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[OBF-411209-002-01]
Briefkorpus

Dienstag, am 9. Dezember 1941.

Mein geliebtes, teures Herz! Liebster [Roland]! Mein Schätzelein!

Heute habe ich nun wieder ein Programm, das mir eigentlich wenig zusagt. Weil es mir die schönen Nachmittagstunden nimmt, an denen ich sonst so gerne Dein denke. Aber ich kann nicht umhin, ich habe schon vorige Woche abgesagt bei Frau G.. Sie hat mich und Frau L. eingeladen, sie möchte gerne einmal mit uns zusammen sein wieder. Sie ist noch immer krank. Und weil die letzten beiden Wochen vor dem Fest angefüllt sind mit anderer Arbeit, klappt es heute noch am besten. Nächsten Dienstag will ich backen. Morgen und nächsten Mittwoch habe ich zum letzten Male Kinderschar vor den Ferien. Die Mutsch will nun alleine mal nach Glauchau fahren und zwar gleich morgen und am Donnerstag zurück. Anders schafft man's nicht, als in zwei Tagen. Weil die Verbindung auch so miserabel ist. Ich habe keine Lust – auch keine Zeit. Ach! Du!!! Ich will doch sooo gerne wieder mal richtig lange mit Dir alleine sein – das ist mir tausendmal lieber als alles andre! Du!!! Herzelein!

Die Mutsch hat es nun mal ihrer Schwester versprochen, sie zu besuchen noch in diesem Jahre und sie will mich auch nicht alleine lassen beim Reinemachen. So geht eben diese Woche nochmal hops mit allerlei solchem Kram wie Besuche machen u.s.w.

Ach, zu zweien haben wir unsre Wohnung balde sauber. Und ich übereile mich garnicht so wie meine lieben Mitbewohner, die schon seit Tagen auf allen Vieren umherkriechen! Bei der Kälte putze ich nicht stundenlang Fenster. Ich bin froh, daß ich so fein gesund bin wieder. Wir verschmutzen nicht. Und wenn wir nicht mehr durch die Scheiben sehen können – dann machen wir halt die Fenster auf, gelt? Ich bin auch nicht mehr gar so verrückt wie anfangs. Man wird doch direkt zum Sklaven, wenn man andauernd nur mit dem Putzlappen umherrennt.

So ist es nun um ½ 4 [Uhr] geworden. Erst habe ich meine Wege besorgt am Morgen. Dann rupfte ich die Hennen, Mutsch nahm sie aus. Du! Davor ekele ich mich ein bissel! Um 11 [Uhr] war Mutsch zum Vertrauensarzt bestellt. Er hat sie nach gründlicher Untersuchung gesund geschrieben! Aber streng verordnet: nur ½ Tage arbeiten, öfter lang liegen und ruhen. Auch soll sie ständig unter ärztlicher Kontrolle bleiben. Ernstliche Bedenken lägen nicht vor.

Wir ahnten schon, daß nach 3 Wochen Kranksein der Ruf käme zum Vertrauensarzt. Nun gut. Mutter verzichtet gern auf das Krankengeld. Sie bleibt jedenfalls noch zuhause. Sobald ihr Operationsarzt praktiziert, (er hat noch keine Leute, Schreibhilfen u.s.w.) geht sie zu ihm. Und was er dann sag[e]n wird, das gilt. Ganze Tage lassen wir Mutsch nicht mehr arbeiten. Wenn's garnicht anders ist, dann macht sie eben bissel Heimarbeit und ich helfe ihr dabei – dann wäre v[i]elleicht auch das Arbeitsamt beruhigt! Doch das wird sich alles weisen. Wir wollen erst mal abwarten, was geschieht wenn Mutsch bei ihrem alten Arzte war.

Ich habe ja so ein Gefühl, als wäre doch nicht alles in Ordnung mit Mutter. Kein Arzt sagt offen, was los ist – beruhigt nur – und doch raten alle, bei denen sie nun war, dazu, daß sie unter ärztlicher Kontrolle bleibt. Gebe Gott, daß unsre liebe Mutsch vor dem schlimmsten bewahrt bleibt. Ach! Wenn es nur kein Krebs ist. Das wäre ja furchtbar.

Wir wollen alles in Gottes Hände legen. Wollen tapfer sein, alles tragen, was er uns schickt. Er möchte nur meine liebe Mutter nicht so unsäglich leiden lassen, ach das erbitte ich mir ganz innig von unserm Herrgott. Ich bin richtig froh, daß ich jetzt um sie sein kann. Ich heitere sie auf, wo ich nur kann und vertreibe ihr die Sorgen. Der Vater ist ja so angehängt und wenn er dann heimkommt, da möchte man ihn auch umsorgen, nicht noch mit seinen Sorgen zu ihm kommen. Ach – gebe Gott, daß alles ein gutes Ende nimmt.

Mein lieber [Roland]! Hier will ich erst einmal aufhören. Es ist um 4 [Uhr], ich versprach um 4 [Uhr] bei Frau G. zu sein. Nachher will ich noch zu Dir kommen mein Herzelein! Du!! Auf Wiedersehen! Geliebter!

Schätzelein! Ich muß Dich doch noch einmal ganz ganz lieb an mich drücken, ehe ich in's Bettlein gehe. Ich war nun bei G.'s. Es waren 3 nette Stunden, die wir verlebten. Ja, nach 4 [Uhr] kam ich hin mit Frau L. und kurz vor 7 Uhr bin ich zuhaus wieder angelangt. Sie hatte den Kaffeetisch schon gedeckt. Der Kranz mit seinen [r]oten Lichtern war angezündet, einige Laternchen. Ein recht traulicher Nachmittagsplausch wurde es. Ohne Lamentation. Sie war recht vernünftig heute. Wir handarbeiteten und erzählten von dem und jenem. Dann holte Lore ihre Laute hervor und wir sangen Weihnachtslieder. Ihre Schwester ist noch immer da! Um 6 [Uhr] kam Herr G. heim und setzte sich zu uns ein Weilchen. Aber es ist sonderbar, er spricht nie unmittelbar mit seiner Frau, er ist so abweisend zu ihr, selbst wenn sie ihm lieb entgegenkommt. Uns beiden gab er zur Begrüßung die Hand – seine Frau übersah er. Weißt, das sind alles so kleine Dinge, die man in solch gespanntem Verhältnis zueinander doch doppelt hart oder kränkend empfindet.

O ja, Geliebter! Meine Sehnsucht nach Dir ist so groß – sooooo groß! Immer ist sie in meinem Herzen; doch nun, seit ich Dich so lange nimmer bei mir fühlte, ach! Da ist sie riesengroß gewachsen! Ich will ganz tapfer und geduldig sein, mein Herz! Dir zuliebe!! Der Du doch wie ich Dich sehnen mußt und warten mußt, bis die Stunde der Erlösung schlägt. Du! Wir wissen, sie schlägt noch nicht für immer! Doch so vermessen soll unser Wünschen auch nicht sein, jetzt, angesichts des harten Kampfes aller jungen Männer. Keiner darf jetzt für immer heim! Und das soll uns auch trösten, daß wir nicht allein solch hartes Los des Wartens tragen. Du!!! So hart ist es auch wieder nicht. Seien wir nicht undankbar!!

Wir kommen einander täglich sooo lieb nahe in unseren Briefen! Sooo ganz sehr lieb!! Sag? Wer kann wohl außer uns noch so viel Zeit und Liebe aneinander verschwenden im Kriege? Er drängt nicht alle so wie uns, daß sie sich einander so ganz hingeben – gewiß! Den meisten fehlt aber wohl auch die Zeit dazu und die rechte Sammlung. Ach Herzelein! Ich könnte noch so viel in Anspruch genommen sein – zu Dir, zu meiner Ruhe und Geborgenheit müßte ich mich täglich flüc[h]ten und wenn es nur ein Stündchen wäre. Ach Du!!!!! Dich will ich nimmermehr verlieren im Hasten und Treiben des Alltags! Du bist meine einzige Freude! Bist mein Licht! Mein Sonne, nach allem Hasten und nach allem Dunkel der Zeit! Dich brauche ich, Dich muß ich haben, um ganz glücklich zu haben sein! Du!!! Ich muß Dich lieben – soooo herzinnig lieben!

Und wenn es nicht so wäre, dann hätte mein Leben keinen Sinn mehr! Oh Geliebter!! Geliebter! Bleibe mein! Wie ich allezeit Dein bleibe! Ganz Deine [Hilde].

Du!!! Ach Du!!! Wie ich Dich liebe! Gott behüte Dich!! Mein Sonnenschein!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946