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[OBF-411210-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 10. Dezember 1941.

Herzensschätzelein! Mein lieber, guter [Roland]! Geliebter!!!

Ich kann nicht gehen, eh ich Dir guten Tag gewünscht habe, Du!! Und ein liebes Kussel geschenkt! Ach Herzelein!!! Ich muß Dich gar so lieb haben! Du!!! Du!!!!! Es ist bald ½ 3 Uhr. Ich muß nachher zur Schar. Eben war ein Bürschlein da, mich besuchen. Ich habe ihn nicht hereingelassen! Weißt! Das führe ich nicht erst ein. Ich werde die Geister dann nicht mehr los! Habe ihm gesagt, daß ich noch Arbeit hätte jetzt, er soll nur um 3 [Uhr] dann kommen. Die Mutsch ist mit dem ½ 2 Uhr Zug fortgefahren, nach Chemnitz erst, da hätte sie noch mancherlei zu besorgen! Und nachdem sie bei Schwester Herta übernachtet, will sie morgen nach Glauchau und übermorgen heimkommen. Sie hat das Reisefieber gepackt! Na, vor Weihnachten sind es die beiden letzten Reisen. Und ich bin froh, daß ich daheim bleiben kann! Du!!! Bei meinem Mannerli! Bei meinem Herzallerliebsten!

Ach! Er kommt doch täglich zu mir! Und ich wäre dann nicht zuhaus! Und könnte ihm doch noch viel [w]eniger schreiben bei den Verwandten, als zuhaus! Du!!! Ach Herzelein! Ich muß Dich doch sooo liebhaben!

Am liebsten bliebe ich nun hier bei Dir sitzen. Bin so schön allein! Könnte so lieb mit Dir reden! Du!!! Doch heute Abend hole ich es nach, Geliebter! –

Auch für die Kinder der Tanten packte ich ein Weihnachtspäckel heute. Jedem ein Bilderbuch und ein kleines Päckel mit Pfefferkuchen; das Bärbele, mein Patenkind, kann nichts als etwas zu knabbern bekommen. Sie wird im Januar erst 1 Jahr! Ich will ihr bis dahin aus etwas Altem ein Kleidchen nähen. Da freut sich Tante am meisten darüber. Nun habe ich mir noch eine Tasse heißen schwarzen Tee eingeschenkt! Vom Mannerli ein Zaubertrank! Dann will ich mich aufmachen zu meiner lustigen Bande! Auf Wiedersehen! Schätzelein!!!

Mein lieber [Roland]! Ich bin wieder bei Dir. Du!!!

Die Uhr zeigt gerade 7. Das Abendbrot habe ich nun heute mit Vater allein eingenommen. Jetzt ist er nochmal zum Kaufmann Schubert. Er hofft, daß es Zigaretten gibt. Deine spart er noch bissel auf bis Weihnachten auf [sic]!!

Von der Scharstunde um 5 [Uhr] bin ich erst nochmal zur Stadt gelaufen. Nach Briefpapier! Es sah traurig genug aus. Man wartet auf Sendungen, es besteht aber momentan Gütersperre. Ich bekomme überhaupt keinen Block mehr. Bloß Geschäftspapier. Und freue mich doch, Du! Wenn wir nur immer Papier kriegen, dann ist's schon gut. Meinen Rangen habe ich heute erst mal die Levitten [sic] verlesen. Weil sie am letzten Male so unartig waren auf dem Heimweg. Daraufhin waren sie recht kleinlaut. Aber in der zweiten Stunde, beim Weihnachtsliedersingen hatten sie schon wieder den alten Übermut. Sollen sie auch, so fröhlich sein – nur ausarten dürfen sie nicht. Na, wenn alle Stränge reißen, muß ich halt mal zuhaun. Sehr lange Geduld hab ich nun mal nicht.

Du! Hast recht, das Basteln ist mit Kindern eine u[m]ständliche Sache. Vor allem dann, wenn die Zutaten selbst mitzubringen sind. Heute hatte die Hälfte nichts mit. Ich habe sie aber bei den anderen mithelfen lassen, damit sie den Schnabel hielten. Aus Faltpapier bauten wir Schachteln, die bunt bemalt werden obenauf und an den Seiten. Man kann Geschenke hineinpacken und es sieht so recht hübsch aus. Auch Nähkästchen für die Mutter wurden heute gebaut.

Ja, wenn dann so allerlei entsteht, dann ist die Freude und Begeisterung groß! Nur ehe sie sich alle zum Mittun bequemen. Ich mache das meiste selbst. Na, es macht mir Freude. Und einmal in der Woche kann man das schon mitmachen. Jeden Tag möchte ich es nicht! Als ich gestern bei Frau G. war, erfuhr ich auch, daß ich nun allein die Scharleiterin bin. Sie könnte momentan nicht. Und wenn's mir zuviel würde allein, soll ich mir doch eine Helferin suchen, meinte sie. Die mich auch einmal vertreten kann. Wo soll ich da suchen? Da muß ich schon einmal ganz genau nachdenken, wer sich dazu bereit fände und dazu eignete. Frau v. [sic] C. hat mich auch verlangt ins Frauenwerk! Durch Frau L. Ich renne keinen Schritt danach. Mögen sie nur kommen zu mir, wenn sie mich anheuern wollen. Ach ja! Ich weiß, man kann nicht umhin. Und auch ich muß früher oder später einmal anbeißen. Du weißt ja, wie ich [sol]che Vereine liebe! Es geht mir wie Dir, ich tue meine Pflicht und mehr nicht. Ich mag garnicht von alledem schreiben! Bin froh, wenn ich nichts höre und sehe.

Mein Herzelein! Nun haben sich alle Deine lieben Boten eingestellt der Reihe nach. Ich bin so froh! Du!!! Hoffentlich kommt uns nichts weg an Post im Weihnachtsbetrieb!

Mutter wollte an Tante Liesel nach Amerika schreiben, wer weiß geht die Post ab. Seit dem 8. XII. Montag, besteht nun auch der Kriegszustand zwischen Japan und Amerika. Du weißt es gewiß schon längst. Und laufend kommen nun s[ch]on Berichte aus dem fernen Osten über die Kampfhandlungen. 2 große Kreuzer der Briten wurden heute versenkt gemeldet. „Prince of Wales" und „Repulse". Ein harter Schlag!

Wie mag das nun ausgehen? Wann wird die entscheidende Frage auch an uns herantreten? Ich denke immer, daß wir noch hinzutreten werden, zum Kampf gegen Amerika.

Wie mag es unseren Verwandten ergehen!

Man darf sich garnicht hineindenken in uns[e]re Lage – es ist zum Zweifeln. Immer tiefer schürft der Krieg, immer weitere Kreise zieht er. Und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Wenn ich an die deutsche Marine denke! Gebe Gott, daß Du, mein Lieb auf dem Lande bleiben darfst! Mein heißester Wunsch ist das.

Ach Herzelein! Ich möchte Dich an solchen Tagen, wo es sich entscheidet, wo uns Gott so nahe ist, am liebsten bei mir haben! Du!! So tröstend empfinde ich Deine Nähe[!] Ach Du!! Wenn Du auch täglich soo lieb zu mir kommst – ein Händedruck, ein inniges Umfassen, ach! Es ist mir sooo viel Glück! Herzelein!!! Du bist mir aller Halt hier auf Erden, Du!! Du weißt es! Oh Herzelein! Laß' uns immerfort so fest, so innig zusammenhalten, Du!!! Unsre große, treue Liebe und das Vertrauen auf Gott, das sind die beiden einzigen Dinge, die in unserem Leben noch von Bestand sind. Oh Herzelein! Sie wollen wir hoch und heilig halten! Immerfort! Alles um u[n]s ist hinfällig. Ich mag mich an nichts mehr halten, als an Dich und unseren Glauben. Die Welt verflacht so gewaltsam in allen Dingen, selbst am schönen Weihnachtsfeste spürt man schon den Fraß des Zerstörenden. Wann wird die Stunde kommen, da die Menschheit wieder den Christenglauben, als den mächtigsten der ordnenden Kräfte an seinen gebührenden Platz stehen sehen will? Wann werden ihre Herzen aufbrechen? Wird es nach diesem allgemeinen Chaos gelingen, die Menschen wieder an Ordnungen zu binden?

Ach Herzelein! Auch Du quälst Dich mit diesen großen und entscheidenden Fragen. Es muß uns gläubigen Menschen allen ans Herz greifen, unter welchem Streit, Durcheinander, unter welcher Sprachverwirrung die Welt mit ihrer Menschheit leidet! Ach, ich verstehe Dich so ganz in Deinen Worten, in denen Du mir von all dem Kampf und Sorgen sprichst. Und ich teile mit Dir Deine Sorgen. Geliebter!

Du sagst es so wahr: So wir nicht Genüge fänden an dem, was viele Liebe nennen, so mögen wir uns auch nicht bescheiden mit dem, was viele Leben nennen.

Die Liebe und den Drang zur Freiheit wird niemand in uns töten können. Unser Leben und Lieben ist Gott geweiht. Herzelein! Du und ich, wir müssen glauben. Müssen unser Leben und Liebesglück in Beziehung bringen auch mit dem Himmel. Zu einer ganz bestimmten, lebendigen, persönlichen Beziehung , die uns die Verpflichtungen auferlegt, die unseren besten und tiefsten Regungen, unserem Beten und Danken einen Weg weist, die unsre besten Kräfte anregt in der Verantwortung vor dem Höchsten. Die unserm Leben einen Sinn gibt, es in Beziehung setzt zu dem großen Weltgefüge.

Im Boten, den Du am Sonntag nach dem Adventsgottesdienst mir schriebst, Geliebter, da zeigtest Du mir, wie zwischen rechtem Lieben und Glauben innige Verbindung besteht. [Wo] sich das Leben noch zwischen Liebe und Leid bewegt, dort kann auch der Glaube nie ganz verlöschen. Und dieser Glaube, diese reichste Beziehung ward uns geschenkt in unserem Christenglauben. Die Liebe und die Gnade Gottes hält diese Welt. Im Bitten und danken [sic] kommt das am deutlichsten zum Ausdruck. Ach Du! Daß wir uns so ganz verstehen! In diesem Glauben ist auch die Größe und Weite dieser ganzen Welt. Was ist Größeres und Mächtigeres unter uns Menschen als die Liebe? Sie ist auch die Kraft, die diese Welt trägt und erhält.

Herzlieb! Wir fühlen es wohl beide: seit wir einander liebgewannen, ist auch der Glaube in uns recht lebendig geworden. Die Liebe, die gute Liebe kann uns Gott näher bringen! Wir tragen ein großes, reiches Glück im Herzen! Unsere Herzen wollen jubeln, wollen danken – aber auch zagen und beten, zu wem? Zu wem zuerst, zuhöchst? Zu Gott allein – Geliebter! Wie wollten wir es sonst fassen unser Glück? wem sonst es anbefehlen?

Ach Geliebter! Du erzählst mir in diesem Zusammenhange auch die Begebenheit mit einem früheren alten Lehrer, der Dich in einer Religionsstunde auf den rechten Glauben hinwies.

Einst vermochtest Du ihn nicht ganz zu verstehen – heute sind Dir seine Worte zum Bewußtsein gekommen durch das Erleben Deiner Liebe, unsrer Ehe, Du!! Unsres Bundes der Treue. Oh Herzelein! Wir werden uns nimmer rauben lassen, was wir besitzen! Gott sei uns gnädig! Er erleuchte alle Menschen mit seiner unendlichen Liebe! Herzelein! Mit Dir will ich auch des Lebens Feste und Feiern würdig begehen.

Weihnacht! Das Fest der Liebe ist uns nahe.

Es ist das Fest, das im Volke noch am tiefsten verwurzelte. Bis heute entzog es sich noch dem harten Zugriff des Lebens unsrer Tage, das dazu neigt, alles zu verstaatlichen, allem den Glanz und die Tiefe zu nehmen. Du! Ich glaube nicht, daß man das Weihnachtsfest auch noch zur Strecke bringen wird! Aber mit der jetzt allgemein üblichen Ausrede, dem feigen Vorwand: der Krieg bedingt ….. versuc[ht] man uns alles, alles zu entwinden. Ich frage mich nur immer wieder, wie lange soll das noch so weitergehen? Herzlieb! Nicht verzagen dürfen wir: Gott wird ein Einsehen haben. Er läßt die Menschen nicht Herren sein!

In der Vorfreude auf das Fest stehen wir. Du erlebst diese Zeit diesmal im Auslande. In einer Umgebung, ähnlich der vorjährigen: Schreibstubenbetrieb. Erklärst mir in kurzen Umrissen einen Monatsablauf im Dienst.

Vielerlei Geschäfte drängen sich zusammen. Und das, was mich hierbei am meisten interessiert, ist der Urlaub! Am 13. werden die meisten der Weihnachtsurlauber abgeschickt. Unter ihnen wird Kam. K. sein? Und Dein Spieß? Über Neujahr fahren sicher die nächsten. Und dann? Wieder ein Teil. Ob mein Dickerle darunter ist? Ach ja! Urlaub! Das bewegt mein Inneres so ganz! Ich bin noch ganz geduldig, Herzelein! Und daß Du es auch glaubst, daß ich nicht traurig bin, wenn ich noch ein Weilchen warten muß auf Dich – will ich Dir zu Beruhigung sagen: ich habe den Ehrgeiz, Dich mit einem Zöpfchen zu überraschen! Und bis ich das habe, können schon noch ein paar Wochen ins Land gehen! Du!!!

Jedoch: ich freue mich auch riesig, wenn ich Dich mit halblangem Haare empfangen darf! Ich werde Dich auch ohne Zopfschlinge festhalten, wenn ich Dirs Begrüßungskussel gebe! Du!!! Du!!! Ach Herzlieb!

Warten – warten, auf mein Glück muß ich! Warten auf Dich, Geliebter! Geliebter!!! Oh Du!! Weißt Du, wie sehnsüchtig ich warte? Und wie gerne ich warte auf Dich? Herzelein! Mein Leben lang warte ich auf Dich!!! Weil ich Dich liebe! Lieben muß bis an mein Lebensende. Geliebter! Ich bin zutiefst mit Dir verbunden! Du!!! Du!!! Du bist mein Ein mein Alles! Mein ganzes Sein!

Oh Schätzelein! Ich hüte mit Dir unser Glück! Was gäbe [e]s Schöneres, Köstlicheres in dieser Zeit, als unser Liebesglück zu warten und zu hüten?!

Ach Du! Und nun bekennst Du es mir in allen Deinen lieben, viellieben Boten, daß Du das glücklichste Mannerli der Welt bist in meiner Liebe! Oh Du!!! Sollte mein Herze nicht jauchzen? Vor Liebe schier zerspringen? Vor Sehnsucht bald vergehen? Du bist mein! Ich halte Dich sooo lieb und warm umfangen, Du!!! All mein Sonnenschein! Mein ganzes Erdenglück! Mein!!!!! Du!!! Du hütest mit mir den Garten uns[e]rer Ehe, unser liebes Paradiesgärtlein! Oh Du!!! Du!!! Mein [Roland]! Mein Geliebter! Dein ist das Gärtlein! Nur Dein, solange ich lebe! Nur Du hast das Schlüsslein, das den Weg zur Seligkeit erschließt! Geliebter! Dir will ich mein höchstes weihen in unendlicher Liebe und Zärtlichkeit, die ich für Dich empfinde. Du bist mein Prinz, der mich erlösen soll! Du!! Nur Du und keiner sonst. Oh Herzelein! Daß Du sooooo glücklich bist wie ich!!! Du!! Ich könnte weinen vor übergroßem Glück! Ich sehne mich sooooo herzinnig nach Dir! O Du. Daß Du so wie ich nach dem tiefen, echten Glück der Zweisamkeit, des Einsseins, der ganzen Liebe verlangstnimmermehr fände ich solch liebes, liebes Mannerli! Du!! Du!!! Geliebter mein!!!!! Ganz glücklich möchte ich Dich machen! Oh Du! Ich weiß mich ganz eins mit Dir! Ganz eins mit Dir! Geliebter!!! Mein liebster Weggesell! Ich bete mit Dir um unseren Weg, um unser Glück! Gott behüte Dich mir! Ich liebe Dich!!!

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946