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[OBF-411209-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 9. Dez. 1941

Geliebtes, teures Herz! Herzensschätzelein! Meine [Hilde]!

Geregnet hat es heute am Nachmittag. Gegen 6 Uhr erhob sich ein böiger Wind. Wir aber sitzen in der warmen Stube, friedlich, gemütlich. Alle drei lieben wir es warm. Und ich fühlte mich ganz wohl – wenn die Kameraden nicht wieder mit ihrer blödsinnigen, leidigen Raucherei anfingen. Davon werde ich so schnell müde. Es ist doch eine häßliche Gewohnheit. Der leichte Rauch einer Zigarre im Zimmer ist wohl schön, aber der Qualm ist lästig. Ach Herzelein! Einmal wird es so sein, wie wir es gern haben. Und wenn wir weilen müssen, wo es uns nicht gefällt, werden wir desto freudiger in unsre Ordnung zurückkehren. Endlich im Leben einmal die eigene Ordnung – wie sehr wünschen wir es uns beide!

Herzelein! Hast so große Freude erlebt an unseren Daunendecken – die Du mit mir teilen möchtest, liebes Weib! Ich freue mich mit Dir! Hast wieder mal einen Fang gemacht, jetzt, wo kaum noch etwas zu fangen ist. Schätzelein! Ich habe schon vielmal meine Freude gehabt an Deiner gediegenen Ausstattung. Sie wird ja im eigenen Haus erst recht zur Geltung kommen. Herzlieb! Wer von Deinen Kameradinnen wird noch so gut ausgestattet sein? Oh, Dein Mannerli hat doch überhaupt keine Sorgen vor Ort haben müssen. Und ich würde sie doch mit Dir getragen haben. Bin doch allein mit Deiner Herzensliebe sooo überreich! Und heute weiß ich doch, wie der Sinn für das Gediegene ganz ein Zug Deines Wesens ist. Oh Schätzelein! Ich bin doch ein ganz glückliches Mannerli durch Dich! Du! Aus einfachen Verhältnissen kommend, hast Du Dir doch d mit Deiner Herzensgüte, deiner Strebsamkeit, der Gediegenheit und Bildsamkeit Deines Wesens die Bahn und die Möglichkeit zum Platz an jedes Mannes Seite offengehalten, und überhaupt geöffnet. Herzelein! Manchmal dünkt es mir so wenig, was ich Dir bieten kann. Aber dann denke ich, daß doch nichts über das glückliche Verstehen geht, über das Glück des Naheseins. Und dieses Glück ist mit uns, ich weiß und fühle es. Es ist bedingt durch uns[e]re Liebe, durch die Verwandtschaft unsrer Wesen. Und es ist doch kein größeres Glück als miteinander zu leeb leben und zu schaffen, nichts verbindet die Menschen mehr miteinander. Und mein Beruf bringt es mit sich, daß unser beider Schaffen nicht weit voneinander liegt, jeder eine andere Welt, sondern daß es sich auch berührt. Und schon rein zeitlich sind wir viele Stunden am Tage aneinandergewiesen [sic]. Ach Schätzelein! Ich weiß doch, daß Du so wie ich mit keinem Gedanken darüber noch unzufrieden gewesen bist. Wir haben einander sooo lieb, wie zwei Menschen einander nur lieben können! Oh Herzlieb! Ich bin sooo glücklich mit Dir! Ich bin so ganz eins und zufrieden, oh sooo dankbar dem Schicksal, daß [sic] mich Dir zuführte – und Du bist es auch. Und so glücklich sind wir schon jetzt, da wir einander meist fernsein müssen – und wir werden es bleiben, wenn wir dann erst unsre Liebe einander recht erzeigen können.

Herzelein! Ich freue mich ganz sehr über die Neuerwerbung für unser Heim, Du!!! Schlafstubenpracht und Schlafstubenfeierlichkeit und -kult, wie man sie zuweilen sehen kann, sind zwar nicht in meinem Sinn. Aber die Decken sind ja auch kein reiner Luxus. Und Luxus, leerer, falsch angebrachter, wird ja nirgends sein in unserem Heim! Nun will ich aber auch nimmer hören, daß mein Herzelein friert im Bettlein. Mags nur die weichen, warmen Pfühle fleißig benutzen, solange es allein ist. Muß es doch auch ganz ganz ganz artig liegen – ja? Du!!! Zum Unartigsein gehören doch zwei!!!

Du berichtest mir, daß meine Pakete angekommen sind. Ich freue mich darum! Nun sind doch die Weihnachtsgeschenke pünktlich an Ort und Stelle. Ach Du! Spann Deine Erwartungen nur nicht zu hoch. Ich möcht['] Dich doch viel lieber noch beschenken. Und mein Geschenk kann Dir doch nur ein wenig zeigen, daß ich Dich liebhabe und Dein denke. Oh Herzelein! Daß unsre Boten täglich auf die Reise gehen, daß wir einander immerzu liebend gedenken, ist wohl der schönste Ausdruck uns[e]rer Liebe und Treue!

Weil Dir das Kissen gut gefallen hat, habe ich doch heute gleich noch eines gekauft. Die Auswahl war schon wieder kleiner, zumal in den Farbzusammenstellungen. Denk an, nicht eine Bulgarenbluse hat er mehr dahängen [sic], und am letzten Male beinahe noch zwanzig. Ich vermute, dass die Blitzmädel hinter den Geschmack gekommen sind. Aber die schönsten Farben waren doch schon weg. Ja und nun unter den Kissen wählend, gefiel mir doch keines so gut als eben wieder dasjenige, das wir schon besitzen. Es war noch einmal da. Ich habe es genommen – und nun haben wir ja die Möglichkeit, mit Mutsch zu tauschen, aber auch die andere, die beiden gleichen zu behalten. Sie gefallen mir ganz sehr. Nur die Bommeln an den Ecken passen nicht dran. Die schneiden wir ab.

Ganz sehr freu ich mit Dir über Deinen Gabentisch, der nun trotz der Kriegszeit wieder reich gedeckt sein wird. Ach Schätzelein! Was Dein ist, ist doch auch mein! Und Deine Freude ist meine Freude. Wir können uns doch so herzlich miteinander freuen! Ja? Du!!! Du!!!!!

So dicht besetzt und reich an Erleben waren Deine Tage wieder – reicher als die meinen, ganz gewiß! Nütz mir die ‚freie Zeit' noch recht! Wenn ich dann bei Dir bin, darf mein Schätzelein so oft in der Woche nicht mehr allein ausgehen, würde das Mannerli traurig werden sonst! Das Fräulein Pastor ist mir gar nicht bekannt. Recht, daß Du Dir den Vortrag anhörtest.

Bescherung im Lazarett. Es wird in unseren Tagen mehr denn je getan für all die bemitleidenswerten Menschen – aber mir will scheinen, es ist alles zu sehr aufgezogen, organisiert, es geschieht all weniger aus Liebe. Ach Herzelein! Eher ließe ich Dich Nachrichtenhelferin werden als Schwester! Ich hielt es nicht aus vor Sorge; vielleicht auch vor Eifersucht. Herzlieb! Nicht Sorge um Deine Liebe und Treue – sie würden sich bewähren. Aber man würde Dich bedrängen mit Blicken und Worten – Dich begehren! Ach Du! Die jungen Menschen sind so lüstern – und das erste, was sich wieder regt, wenn man nur einmal wieder über den Berg ist, das ist die Lust, die böse Lust. Mein Herzelein! Ich litte es nicht – oh, ich wäre so traurig! Und Du verstehst mich! Ich bin Dir sooo dankbar darum! Und aus tiefem Herzen dankbar auch, daß Du den fremden Mann abwiesest. Hat er denn das Ringlein nicht gesehen an Deiner Hand? Ach, ich glaube, den wenigsten Menschen ist dieses Zeichen noch heilig und bedeutsam. Mein Herzelein! Du warst noch nicht eine Stunde in diesem Haus, da wollten schon Fäden Verwirrung spinnen. Und so ist es überall heute. Zeit ohne Ordnungen.

Geliebtes Herz! Nun laß Dir für heute die lieben Hände drücken. Morgen will ich sie wieder fassen! Behüte Dich Gott! Oh Herzelein! Er helfe uns gnädig durch diese schlimme Zeit. Herzlieb! Ich halte mich an Dich! Ich halte Dich ganz fest. Ich glaube an Deine Liebe! Ohne diesen Glauben möchte ich nicht mehr leben! Du! Mein Sonnenschein! Mein Leben! Mein Herzlieb! Herzblümelein! Goldherzelein! Ich liebe, liebe Dich! Du!!!!! !!!!! !!!

Ewig Dein [Roland]! Dein! – Mein!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946