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[OBF-411210-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 10. Dez. 1941

Herzliebes Schätzelein! Mein liebes, liebstes Weib!

Herzelein! Wie soll ich Dir nur zeigen, wie so lieb ich Dich habe? Wie ich Dich gleich so ganz fest und lieb an mich drücken möchte! Dich ganz einschließen! Ach Herzelein, Dir ganz nahe sein! Gleich ganz hineinkriechen in dein Herzelein! Warum? Du! – Weil ich Dich sooo liebe, weil soviel Liebe zu Dir mich erfüllt!!!!! !!!!! !!! Ich liege doch jetzt auf meinem Bettelein in der Mittagsstunde. Heute abend wollen wir nämlich ein Militärkonzert besuchen. Mit liegt gar nichts daran! Ich würde am liebsten mit Dir allein sein. Aber ich mag doch meinen Kameraden nicht zeigen, daß ich närrisch Dich liebhabe, Du!!!

Um mich liegen lauter Blätter von Deiner Hand, angefüllt mit den Zeichen Deiner Liebe. Und ich bin der glückliche Besitzer all dieser kostbaren Zeichen, ach, das allerglücklichste Mannerli, Du! Du!!! Oh Schätzelein! Kein Blatt gebe ich her, auch nicht eines, um keinen Preis. Und wenn mir eines fehlte, ich suchte es, bis ich es fände oder wüßte, daß kein andrer Mensch es haben kann. Du! Du!!! Geliebtes Weib! Drei liebe Boten sind zu mir gekommen heute, ein Nachzügler vom 25. Nov. und die vom Mittwoch und Donnerstag. Und aus allen, allen strahlt mir Deine Liebe – und dein Glück! Oh Schätzelein! Deine Liebe und Dein Glücklichsein, sie sind doch mein ganzes Glück. Und meine Liebe und mein Glücklichsein, sie machen Dein Liebesglück aus. Oh wundersames Spiel der Liebe! Geheimes Weben! Inniges, unlösbares Verschränken! Herzelein! Schautest du schon einmal die Ornamente auf unserem Kissen Dir an? So innig und unlösbar verschränkt wie das goldene Ornament mit dem weißen, so sind wir beide es auch mit unserem Lieben und Vertrauen und Wesen. Nimm sie auseinander, reiß sie voneinander – es geht nicht – ach Du! Die Ornamente würden zerstört und unsre Herzen würden zerrissen. Oh Herzlieb! Ganz fest halten wir einander! Jetzt schon – über alle Ferne – und dann erst recht. Und jetzt schon aber so unlösbar wie dann. Ach so gern wir umeinander wären und einander immer von Angesicht schauten – ich gehe hier in der Fremde und Du daheim immer, als gingest Du an meiner Seite, als schautest Du mir zu, ach Herzelein, viel mehr noch: ich denke und fühle und handele mit Dir! Du bist doch in meinem Herzen, ganz zutiefst, du regierst doch darin, Herzenskönigin, auch wenn Du mir fern bist. Brauchst gar keinen Detektiv und Aufpasser anzustellen – Herzelein! – Du bist es selbst! Oh Herzlieb! Einen besseren könntest Du gar nicht finden. Unsre Liebe ist doch der sicherste Bürge für unsrer Treue!

Du! Ganz allein ging ich früher daher, frei war ich, wußte nicht um die innigen Bindungen guter Liebe! Und nun schaue ich nur nach Deinen Augen: von ihnen kommt mir aller Sonnenschein, aller Lebensmut, alle Lebensfreude wie von der lieben Sonne. Nach den Strahlen Deiner Liebe muß ich mich nun sehnen und strecken. Du! Ein Gefangensein ist die Liebe, ein Sichverlieren. Ich bin Dein Gefangener, Herzlieb! Ganz habe ich mein Herz an das Deine verloren. Meine Freiheit gab ich auf. Ach Geliebte! Du! Du!! Wieviel Köstlichereres tauschte ich dafür ein! Ich habe doch kaum geahnt, wie reich das Leben sein kann, wie sooo reich und glücklich es machen kann! Oh Herzelein! Nicht bei jedem Menschenkinde wäre mir dieser Reichtum geworden – Du! Du!!! Nur bei Dir konnte ich sooo glücklich werden! Oh Schätzelein, ich ermesse es, nur bei Dir!!!!! Es mag Menschen geben, die lieber Einspänner sein wollen. Und sie sind unter Umständen glücklicher als mancher unglücklich Verheiratete. Aber eine gute Ehe – oh Schätzelein! Gemeinsames Planen, Erleben, Schaffen, Streben – ach, befreiendes Vertrauen, erlösendes Verschenken, seliges Einssein! Geliebte! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Im trautesten Winkel unsres Herzens hüten wir die Kostbarkeit und Seligkeit letzter Traute, innigster, vertrautester Zwiesprache, die Seligkeit der Krönung unsres Glückes. Herzlieb! Du weißt, wie ich Dein Vertrauen mit dem meinen erwidern möchte, ebenso kostbar und einmalig, wie ich Dir auch mein Leben weihen möchte, ganz und entschieden. Und wenn sich auch die Feder sträuben möchte, und wenn die Worte ihren Dienst versagen wollen – Herzlieb! Das Liebste und Heimlichste und Letzte sagen wir doch einander ganz ohne Worte – ganz, ganz offen stehen dann unsre Herzen, vermählen müssen sich dann unsre Wesen – ganz zueinander finden – und kein Geheimnis, nichts Fremdes steht dann zwischen uns – nur Einklang der Herzen – Herzschlag der Liebe!

Oh Herzelein! Du weißt, wie einsam ich war und unverstanden. Einsamkeit nicht eines Verschrobenen oder Sitzengebliebenen – ich war schon immer einsam – nicht aus Enttäuschung oder Verzicht. Oder doch aus Verzicht und Enttäuschung über die Flüchtigkeit, Flachheit menschlicher Geselligkeit. Ich verlange nicht nach billiger, seichter Freundschaft. Gottes schöne Welt war mir noch immer der liebste Geselle. Nein, es war Glauben in diesem Einsamsein, tiefstes Sehnen und Warten – und heute ist es nun offenbar: Warten auf die Eine, die Einzige, auf Dich, Du! Geliebtes Weib! Meine [Hilde]! Mein Goldherzelein!

Ach Schätzelein. Wenn ich nicht einen Beruf ergriffen hätte, in dem man reden muß, ich wäre wohl zu aller Einsamkeit auch noch schweigsam, schweigsam nicht aus Leere oder Mangel an Worten, sondern schweigsam aus vollem Herzen – ein richtiges hölzernes Mannerli! Geliebte! Du! Du hast es Dir erwählt, bist nun das Weib vom hölzernen Mannerli. Und die sich das hölzerne Mannerli erwählen köonnte, mußte diese Einsamkeit fühlen und verstehen, mußte selber so einsam sein, so voll tiefen, gläubigen Sehnens nach der Heimat, und so voll Liebe, Liebe!

Herzelein! Bei Dir wird es doch ganz warm, das hölzerne Mannerli, Fleisch und Blut, und ein richtiges Herz schlägt in ihm.

Und ganz beredt wird es, bei Dir! Du! Du!!! Liebes Weib! Redet zu Dir mit dem Mündelein, so und so – und mit den Äugelein – und mit dem Herzen – und – im trautesten, seligsten Nahesein. Ist Dir ganz aufgetan. Will mit jedem Wort Dich liebhaben, will sich Dir kundtun, sich Dir verbinden, verströmen, ganz, ganz Dich festhalten, festhalten – Mein Schätzelein kommt doch heute zu mir mit seinem liebsten, letzten Vertrauen. Geliebte! Du weißt doch kaum, wie Du mich mit diesem Vertrauen beglückst! Welches Mannerli besitzt noch solches Vertrauen? Keines, denke ich.

Vertrauen ist wohl auch sonst unter den Menschen. Aber kaum daß man es schenkt, wird es ausgenutzt. Zwischen uns aber ist es reines Vertrauen aus Liebe!

Herzelein! Du hast es mir vom ersten Tage an entgegengebracht –  gläubig, und weil Du mich als Deines Vertrauens würdig erkanntest. Ach, ich genoß wohl manches Vertrauen. Aber das Deine, Herzlieb, ist mir doch das kostbarste. Und Du weißt, daß ich darum auch Dir mein ganzes Vertrauen schenkte. Es drängt uns, einander ganz anzuvertrauen – ach Geliebte! Je kälter und herzloser und boshafter die Welt um uns her wird, desto lieber suchen wir die Wärme und Geborgenheit letzten Vertrauens. Herzelein! Wie schöner könnte sich unsre Liebe bekunden als in diesem letzten Vertrauen? Es ist jetzt schon zwischen uns. Und wenn wir dann auf uns allein gestellt sind und ganz aneinander gewiesen – ich kann mir gar nicht denken, daß wir dann etwas voreinander verbergen könnten. Ich muß dann zu Dir kommen mit allem, was mein Herz bewegt. Das eben hebt doch die Liebe über alle Freundschaft noch hinaus, daß sie restlos und vollkommen vertraut.

Herzelein! Goldherzelein! Holde, Geliebte mein! Du!!! Du!!!!! Ich höre Dich doch an, immer, immer! Ich habe Dich doch sooooooooooooo lieb! Ich werde nie etwas denken von Dir!  Ich muß Dir mein Herze öffnen wie Du mir das Deine! Oh Du! Schätzelein, liebes! Und ich muß Dir doch auch alles sagen und beichten – und wäre es auch unter Tränen, oder daß ich mein Köpfchen in Deinem Schoß bergen müßte dabei wie ein Büblein [bei] der Mutter, oder daß ich ich es Dir ganz leise sagte, oder daß ich es Dir nur mit Blumen sagte – Herzlieb, ich kann dir nichts verschweigen – jetzt nicht über alle Ferne, und dann erst recht nicht. Und ich weiß, Herzelein, Du könntest es auch nicht. Du! Herzelein! Es ist kein Geheimnis mehr zwischen uns als das Wunder unsrer Liebe! Herzlieb! Längst hast Du mir schon das letzte, köstlichste Vertrauen geschenkt, das ein gutes Weib nur einmal verschenken kann. Und ganz tief drinnen festhalten – Oh Geliebte! Du mußt mir bleiben! Du mußt mich liebbehalten! Wenn ich Dich verlöre, ich wäre der ärmste, unglücklichste Mensch, der wahrhaft sein Liebstes, seine eigene Hälfte verloren hätte! Ich wäre wieder ganz einsam und unverstanden, ganz allein in dieser Welt – Oh Herzelein! So einsam ich war, so ganz bin ich nun Dein! Niemandem gehörte ich – aber Dir gehöre ich nun ganz! Und das war doch mein Sehnen, mein Glückträumen!

Du! Du!!! Verstehst nun und schaust es, warum Dein Mannerli so unendlich froh und glücklich ist? Ich gewann an Dir den liebsten, einzigen Freund, ich fand in Dir mich selber! Du kannst kein anderes Mannerli je so glücklich machen wie Dein hölzernes Mannerli, Deinen [Roland]!

Oh Herzelein! Ich hänge an Dir! Ich halte Dich ganz fest – mein Liebstes, Einziges, Bestes auf der Welt! – Gott sei uns gnädig, er behüte Dich mir! –

Ich liebe Dich so sehr und bin so glücklich!

Ewig Dein [Roland]!

Du!!! Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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