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[OBF-411211-002-01]
Briefkorpus

Donnerstag, am 11. Dezember 1941.

Mein Herzensschätzelein! Geliebter! Mein Herzelein!

Ich bin allein heute. Erst am Abend um 6 [Uhr] kommt Vater heim. Und ich habe mir heute vorgenommen, ganz nur für Dich da zu sein. Mußt Dich nicht wundern, Herzlieb, wenn der Bote deshalb nicht dicker ausfällt! Man muß ja nicht alles Geschriebene auf einmal abschicken, gelt?! Ach Du! Am liebsten käme ich doch selbst einmal zu Dir. Heute Nacht mußte ich Dich sooo liebhaben, Herzelein! Ach Du!!! Bist mir im Traume erschienen, ganz nahe, sooo nahe! Und nun ist die Sehnsucht aufgewacht, ganz mächtig! Ich muß mich ganz und gar zusammennehmen, Du! Ich habe Dich zu lieb, Herzelein! Und darum will ich dir hier auch nicht von aller Heimlichkeit und Süße sagen — ich will ganz ruhig sein, Du!! Will doch alle Liebe für Dich aufheben, mein Herzelein! Nichts, nichts will ich verströmen lassen bei wachem Bewußtsein — Du bist dann bei mir! Mein Sonnenschein! Heute ist kein Bote angekommen von Dir. Aber vom Siegfried. Er ist datiert: 17.11.41 — am 21. erst abgeschickt und nun am 11.12. bei mir. Er schreibt vom Erhalt meiner Plätzchen! Ach! Wie lange ist das her, als ich sie abschickte. Damals waren nur 100 g - Päckchen erlaubt.

Bemerkenswerterweise sind ihm zuerst alle Päckel mit eßbarem Inhalte in die Hände gefallen — zuletzt die Müffchen. Das sagt er mir besonders deshalb, weil ich ihn unseren ,Freßsack' der Familie titulierte! 20° Kälte herrschen, etwas Warmes wird gut gebraucht. Der Ärmste schreibt so sehnsüchtig vom Weihnachtsfest daheim — er würde es wohl in Rußland in Schnee und Eis erleben müssen. Es ist ein Jammer, wenn man darüber nachdenkt.

Siegfried läßt aber den Mut nicht sinken, er vertraut fest auf Gott; daß er heil aus diesem Grauen zurückkehren möchte. Und ich wünsche es auch von Herzen. Über Rückenschmerzen klagt er und meinte, es seien die Nieren. Aber es ist Rheuma. Und er will jetzt dem Übel nachgehen, indem er tüchtig wärmt. Wie er das wohl durchführen wird? Von Ungeziefer ist er glücklicherweise verschont geblieben bisher. Vor 8 Tagen hat er ein russisches Dampfbad genommen "Sauna" genannt, er hätte sich wie neugeboren gefühlt!

Durch all seine Zeilen fühlt man die Sehnsucht nach der Heimat. Gebe Gott! Daß der liebe Kleine gesund wieder heimkehrt! Nach Dir fragt er auch! Herzelein! Und um Hellmuth ist er besorgt. Hellmuth ist weg von Striegau, wie ich aus Kamenz erfuhr. Nach Prag wohl, in seine alte Garnison. Die lieben Eltern hoffen, daß er zum Fest dah[ei]m ist. Elfriede hat ihn wenigstens so oft wie möglich besucht. Nun läßt sie es vielleicht sein bis Weihnachten.

Mein liebster [Roland]! Im Montagsbrief erzählst mir von Eurem Besuch im Soldatenheim. Weißt, es freut mich, daß Ihr so für Euren Kameraden H. gesorgt habt, weil er doch bis abends Dienst hatte. Richtige gute Kameraden seid Ihr 3! Ich freue mich darüber! Und was Du mir nun vom Soldatenheim erzählst, gefällt mir. Es wird ja den Wehrmachtangehörigen allerhand geboten. Im welch großen Rahmen das alles aufgezogen ist! Es freut einen zu hören, daß Euch im Auslande Gelegenheit gegeben wird, deutsche Art der Geselligkeit zu pflegen. Spielmöglichkeiten aller Art bieten sich. Musik in heimischen Lauten und — für manche die Hauptsache: etwas gutes [sic] auch zu Essen! Etwas selten Heimatliches! Kartoffelsalat. Ich freue mich richtig, daß Du diesen Sonntag so recht in "Sonntagabendstimmung" verlebtest. Sogar begossen wurde alles reichlich! Na — um Dich habe ich keine Angst, daß Du mal so wie K. heimkommst! Immer trinke Dich einmal satt an dem südlichen Gold! Hier gibt es kaum noch Gelegenheit dazu. Wenigsten in guten Weinsorten kann man nichts mehr bekommen. Müßte es vor dem Fest grade recht toll sein? Aber Alkohol und Rauchwaren sind knapp überall bei uns.

Weißt? Ich freue mich richtig, daß Du nicht rauchst, denn sonst hätte ich auch solchen Drasch wie alle Frauen, die für ihre Männer nach Rauchwaren anstehen. Pro Tag 3 Stück gibt es, glaube ich! Ach ja! Vom 1. Advent erzählst mir. Und bald ist der 3. Advent. Ich möchte nur wissen, ob der Kranz angekommen ist! Unsrer fällt schon tüchtig aus. Wenn ich keinen Christbaum erwische, binde ich noch einen frischen Kranz für Weihnachten.

Herzelein! Ob Du wohl auch noch mitfeiern kannst daheim zur Weihnachtszeit? Ich meine, ob wir nachfeiern können! Wird Dein Urlaub in den Monat Januar fallen? Ach Du! Nur nicht ungeduldig werden! Wann Du auch kommen wirst, wir feiern Weihnacht miteinander, ja? Mein Herzelein?

Du!! Du!!!!! !!!!! !!! Ach Herzelein! Soll denn diese Not des Krieges immer weiter fressen? Immer tiefer? Ist es nicht schrecklich, was sich da jetzt in Rußland abspielt - mitten in der Kälte und Finsternis des Winters? Und in Nordafrika! Im [sic] den immer neuen Fliegerüberfällen im Norden. Nun wird auch der ferne Osten noch brennen. Ist es denn wahr, was man sich von den Japanern erzählt? Sie lenkten ihre Torpedos persönlich! Deshalb die totale Treffsicherheit! Mein Gott! Wieviele Opfer müssen da sein!!

Herrgott im Himmel! Sei uns nahe in dieser schrecklichen Zeit! Segne uns und behüte unser Liebstes! Wende den Schrecken des Unheils bald gnädig von uns ab! Lasse den Frieden, Deinen Frieden einziehen in unsre Herzen! In alle Menschenherzen! Geliebter! Daß ich Dich habe! Daß Du mein bist!!

Oh Du! Zutiefst dankbar ermesse ich dieses große Glück! Bleibe mir! Mein Leben, mein Glück, Du!!! Ich liebe Dich!!! Oh! Ich liebe Dich ganz unermeßlich! Geliebter mein! Du bist mir nahe — sooo nahe! Du mein Ein, mein Alles! Gott behüte Dich mir auf allen Wegen! Herzenschatz! Auf Wiedersehen! Morgen! Ich küsse Dich, Du geliebtes Herzelein, ich behalte Dich ganz, ganz sehr lieb - in Ewigkeit!

Du!! Ich bleibe Deine [Hilde]. Du!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946