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[OBF-411212-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 12. Dezember 1941

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Schelm Du! Freitag ist wieder – und eben heute kommt Dein lieber Bote von vor acht Tagen. Schelm Du! Goldherzelein! Was das Mannerli dazu sagt, wenn das Weiberl so mit ihm umspringt? Mal hören. Wie sagt man doch beim Mannerli, wenn er mal so zum Scherzen und Necken und Übermut aufgelegt ist? „Dich sticht doch der Hafer!“ Weiß nicht, wie man beim Weibel sagen müßte.

Du! Du!!! Sorgst Dich wirklich, daß das Mannerli Dein Scherzen mal nicht verstehen könnte? Ach Du Schlauberger, Schlaumeier! Nimm dich nur fein in acht später. Ich glaub, das Mannerli hat ein feines Ohr und Auge dafür, wenn das Weibel mal übermütig ist: „Die ich rief, die Geister, wird ich nun nicht los!“ Du!!! Du!!!!! Hüte Dich!

„Siehst, so sind die Weibel, erst wollen sie das liebe Mannerli ganz in die Enge treiben – –“ Hat sich meine Herzelein hier verschrieben? Das ist doch paradox, wenigstens scheint es dem Mannerli so: Das Mannerli will das Weibel in die Enge treiben. Mein Weibel hat sich gar viel vorgenommen! Das Mannerli wird sich wehren! Du!! Du!! Ist ein Zauberding – ein böses Schießgewehr – und wenn es einmal geladen ist, dann muß es schießen! Du Schelm! Du Evchen! Ich glaub gar, Du fürchtest Dich gar nicht davor! Wart! Wart!! Oh Du süßes Weibel! „Kann dann nicht anders als ganz, ganz lieb und artig und gefügig sein“. Und das Mannerli? Kann dann nicht anders als der wilde Knabe sein, es kann nicht widerstehen, er muß das Röslein brechen!

Ach Herzlieb Du!!! Wird dann ein Röslein blühen im Gärtlein auch im Winter, wenn ich kommen will? Wird denn das Brünnlein nicht erstarrt sein?  Ach Du!!! Liegt doch tief im warmen Schoß – und ganz dicht dabei die Glut Deiner Liebe im Herzen. Die Brünnlein unsrer Liebe können doch gar nicht erstarren, Du! Du!!!Ich bring es doch mit, das Zauberschlüsslein, Deins! – und dann zaubern wir es wieder hervor, die ganze Märchen- und Liebesseligkeit vom – vom Dornröschen und seinem Prinzen, ja? Du!!!!! !!!!! !!!

Eine schöne Wurzelbürste habe ich schon eingehandelt. Ich mag sie nicht schicken. Sie könnte verloren gehen. Ich will sie selber mitbringen. Ich freu mich schon auf die Lehrstunden. Magst ein dummes oder gelehriges Mannerli? – hm??? Du!

Ach, Deine Wünsche vom Badestübel sind doch auch ganz die meinen. Kein Astloch und kein Schlüsselloch und keine Sicherheitskette daran – es wär doch peinlich, wenn jemand beobachten könnte, wie dumm sich das Mannerli anstellt, gelt? Was sollten denn die Leute denken, wenn sie uns beide im Badestübel treffen und die große, breite Wanne sehen – und der Hubo hätte seinen Marineunteroffizier draußen gelassen und stünde da wie ein Büblein im Engelkleidel – oder gar wie ein ganz richtiger Mannerli mit dem

– – – – i hinten dran (ätsch!)x – [siehe Ausschnitt aus dem Brief] dann würden sie sagen: hier ist wohl das Paradies? Hier bleiben wir!



Schätzelein, ich will auch gleich anfangen mit dem Gipshamstern. Was du von den Offizieren gesehen hast, ist ja schrecklich. Aber es schreckt mich nicht. Das Mannerli kann kein Offizier werden, weil es nicht folgen kann, und weil es ein so strenges Weibel hat, von dem es immer mal ins schwarze Loch gestürzt gesteckt wird. Ein Soldat mit Arreststrafen kann kein Offizier werden. Also wird es wohl bei der rosenroten Gegenwart bleiben! Ach, nun ist es ganz traurig, mein Weibel! Hat sich doch so gefreut auf ein ganz braves Offiziersmannerli! Ja? Du!!! Schätzelein! Reiß aus! Reiß aus, Du!

Ich kann nicht länger Versteck spielen mit Dir, [ich] muß dich fangen nun und einholen – und an mich drücken – und muß dich küssen, liebes, liebstes Weib! Muß dich liebhaben, Du!! Du!!! Oh so sehr!!!!! Herzlieb mein! Ich sehne mich mit Dir! Ich denke doch mit Dir schon an den Urlaub – ganz im Geheimen erst – Du! Vielleicht komm ich dann ganz schnell – ach Herzelein! Herzensschätzelein! Wenn ich nur erst für immer kommen könnte, mit Dir zu leben, mit Dir zu schaffen an unserem Leben! Oh Herzlieb! Du!!! „Friedensgedanken“ – ich hege sie doch so wie Du! Oh Schätzelein! All die lieben Bilder unsres Lebens dann, sie stehen ganz drin in des Herzens Schrein! Niemand kann sie mir rauben! Ganz treu will ich sie bewahren. Oh Herzelein! Und kann nicht müde werden, ihre Verwirklichung zu verfolgen. Wir werden aufeinander warten, Herzelein, und sei es bis ans Ende unsrer Tage!

Du hast mich so lieb!!! Oh Du!!!!!

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x und mit den beiden Punkten, die für heute genügen müssen mögen – fürs Herzlieb einen – ja? Das Haarschleifel ins Zöpfchen – fein! – und fürs Mannerli einen – eine Badekappe, weil er sich doch das Köppel nicht gern wäscht –

Morgen ist nun wieder Sonnabend schon. Du mußt schon wieder zu einer Arbeitstagung fahren? Reist oft. Ich hab es mir gedacht. Nicht lange hin, so wird man Dich mit Kursen belästigen. Gib nur acht! Und gib Dich nicht für frei aus, Herzelein! Die lieben Mitmenschen sind schnell dabei, die ganze Hand zu nehmen! Ach Herzlieb! Könnte ich doch kommen und Dich ganz heimführen! – Könnte ich Dich an meine Seite stellen – an den Platz, der Dir gebührt! – Könnte ich Dir erfüllen sehen, wovon du träumst, daß es Dich ganz ausfüllen wird einmal. Oh Geliebte! Ich werde nicht eher ganz froh sein können und aufjubeln, eh ich diese Wünsche Dir nicht erfüllen kann. Aber Du bist umsichtig und verständig und weißt, daß es nicht am Mannerli allein liegt. Herzelein! Und müßten wir noch Jahre getrennt sein – Gott möge es verhüten! – die Gläubigkeit und Reinheit uns[e]rer Liebe soll nicht kleiner werden, ihr Glanz nicht matter, sondern immer inniger und tiefer. Ach Schätzelein, ich werde Dich nicht loslassen, keinen Augenblick, und alle Liebe soll Dir strahlen auch aus der Ferne und soll sich spiegeln in Deinem Herzelein – und die Deine, ich weiß es, sie hat keinen anderen Weg als zu mir, sie muß sich in dem meinen spiegeln.

Dem Kameraden H. habe ich Deine Grüße bestellt, er dankt dir recht sehr. Dem Kameraden K. habe ich Deinen Wunsch vorgetragen. Er kann das Christkind nicht mitbringen, er könne doch nicht unangemeldet kommen, er sei doch der Knecht Ruprecht und müsse das Christkind ankündigen. Herzelein! Goldherzelein! Ich will doch bald kommen! Ein klein bissel Geduld noch, ja? Du! Du!!! Ach Geliebte! Ich weiß es froh, daß Du mit mir auch geduldig warten kannst, daß wir beide doch den gleichen Rhytmus [sic] des Herzens haben und des Sehnens. Und wenn das Mannerli mal einen Schritt voraus ist, dann holt das Weiberl es doch ganz schnell wieder ein, und umgekehrt. Aber aus dem Takte kommen können wir gar nicht, weil wir so fein aufeinander lauschen, auf die Stimmen uns[e]rer Herzen, weil wir doch alle Tage ganz lieb einander bei der Hand nehmen und Herz an Herz legen, geliebtes Weib! Und wir haben es schon erfahren: aus der Liebe kommt uns viel, viel Kraft.

Schätzelein! Eine Hoffnung kann ich nicht für mich behalten, muß sie Dir mitteilen, damit Du sie mithütest und nährst – wirst Du? Du!!! – In unserem amtlichen Verordnungsblatt, freilich für den Nordseebereich, steht diese Überschrift mit nachfolgenden Ausführungsbestimmungen: Meldung aller in der Kriegsmarine dienenden Lehrer. Ich denke, dieser Absatz wird bald auch einmal in dem uns betreffenden Teil erscheinen. Die Personallage in unserem Beruf muss ja von Tag zu Tag katastrophaler werden. Und wenn der Krieg noch lange dauert, wird sich mehr und mehr zeigen, wie auch die Arbeit des Lehrers Rüstungsarbeit ist, und daß Mängel in dieser Richtung auch sich ganz empfindlich bemerkbar machen können. Es steht in dem erwähnten Absatz nichts von dem Zwecke dieser Aufstellung. Herzlieb! Ich muß doch wie Du mich sehnen und ausschauen nach unserem Glück. Ich muß mit Dir hoffen und warten. Und wenn nun diese Hoffnung auch nicht sich erfüllte – wir werden daran nicht zerbrechen. Wir werden es ertragen – aus Liebe zueinander.

Heute mittag ist mir doch jemand begegnet auf der Straße. Hat mich angesprochen. Rat mal. Ein Fräulein. Hat mich ganz keck und lieb und treuherzig angesprochen. Und ich habe wieder zu ihm gesprochen. Pink – pink – pinkpink [sic]. Fräulein F.. Ach, ich glaube, es war mein Goldherzelein. Das denk ich doch immer gleich, wenn jemand so allein mich anspricht im fremden Lande. Geliebte Du! Weißt Du, daß ich Dich ganz sehr liebhabe? Daß ich mich nach Dir sehne? Herzelein, Du! Ich bin so froh und glücklich – weil Du mich liebhast – weil Du mich liebst! Und weil Du glücklich bist in meiner Liebe. Schätzelein! Du!! Ob auch immer Zärtlichkeit sein wird zwischen uns? Ja – ja – ja!!! Du!!!!! Du bist ja so wie Dein Mannerli. Niemand darf es sehen, und später einmal auch die Kindlein nicht. Sie sollen sehen, wenn ich fein ritterlich zu Dir bin – aber die Zärtlichkeit ist und bleibt ganz allein uns – ja? Du!!! Welche Zärtlichkeit mein Weiberl wohl am liebsten hat? Ach, das sagt es doch nicht. Das schreibt man doch auch nicht. Aber ich freue mich schon auf die vielen Kussel zur Buße für Deinen Schabernack. Ob ich Dir auch eine Buße biete für den meinen? [Es] Wäre doch unritterlich, wenn ich es nicht täte: 1000 Kussel dagegen – ja? Du!!! Du!!!!! Der Schabernack hat sich gelohnt, gelt?

Oh Herzlieb! Behüte dich Gott!

Ich bleibe Dein! Ich küsse dich – Du!! – Du!!! Ich liebe Dich!!!!! !!!!! !!!

Ewig Dein [Roland]

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.411212-001-01b.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946