Bitte warten...

[OBF-411208-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 8. Dez. 1941

Mein liebes, teures Weib! Herzlieb Du! Geliebte mein!

Herzensschätzelein! Du! Geliebte! Ach, wie groß ist meine Sehnsucht, endlich einmal mit Dir ganz allein zu sein! Die anderen, auch die Kameraden, würden meinen Wunsch nicht ganz verstehen, weil sie nicht wissen, wie so innig man miteinander verbunden sein kann – wie so traut man Herzenszwiesprache miteinander halten kann. Herzlieb mein! Ach Du! Du!! Wie drängt es mich, Dich meiner Liebe zu versichern! Dir zu zeigen, wie ich Dir ganz gehören möchte, wie ich nur Dir mich widmen möchte, ach Herzelein! wie alle Zeit mir vergeudet scheint, die ich nicht mit Dir verleben kann! Da ist nun Störung ringsher, Radiogedudel, K. vernebelt die Zimmerluft mit seiner Zigarette. Und doch muß ich dankbar sein, daß ich die Kameraden fand.

Herzelein! Schwarze Nacht ist draußen. Seit heute abend Regen dazu. Und Dunkel in der Welt. Und seit gestern neues Dunkel dazu. Krieg aller gegen alle. Nun ist kaum noch ein Platz auf der Erde, der von diesem Kriege nicht betroffen wäre. Ist es nicht zum Verzweifeln? Ach Geliebte! Nichts ist beständig. Alles wankt und fällt. Das Leben zeigt sich in seiner nackten Sündhaftigkeit und Bosheit. So wie einige Bilder furchtbarer Armut in den Straßen unsrer Stadt mich daran gemahnten in diesen Tagen, daß das Leben wie ein reißender Strom spült, dem menschliche Vernunft, Einsicht und Nächstenliebe nur ganz schwache Dämme entgegenzusetzen vermag.

Oh Geliebte! Geliebte!! Teures, liebes Herz!!! Was wäre, wenn wir nicht um Gott wüßten, nicht an ihn glaubten? Wenn wir die Weihnachtsbotschaft nicht hätten? Dieses Leben wäre ein Pfuhl, es lohnte sich nicht.

Oh Du! Du!!! Du!!!!! Was wäre, wenn ich Dich nicht hätte? Wenn ich mich Dir nicht verbunden wüßte, lieb und treu für dieses Leben, unwiderruflich – vor allem aber doch mit der Bande stärkstem, unendlicher Liebe?! Oh Du, mein Herzelein! Was wäre, wenn ich nicht an Deine Liebe glauben dürfte – wenn wir einander nicht festhielten, ganz fest und innig verschlungen festhielten, daß wir nicht mitgerissen werden in den wilden Strudel, daß wir einander nicht verlieren im Dunkel und Drängen dieser Tage?! Oh Geliebte! Wie will ich Dich festhalten! Mit meinem Sehnen! Mit meinem Lieben! Mit allem, was ich habe! Oh Du! Du!! Reich mir beide Hände! Rücke ganz fest an meine Seite! Geliebtes Weib! Wir wollen zueinanderstehen – gläubig, lieb und treu! Wollen nicht lassen voneinander! Und Gott im Himmel möge mit seiner Gnade und seinem Segen auf uns herniederschauen! Oh Geliebte! Ich bin Deiner Liebe gewiß! Ich fühle, wie auch Du mich festhältst! Möchte es immer so bleiben! Oh Herzelein! Laß uns miteinander aushalten! Laß uns tapfer durchhalten! Möchten einander die Liebe immer ganz gegenwärtig sein – oh Schätzelein! Daß wir sie hinüberretten in die bessere Zeit! Daß wir sie erhalten, bis wir sie in friedlichen Tagen erst recht einander erzeigen und bewähren können! Oh Herzelein! Es ist kein Zweifel, der mich beschleicht! Es ist die Sorge, die vor dem Dunkel dieser Tage ihr Haupt erhebt!

Oh Herzlieb! Ich falte mit Dir demütig die Hände: „Herrgott im Himmel! Laß uns stark bleiben! Laß uns feste stehen! Laß uns Treue bewähren!“

Mein liebes Weib! Drei liebe lange Boten künden mir heute so viellieb und reich von Deinem treuen Gedenken, von Deiner großen Liebe! Oh Geliebte! Wieviel Kraft und Trost kommt mir aus der Gewißheit Deiner Liebe! Es ist noch ein Mensch, an den ich mich halten kann, an den ich glauben kann, in dessen Liebe ich geborgen bin, so sicher wie in der Liebe der Eltern – und noch mehr. Oh Schätzelein! Ich weiß noch einen liebsten Ort hier auf Erden! Weiß noch ein Herz, ein liebevolles, treues. Weiß noch ein Menschenkind, das sich so sehnt nach der Liebe tiefster Geborgenheit und heimlichster Traute, wie ich mich darnach sehne.

Oh Herzlieb! Manchmal wähne ich mich fast allein mit Dir in solchem Sehnen und Lieben. Aber das weiß ich: ich würde doch kein Menschenkind je mehr finden in dieser Welt. Du! Du!!! Mußt mir bleiben, Herzallerliebste! Unersetzlich bist Du mir – ist mir Deine Liebe – Du! Du!!!!! !!!!! !!! Oh Geliebte! Du weißt, daß mein ganzes Sinnen auf unsre Liebe gerichtet ist, auf unser Leben! Daß ich Dir heimkehren will! Kein and[e]rer Wille, der noch so mächtig in mir ist! Und Du sollst ganz getrost sein. Oh Herzlieb! Herzelein! Herzensschätzelein! Du! Du!!! Ich bin doch ganz erfüllt von dem Glück unsrer Liebe! Bin doch ganz davon beseelt und ihrer immer, immer eingedenk, Herzelein! Dein Bild, Dein Wesen, Du, mein liebes Weib, bist doch immer bei mir – weichst keinen Augenblick von meiner Seite!

Oh Herzlieb! Gib mir Deine Hand! Gott weiß, wie teuer sie mir ist! Oh Du! Er sieht ins Herze – er sieht, wie wir zueinander stehen. Ich werde sie nimmermehr lassen bis in den Tod!

Sei ganz still, Herzelein! Ganz getrost und ohne Angst. Ich habe mich in keiner Weise vorgedrängt, habe nur meine Pflicht getan. Der Vorschlag erfaßt bestimmungsgemäß alle Soldaten mit einer gewissen Dienstzeit. Auch die Kameraden H. und K. werden vorgeschlagen. Mit diesem Vorschlag ist noch nichts geschehen und gesagt. Wir werden eine Fachprüfung ablegen müssen, und wenn es bei den jetzigen Bestimmungen bleibt, einen Kursus mitmachen müssen, in Varna. Ob wir dann zurückkommen nach S. [sic] steht ganz dahin.

Es ist überhaupt nichts bestimmt. Und noch sind die Vorschläge nicht eingereicht. Herzlieb! Sei ohne Sorge! Vertraue mit mir in Gottes Güte. Er wird alles gut machen. Und vor alledem will ich doch erst noch einmal auf Urlaub kommen!!! Und was Du Dir mit dem Schiff denkst, das ist, so glaube ich, abwegig.

Ach Herzlieb! Ich werde mich nie mutwillig in Gefahr begeben! Und ich mag doch gar nicht weiter weg von Dir, als ich so schon sein muß! Herzlieb! Ich will Dir heimkehren – sonst nichts – Dir recht bald heimkehren! Recht bald!!! Wir wollen einander immer ganz festhalten! In treuer Liebe! Dann wird Gott mit seinem Segen mit uns sein!

Und nun berichtest Du mir ja wieder getreulich von Deinen Erlebnissen, läßt mich so lieb daran teilnehmen, daß keine Leere, keine Fremde, kein Mißtrauen zwischen uns treten kann. Ach Herzelein! Das könnte nie geschehen bei unsrer Liebe! Ich muß Dir ja von allem auch berichten! Muß Dich teilnehmen lassen an Freud und Leid! Oh Herzlieb! Muß mich in Deiner Liebe sonnen und wärmen – muß Dich suchen! Immer und immer! Oh Herzelein! Und wenn ich Deine Liebe einmal betrübt hätte, ich fände nicht Ruhe, bis sie ganz, ganz wieder, ausgesöhnt wäre. Deine Liebe ist mein Sonnenschein! Mein Herzschlag! Mein Leben! Du! Herzlieb! Bist mein Ein und Alles! Mein Herzblut! Geliebte! Laß Dich lieben! Laß Dich herzen! Laß Dich küssen! Möchtest Du immer ganz glücklich sein in meiner Liebe!

Gott behüte Dich mir! Morgen will ich Deine lieben Hände wieder ganz fest fassen! Die Kameraden drängen: zu Bett, zu Bett! Ach, ich möcht es beklagen! Gut Nacht! Mein Goldherzelein! Mein Herzensschätzelein! Behalt mich lieb! Ich bin ganz Dein und

bleibe ewig Dein [Roland].

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946