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[OBF-411203-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 3. Dezember 1941.

Herzensschätzelein! Mein geliebtes, gutes Mannerli! Mein Herzlieb!

Abends ist meine Zeit gekommen, da ich wieder ganz bei Dir sein kann. Mittwoch ist, Kinderschartag. Heute hatte ich versprochen, daß wir Kasperltheater spielen. ¾ 3 [Uhr] klingelt es schon unten. „Frau [Nordhoff]! wir sind da mit dem Theater!“ Und so mußte ich denn mit den Buben losziehen nach der Pestalozzi-Schule. Ein Theaterstück hatte ich nur erwischt: „Kasperl und der Zahnarzt“. Es war ganz nett. Die Rollen wurden verteilt, dann ging's los. Glaubst! Ich hätte mich können kaputt lachen! Wie originell sie das alles machten! Zum kugeln! Das erste Male hielten die Bengels, die übrigen, [h]eute ihren Schnabel eine Weile. Als dies Stück zu Ende war, ließ ich noch „Rotkäppchen“ und „Rumpelstilzchen“ spielen. 2 erboten sich noch „Kasperle im Märchenwald“ zu spielen, das ging nun weniger anständig zu!

Mit Kraftwörtern warf der Kasper um sich und im tollsten „Heimatdialekt“ wurde losgeschnurrt. Ich mußte bremsen! Ei, ei! Jedesmal könnte ich das nicht mitmachen, Du! Aber ich habe mir vorgenommen, öfter Kasperlenachmittage zu veranstalten; es ist ganz gut, wenn die Kinder so zu freiem Reden angehalten werden – sie sind alle mit Begei[s]terung dabei. Ich muß nur die Rollen gut durchsprechen vorher und Proben halten, damit alles fließend vorgetragen wird dann. Nun halte ich vor dem Fest noch 2 mal Schar. Einmal wird gebastelt, paar Kleinigkeiten für die Eltern. Selbstgefertigte Kästchen aus Packpapier, Nähkistchen aus Zigarrenkisten. Eine Wiege für's Schwesterchen aus einem Spankorb und 2 Kleiderbügeln als Kufen.

Ach, ich denke, der Winter wird ganz gut hingehen und wir werden schon keine Langeweile haben. Ich bin schon ganz gut eingerichtet. Wenn's wieder Frühling wird, dann steht uns das Freie wieder offen, da fühlen sich die Buben doch am wohlsten: draußen so richtig tollen. Einmal will ich auch eine Schneeballschlacht mit ihnen liefern, wenn's klappt mit dem Wetter. Unsre diesjährige Weihnachtsfeier halten wir am letzten Scharnachmittag im alten Jahre. Da werden wir singen und erzählen. Ich muß mal sehen, wie Frau L. es macht.

Mein Herzelein! Nun will ich erst vom Geschäftlichen noch reden. Du hast mir so feine Wolle gekauft! Ich habe die Probe gefunden! Ich bin ganz sehr zufrieden mit Deiner Wahl! Schön ist die Farbe! Und gut noch die Qualität! Mein Mannerli ist doch ein Tausendsassa, es kann so tüchtig allein einkaufen! Ich möchte Dir alles anvertrauen, Du! Hast doch immer meine Gedanken und Ansichten. Ich bin Dir wirklich sehr dankbar, mein [Roland], daß Du mir die schöne Wolle kauftest!! Und dachtest Du auch an Dich? An Dein Herzlein? An Deine Beineln? Du!! Muß ich mahnen?! Weil Du die Gedanken ans Wärmen noch weiter fortspinnst, muß ich Dir hier auch gleich zu Deiner Beruhigung sagen[,] daß wir unser Öfchen benutzen! Ja, ja!! Es hat keinen Sinn, es jetzt nicht anzuschalten, wenn's auch paar Mark mehr kostet. Kohlen jedoch kriegen wir nicht, für noch so viel Mark! Die Eltern wissen das auch. Und wenn die Mutsch auch erschrocken war über die erste Rechnung, wo er in Betrieb war, der Heizofen. Sie hat doch längst eingesehen, daß wir froh sein können, mit Strom zu heizen; denn die Feuerung wird wahrlich immer knapper. Bitte, Herzlieb! Sorge Dich nicht! Wir werden nicht frieren. Das Geld im Täschchen wärmt nicht!! Und wenn ich mal die Füße auf dem Stein wärme, so i[st] das mehr ein Ausnützen der heißen Ofenplatten zu noch Nützlicherem: zum Wärmen der Füße; man hat eben dann die Wärme unmittelbar da, wo man sie braucht. Sonst stecke ich die Füße auch gleich mal ein Weilchen in die Ofenröhre; doch beim Schreiben geht das nicht gut. Verstehst schon, gelt?

Ach Herzelein! Da lese ich es nun wieder: „ich war zur Untersuchung heute.“ Und am anderen Tag nochmal. Wenn ich nur erst mehr von Dir wüßte! Daß Du gesund bist, das denke ich ohne Zweifel! Ach Du!! Wenn Du mir nur erst mehr von der ganzen Geschichte erzählt hättest! Ich bin so voller Fragen! Du hast Dich nur so ganz kurz geäußert dazu, ich kann nicht einmal herausfühlen aus dem Wenigen, wie Du Dich dazu stellst. Du!!!

Nur nicht verzagen, wenn wir auch noch nicht das Ende absehen. Und wenn es auch manchmal ganz düster um uns scheinen wollte. Es ist nur die Ungeduld, die uns zagen machen möchte. Sie geht vorüber.

Gott im Himmel bleibt! Und unsre Liebe und Treue! Geliebter mein! Sie soll nimmer auch nur wanken! Oh, wie froh dürfen wir sein, daß wir so gesinnt sind! Du und ich, wir haben Gott im Himmel. Wir wissen ihn über uns, wenn aller Menschenrat und -trost zu Ende geht. Lenker des Schicksals. Aus seiner Hand nehmen wir Leid und Freud. Gott ist allgerecht, allgütig, allweise. Und er bedenkt unser Schicksal, wir sind ein Paar auch vor ihm, das glauben wir fest! Oh Geliebter! Mit Dir will ich die Hände falten und vor ihn treten und [n]icht ablassen, um seinen Segen und seine Gnade zu flehen. In Gottes Hand legen wir das Glück unsrer Liebe. Oh Du! Herzelein! Du weißt, daß ich Dein warte! Du weißt es! Und Du weißt, daß ich zu Dir stehe, mag kommen, was da wolle! Du! Unsre Liebe ist mir das köstlichste Gut hier auf Erden, und ich bin erfüllt von dem Glauben, daß mir aufgegeben ist von Gott, zu warten, daß unsre Liebe Gottes Geschenk ist, das wir nimmermehr veräußern können! Du!!!!! Du!!!!! Ich will ganz froh mit Dir warten! Du, Geliebter wartest mit mir der befreienden Stunde. Deine Liebe wird immer mit mir sein! Dein Bild ist mir immer gegenwärtig! Oh Schätzelein! Wie Dir ist auch mir unsre Liebe verankert in Wesens und Herzens Grunde. Sie ist geheiligt durch den Glauben an Gottes Schickung! Ach Du!! Du!!!!! !!!!! !!! Du hältst mich ganz fest! Du willst mir heimkehren! Und ich bleibe Dir! Ich warte Dein! Immerdar, Geliebter! Ach Du! Nur so ist es schön zu lieben! So ganz! Erst so ist rechte Liebe! Wir sind so ganz aneinandergegeben! Oh Herzensschätzelein! Ich will es immer ganz glücklich und froh bedenken! Und will es immer wissen – auch dann wenn Gott uns für immer umeinander sein läßt. Wenn wir unsre Liebe gesichert wissen. Oh Du! Du sagst es mir, es erfüllt mich mit unendlichem Glück und Jauchzen: „Meine Liebe gehört Dir so ganz!“ Ich glaube Dir, Du!!!

Geliebter! Ich danke Dir! Mit all meiner Liebe danke ich Dir, Du!!! Ach Schätzelein! In unsrer Geborgenheit in Gottes Vaterliebe, da will mir auch die Sorge, die ich mir um Deine künftige Laufbahn mache, gering erscheinen. Du stehst allezeit in Gottes Hand! Ich weiß es froh!

Und ich will nimmer kleinmutig werden, Herzelein! Ich will nur einmal an die Abertausende denken, die täglich, stündlich ihr Leben einsetzen müssen in Rußland. Auch für mich, die ich in der Heimat weile, setzen sie es ein. Oh Herzensschatz! Wie reich segnete Gott unser Geschick bisher! Wir haben keinen Grund zu klagen! Oh nein! Du bist gesund! Das ist sooooviel Glück!

So gnädig führte Dich Gott am Ärgsten vorüber! Ein einziges Danken muß allein darum schon unser Leben sein! Du!! Und ich befehle Dich auch in dieser Stunde ganz unserm [V]ater im Himmel an, er sei mit Dir! Er segne Dein Leben! Geliebter! Auch Deine Kameraden sind zu Maaten vorgeschlagen worden. Daß man das doch in seiner schwachen Menschlichkeit so wenig bedenkt: das Schicksal spricht nicht nur zu dir als Einzigem – nein, viele sind betroffen vom gleichen Los. Und niemals steht ein Mensch ganz allein auf seinem Platz auf Erden. Ach – der gläubige Mensch ist niemals und nirgends allein, einsam! In der uns Menschen eigenen Unzulänglichkeit vergessen wir das nur zu oft.

Herzensschatz! Was Gott uns auch schickt – eines wissen [w]ir: nichts, was von Gott kommt ist sinnlos! Das tröstet uns! Geliebter! Und wenn doch kleine Sorgen Dich um das künftige Neue beschleichen wollten, so weiß ich doch froh, Du hast 2 gute Kameraden zur Seite, die zur rechten Stunde mit einem ermunternden Wort oder Blick Dir helfen! Und so helft Ihr einander immer, auch Du den anderen! Das ist schön! Ich bin so froh, daß es so ist, Herzelein! Meine Worte, die kommen ja immer zu spät, durch die Weite, die dazwischen liegt! Ach! Den rechten Trost, den findest Du auch am ehesten allein. Ich kenne Dich doch, mein Lieb! Aber Du verstehst mich schon wie ich's meine, wenn ich mich über Eure Kameradschaft freue, ja? Und nun will ich Dich zum Abschied ganz lieb küssen, mein Gold. Ich habe Dich lieb! Sooo lieb! Über alles in der Welt!

Der Herrgott schütze und behüte Dich mir! Deiner [Hilde]. Du!!!

Ich bin ganz Dein!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946