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[OBF-411205-002-01]
Briefkorpus

Freitag, am 5. Dezember 1941.

Herzallerliebster! Mein Herzensschätzelein! Geliebtes, teures Herz!

Heute ist aber ein trüber Tag! Man könnte doch von 3 Uhr an, jetzt, schon Licht brennen. So recht ein Tag zum Daheimbleiben und – Du!! zum Liebhaben; ich möchte sooo gerne wieder einmal mit Dir zusammen solch trüben Tag erleben, wo es uns garnicht hinauslockt! Wo wir am allerliebsten daheim bleiben und – vielleicht auf dem Sofa sitzen miteinander, Du, Herzelein liest mir etwas Schönes vor – oder spielst und singst! Oder hättest auch für mich ein wenig Arbeit von der Deinen!! Aber – Herzelein! Auch eine ganz gemütliche Kaffeestunde müßte dabei sein! Ach – und ein Weilchen möchte ich doch [ga]nz, ganz nahe bei Dir sitzen, Dich ganz lieb umschlingen, Dich küssen – oh Du!!! Doch liebhaben – sooooo lieb!!! Ach Herzelein! Wie ich mich danach sehne!!! Sooo sehr!!! Du!! Das alles sind Friedensgedanken – Urlaubsgedanken. Noch muß ich mich fein gedulden! Mit meinem Herzelein zusammen! Aber bald, so Gott will, bist Du wieder bei mir, mein allerliebstes Schätzelein! Oh, wie ich mich schon auf den Tag freue, da ich Dich in meine Arme schließen darf! Dich! Mein Glück!!! Meinen Sonnenschein! Ich kann es mit Deinen Worten sagen: Freitagabend, ein schöner [A]bend: Ausblick auf Sonnabend und Sonntag, die Tage des Aufschauens, der Besinnung, der Einkehr. Und wenn auch jetzt noch Nachmittag ist, so kann ich doch schon von Feierabend sprechen; denn ich habe Schluß gemacht für heute mit der Arbeit. Erstens will ich mich ein wenig schonen, weil ich doch krank bin. Und zweitens beginnt kommende Woche sowieso das Großreinemachen auf Weihnachten hin, deshalb machte ich heute in der Stube und meinem Kämmerle garnicht viel Kram. Vater hat Nachtdienst, da muß das Schlafzimmer erst morgen nachmittag sauber gemacht werden, damit wir ihn nicht stören. Wenn er aufsteht, es ist meist 4 Uhr oder ½ 5 [Uhr], dann ist es auch schon wieder so dunkel, daß man nicht Reinemachen kann. Eine Verdunklung ist im Schlafzimmer nicht.

Badetag ist heute. Ich kann garnicht sehr mitbaden! Du! Wollen wir auch später den Freitag zum Badetag bestimmen? Es ist ein günstiger Tag, gelt? Der Sonnabend steht uns dann in gewisser Hinsicht ganz frei zur Verfügung. Was werden wir wohl einmal für eine Badewanne haben, Du? Eine große möchte es schon sein, gelt? Ich meine jetzt, weil wir doch alle beide so groß sind! Und breit muß sie auch sein, gelt? Ein wenig breiter als unsre daheim! So wie die Kamenzer, die ist fein. Ach Du! Da können wir alle beide noch tüchtig in die Breite gehen, darein paßten wir immer noch! Ich meine natürlich, jedes für sich! Ein Badestübel wünschte ich mir schon, das wäre fein. Das Schlüsselloch muß aber mit Watte verstopft sein! Und der Riegel an der Tür muß ganz fein funktionieren! Astlöcher dürfen auch nicht im Holze sein, sonst kaufe ich gleich ein Pfund Gips!

Einen Wunsch habe ich noch zu Weihnachten, Herzelein! Kannst mir eine große, langstielige Wurzelbürste schenken, daß ich mir fein den Rücken abrumplen [sic] kann. Wie man das macht, werde ich Dir noch lernen! Denn Du wirst doch nicht etwa denken, daß ich einen Marineunteroffizier in das Badestübel hereinlasse zu mir! Das ist nun vorbei – aus! Erst, wo Du Gefreiter warst, ja – da habe ich's aus Mitleid gelitten, daß Du Bademeisterstelle bei mir vertrittst! Da konntest Du auch die kleine „Zulage“ wohl brauchen! Doch dann, bei einem Unteroffiziersg[eh]alt, ach! Wie könnte ich dann noch!! Ja – es wird überhaupt dann manches sich ändern. Unsre Schlafzimmer werden dann getrennt sein; das ist doch so Sitte in Offizierskreisen, gelt? Ich meine, mal irgendwo sowas gelesen zu haben. Und wir müssen uns doch dem Stande gemäß umstellen und anpassen, nicht? Na weißt, für heute mögen diese beiden Punkte erst mal genügen! Ich will Dir unsre Zukunft nicht gar zu rosenrot malen! Ich fürchte, Du läßt Dir sonst allen Urlaub gutschreiben bis – entweder bis ich meine „Neuregelung in der Ehe“ umgeworfen habe, oder? Bis ich vor Sehnsucht nach Dir vergehe und all die Unart hier zurücknehme! Du!!! Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!! Geliebter!!!!!

Du! Traust mir solche verrückte Ideen zu? Ach Du!!! Nimmermehr könnte ich mein Verhältnis zu Dir wandeln! Nimmermehr könnte ich plötzlich im Wesen anders zu Dir sein als bisher! Ich könnte meiner Liebe wohl Schranken auferlegen, wenn ich fühlte, Du wolltest es haben – aber ich müßte mich zwingen dazu. Ach Du!!! Es täte mir so weh, mein wahres Herze vor Dir zu verbergen! Du!!! Und Du? Ach, Du würdest es doch nimmermehr von mir verlangen, daß ich meine Liebe und meine Zärtlichkeit zu Dir einstelle! Du!!! Ach Du! Ich müßte doch irre werden an Dir, wenn Du eines Tages das von mir verlangtest! Du hast mich lieb! Und Du lebst wie ich von dieser Zärtlichkeit, von all den innigen, zarten und heimlichen Zeichen der Liebe und Verehrung! Du!!! Was wäre denn dann unser Zusammenleben noch?

[Ei]ne taube Blüte, eine taube Frucht! Oh Du!!! Herzelein! Ach Du! Wohin versteige ich mich denn! Was wollte ich Dir eigentlich sagen mit alledem? Daß ich zum Scherzen aufgelegt bin! Daß Du aber dieses Scherzen nicht für Ernst auffassen sollst, Du!!! Du!!!

Ach Du!! Herzelein! Wir müssen doch nicht jedes Wort abwägen, was wir einander sagen! Wir verstehen uns doch so lieb! Du!! Und ich weiß es doch, Herzelein! Du nimmst all das recht auf! Ich muß Dich doch gleich einmal ganz lieb drücken, Dich küssen! Du!! Siehst, so sind die Weibel, erst wollen sie das liebe Mannerli [g]anz in die Enge treiben – und dann? ja, dann bekommen sie es doch mit der Angst, daß sie ihr Herzensmannerli verlieren!! Und nun möchten sie, daß alles vergessen sei! O die bösen, bösen Weibel. Wenn man doch ein Mittel wüßte, womit man sie kurierte von dieser bösen Unart! Ich wüßte schon eins! Du!!

Ob es Dir aber zusagst? Wenn's eine Strafe sein soll? Du wirst denken: na, eine Strafe für's Weibel, vom Weibel ersonnen – das wird was Rechtes sein!! Ach – ich sag's lieber nicht! Du!!!!! Wenn Du mich ganz sehr liebhast, dann weißt Du schon alleine, wie Du mich kurierst, Du!!! Du!!!

Nicht mit der bösen Arzneiflasche – o nein! Nicht mit dem Rohrstock – o nein! Oder doch? Kein Rohrstock ist's, aber ein Stöcklein könnte man's nennen – oder ein Schlüsslein? Sag, ist es das? Du! Dagegen ist das Weibel machtlos – wenn das Mannerli damit droht, ach Du!! Du!!!!! Dann kann das Weibel nicht anders, als ganz, ganz lieb und artig und gefügig zu sein! Das ist sonderbar, ein rechtes Zauberschlüsslein ist es, das dem Weibel alles Böse nimmt! Du!!! Wirst Du es mitbringen, Dein Zauberschlüsslein, wenn Du zu mir kommst?

Ach Du!! Du!!! Willst Du denn zu mir kommen? Nun? Wo ich Dir so schlimme Dinge gesagt habe?, Du!! Die Dir die ganze Freude auf's heimkehren verderben? Du! Du!!! Ich will Strafe zahlen, Herzelein! Für jede Unart 1000 Kussel! Bist Du zufrieden?

Und einmal darfst Du zur Strafe meine Wärmflasche sein. Du!!! Ach Du!!! Ich bin sooo glücklich in Deiner Liebe!! Herzelein! Lauter närrisches Zeug habe ich Dir nun geschrieben. Magst mir denn noch weiter zuhören? Du!!! Es ist nun um 8 [Uhr] geworden abends. Die Mutsch liegt in der Badewanne, ich sitze hinter der spanischen Wand! Ich will mich nur fein a[b]waschen nachher, ehe ich schlafen gehe – es geht schon mal so! Oder meinst, daß ich doch zu schmutzig bin? Nein! Du!! Wo ich doch so feine Seife habe zum waschen!!

Vorhin war ich erst mal bei Frau L. Wir hatten verschiedenes zu besprechen, wegen der Weihnachtsfeier und der nächsten Arbeitstagung in Chemnitz, am 13. Dezember. Ach, vielerlei Kram. Und ich nahm für meine Buben Laternen mit zur Weihnachtsfeier. Es sind welche übrig geblieben im Lazarett, die wollen wir verteilen. Frau L. hatte einen Korb voll noch bei sich stehen.

Ihr Mann ist in Ath[e]n. Er klagt über das Essen momentan. Reis mit Rosinen hätte es gegeben. Gewiß, das mag nicht jeder. Na, wenn's nur überhaupt noch etwas zu essen gibt! Im Osten sind die armen Landser oft lange ohne Nahrung, weil in diesem Morast die Feldküche überhaupt nicht nachkommt. –

Herzlieb! Heute ist nun 5. Dezember – der Tag, der schon lange vorangemeldet wurde: 150. Todestag unsres deutschen Meisters, Wolfgang Amadeus Mozart. Im Radio meldeten sie, daß auch Griechenlands Städte diesen Meister der Deutschen feiern würden. Nun bin ich gespannt, ob Du etwas gesehen oder gehört hast, ob irgendwo musikalische Darbietungen stattgefunden haben. Ich will nachher noch unser Kästel anschalten, will sehen, was es bietet.

Herzelein! Von Deinem lieben Freitagsbrief will ich nochmal kurz reden. Das Ereignis des vorigen Freitags: die Anwesenheit Eures lieben Kameraden H.! Ich freue mich mit Euch, daß er das liebe Kleeblatt nun wieder vollständig machte! Daß er alle Unbill seines vergangenen Urlaubs nun glücklich überstanden hat. Ihr werdet ihm schon das Einleben in die nunmehr wieder ‚Junggesellenbude‘ leicht machen, gelt? Es ist schwer, das Abschiednehmen, nach so langer Zeit des Beisammenseins und noch dazu das Scheiden von Weib und Kind in so trautem Heime, und so kurz vor Weihnachten! Ach ja – ihn muß es noch härter ankommen als Dich und mich. Du!! Gott gebe, daß alles Scheiden bald ein Ende nehme! Daß es nur noch ein Wiedersehen gibt! Bitte, grüße Kamerad H. schön von mir! Ich habe seiner lieben Frau Adventsgrüße gesandt, sie wird mir schon auch wieder mal schreiben.

Sagte ich Dir schon, daß ich Frau K. die Negative von Deinem letzten Filmergebnis schickte? Sie wird sich freuen über die schönen Bilder! Ich habe sie schon beglückwünscht zur [sic] ihrem Urlauber! Wann darf ‚er‘ denn abhauen?! Sag ihm nur, er möchte ein Plätzel in seinem Koffer lassen und Dich als Christkind mit hereinschmuggeln nach Sachsen! Du bist doch beinahe ein Christkind! Und ich ärgere mich garnicht, wenn Du schon am 22. Dezember bei mir ankommst! Willkommen bist Du mir schon am heutigen Tage! Du!!!

Aber ach! Immer schön der Reihe nach! Alle können nicht zu Weihnachten heimkommen. Ich freue mich nur, daß Ihr Euch so gut vertragt! Ihr haltet gut zusammen! Paßt fein aufeinander auf! Und helft Euch über die dunkelsten Stunden hinweg. Mein Mannerli ist nicht einsam, sondern in der Mitte guter Kameraden. Füge es das Schicksal, daß Ihr noch lange beisammen bleibt! Aus 3 Gefreiten sollen 3 Maate werden!

Ich komme da nicht drüber hinweg! Du!! Lache nur nicht! Du!!! Ich bin halt eine altmodische, ich hänge zu sehr am alten! Ihr habt alle 3 die Schreiberlaufbahn. Und wie Du mir einmal sagtest, kommt man bei der Marine selten, oder schwer aus einer Laufbahn in die andere. Das ist [j]a günstig – insofern, als ich nun weniger fürchte, da[ß] Du aktiver Ausbilder wirst. Denn Maate sind doc[h] Ausbilder. Mußt Du also junge Schreiber ausbilde[n], wenn es soweit ist? Sag? Ob sie auch Schiffsschreiber benötigen?

Du! Das Wort Unteroffizier spukt mir doch immer im Kopfe herum! Es wird manchmal ein richtiges Gespenst. Es hängt mir an wie Klette! Wer es mir nur wieder abhängen könnt'! Du!! Du!! Herzelein! Ach, Du weißt ja heute auch noch nicht, was aus Dir wird! Und ich will gewiß nicht schwarz sehen! Du!!! Ich denke schon wieder zu weit voraus. Manchmal ist es doch leichter für einen, wenn man nicht all so gründlich ist. Ach Herzelein! Der Herrgott schütze Dich m[ir]!

Nun hast Du auch wieder Post von mir! Ich freue mich mit Dir! Herzelein! Auch ich bekam heute Deinen sooo lieben Sonnabendbrief! Ich muß Dir morgen Antwort geben darauf! Geliebter!! Heute langt der Abend nimmer zu! Jetzt muß ich mich fein waschen – dann will ich in's Bettlein gehn. Ich bin müde heute. Ach, wenn Du aber wirklich bei mir wärst, dann könnte ich nicht müde sein! Oh, neben Dir nicht!!! Ich wollte ganz still, ganz froh und selig neben Dir im Bettlein liegen! Oh Herzelein!! Dich fühlen! Dich schauen! Oh Geliebter! Wie ist meine Sehnsucht groß und mächtig! Du!! Du!!!!! Gott behüte Dich mir! Du bist mein allerallerliebstes auf Erden! Herzelein! Mein Herzelein! Ich liebe, liebe Dich! Ganz Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946