzelein! Wenn Gott uns diesen Tag erleben läßt!!!

Ich habe Dich sooo lieb! sooo lieb !!!

Herzlieb! Ich gehe so froh in den dritten Advent! Bist Du wohl auch so froh? So rechtes Frohsein, wo fänden wir es noch als in unseren Herzen? Ach, keine Festlichkeit, keine Geselligkeit, keine Zerstreuung kann so froh machen. Kann so froh machen wie die Gewissheit der Liebe! Deiner Liebe! Du Herzelein! Unsrer Liebe: Geliebtes Weib!

Und der Liebe Gottes!!! Die sich doch zur Weihenacht kundtut allen gläubigen Menschen! Oh möchten doch recht viele Menschen ihrer so froh inne werden. Möchten doch die Menschen rechtes Lieben wiederlernen – rechtes Lieben erst von Mensch zu Mensch, gutes, wahres Lieben – dann kann es auch nicht ausbleiben, daß sie die Liebe Gottes erkennen und sich ihr gläubig ergeben.

Herzelein! Zwischen uns ist gute, wahre Liebe! Und Du ergibst dich mit mir dem Wunder der Weihnacht, der großen Gottesliebe in kindlichem Vertrauen- ohne Zweifeln [sic]! Und darum kann ich sooo froh sein! So froh sein mit Dir, geliebtem Wesen! Gott sei Preis und Dank! Er behüte Dich mir und bleibe bei uns mit seinem Segen! Er schenke Dir und den lieben Eltern eine recht gesegnete Weihnachtszeit!

Herzelein! Schreib mir doch bitte, wo der liebe Abendstern steht, so gegen 6 Uhr am Abend!

Du! Du!!! Ich geh nun ins Bettlein! Oh Herzlieb, so froh und tief bewegt! Sei lieb, lieb geküßt zur guten Nacht! Ich habe Dich doch sooooooooooooo lieb, Du!!!!! !!!!!

Ich bleibe Dein! Ganz Dein! Ewig Dein [Roland]! Du!!! Du!!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946