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[OBF-411203-001-01]
Briefkorpus

[Saloniki,] Mittwoch, den 3. Dez. 1941

Mein liebes, treues Weib! Geliebte, Holde mein!

Eiligen Schrittes geht es nun auf das Jahresende. In unserem Bürobetrieb kommt jeden Tag auch noch eine Geschäftsbedeutung zu, die den Tagen eine gewisse Gleichförmigkeit aufdrückt. So bedeuten der 5. und 9. jeden Monats einen wichtigen Termin. Etwa am 17. muß an die Beförderungen zum nächsten Monatsersten gedacht werden. Diesmal ist der 13. auch ein wichtiger Einschnitt, da werden wir die meisten der Weihnachtsurlaube abschicken. Im Handumdrehen ist ein solcher Termin heran – ist wieder ein Monat um. Zu diesen Geschäftsterminen kommt nun diesmal das Weihnachtsfest. Denn meisten Menschen bedeutet es kaum viel mehr als ein solcher Geschäftstermin. Oh Herzelein!  Das Leben unsrer Tage neigt dazu, alle großen Freuden und auch das tiefe Leid einzuebnen, ihnen den Glanz und die Tiefe zu nehmen – die Feiertage auch mehr und mehr zu verstaatlichen, sie in Ablauf und Gestaltung und Sinngebung in staatliche Gewalt zu bekommen. Das Weihnachtsfest, das im Volgke am tiefsten verwurzelte, entzog sich diesem Zugriff noch am längsten. Aber man wird es noch zur Strecke bringen. Herzlieb! Mit Dir will ich mir Freiheit und den Blick in die Weite und Größe der Welt bewahren. Mit Dir will ich auch des Lebens Feste und Feiern würdig begehen – wir werden uns nimmer rauben lassen, was wir besitzen! Oh Herzlieb! So wir nicht genüge hängen an dem, was viele Liebe nennen, so mögen wir uns auch nicht bescheiden mit dem, was viele Leben nennen. Die Liebe und den Drang zur Freiheit wird niemand in mir ertöten können.

Und den rechten Sinn und die Freude der Weihnacht kennen wir, der Glanz dieses Festes kann nimmer verlöschen – die Größe der Botschaft wird uns aber mehr und mehr aufgehen. Und ganz weit wollen wir ihr gr auch in diesen Tagen unsre Herzen öffnen. Wollen Gott danken, daß diese Botschaft no[ch] verkündigt werden kann. Oh Herzlieb! Unsre Zeit, die flache, raschlebige, will uns berauben – der Liebe, des Glaubens, des eigenen Nachdenkens –. Da heißt es halten, was man hat, Liebe und Treue bewähren und geradeaus seinen Weg gehen, unbeirrt, der Stimme des Herzens und Gewissens lauschen. Oh Geliebte! Welch unermeßliches Glück, daß Du mein liebster Weggesell bist! Daß Du eines Sinnes bist mit mir! Mußt lieben und glauben. Mußt etwas ganz Liebes in dein Herz schließen, Dich an ein Liebtes ganz verschenken. Mußt einen lieben Menschen ganz Dein Eigen wissen, ganz wie ich. Oh Schätzelein! Die meisten Menschen wollen nicht so, sie müßen nicht so, ja, sie verstehen uns nicht einmal in unserem Sosein. Und so müßen wir, Du und ich, auch glauben, müßen unser Leben und unser Liebesglück in Beziehung bringen auch zum Himmel, nicht zu in einer vagen, unbestimmte, unverbindliche Beziehung, sondern zu einer ganz persönlich lebendigen, die uns Verpflichtungen auferlegt, die unseren besten und tiefsten Regungen, unserem Beten und Danken einen Weg weist, die unsre besten Kräfte mobil macht in der Verantowrtung vor dem höchsten, die unserem Leben einen Sinn gibt, es in Beziehung setzt zu dem großen Weltgefüge. Oh Herzlieb! Ich zeigte in einem der letzten Boten, wie zwischen rechtem Lieben und Glauben innige Verbindung besteht. Wo das Leben noch zwischen Liebe und Leid sich bewegt, dort kann auch der Glaube nie ganz verlöschen.

Und dieser Glauben, diese reichste Beziehung ward uns geschenkt in unserem Christenglauben. Die Liebe und Gnade Gottes hält diese Welt. Im Bitten und Danken kommt das am deutlichsten zum Ausdruck. „Gott ist die Liebe. Und wer in der Liebe bleibet, der bleibet in Gott. und Gott in ihm.“ Herzelein! Wieviel Menschen finden noch hin zu diesem Glauben? Zur reinen, großen erhabenen Wahrheit diese Glaubens? Daß Gott sich erbarme der Torheit und Blindheit der Menschen! Daß er die Menschenherzen wieder aufschließen möchte diesem Glauben! Es ist kein schwächlicher, unmännlicher Glaube, wie Christus auch kein Schwächling und Feigling und Leisetreter war. Dieser Glaube ist auch kein Wahn, kein Zuckerbrot, kein bequemer Himmel – oh nein! [Er] hat seinen Platz mitten in unserem Leben. Er weicht ihm nicht aus, sondern packt es bei seinen Höhen und Tiefen, bei den Geheimnissen seines Anfanges und Endes. Dieser Glaube stellt aAufgaben, ist unerbittlich. Er richtet in uns aus Verantwortung und Gewissen. Er bewährt sich tausendfältig, wo alles andere versagt. Dieser Glaube ist aller Weisheit Anfang und Ende, ist der Schlüssel zu den Geheimnissen dieser Welt.

Oh Herzlieb! In diesem Glauben ist auch die Größe und Weite der ganzen Welt. Was ist größeres und mächtigeres unter uns Menschen als die Liebe? Sie ist auch die Kraft, die diese Welt trägt und erhält. Ganz unrecht tun die diesem Glauben, die ihn, wie die Bibelforscher, dienstbar machen engstirnigen, kleinen Spekulationen. Es bedarf gar keiner künstlichen oder gelehrten Auslegung, es bedarf nur eines offenen Herzens und offener Sinne.

Oh Herzlieb! Es ist eine große Sprachverwirrung in dieser Welt, ein Streit aller gegen alle, ein Chaos. Ein Jahrmarkt ist die Welt mit Menschengewühl und Ausschreiern – ach mehr, ein Narrenhaus, ein Irrenhaus. Ein Welt ohne Ordnung. Wird sie je wieder zu einer Ordnung finden? Wird es gelingen, die Menschen wieder an Ordnungen zu binden, daß sie ihnen lieb und heilsam erscheinen? Und wird man den Christenglauben als die mächtigste der ordnenden Kräfte wieder an seinen gebührenden Platz stellen? Wir wollen nicht nachlassen, darum zu beten und zu hoffen.

Oh Herzlieb! Seit ich Dich liebgewann, ist auch der Glaube in mir recht lebendig geworden. Und ich denke da der Worte eines älteren Lehrers, der eine zeitlang unsre Junglehrerarbeitsgemeinschaften leitete. Wir wohnten einer seiner Religionsstunden bei. In einer schriftlichen Arbeit, die uns im Anschluß daran aufgegeben ward, verrat ich die These: es könne auch Glauben geben ohne einen gewißen Gott. Ich besitze diese Arbeit noch, und wir können sie mit einmal nachlesen. Bei der Besprechung dieser Arbeiten ergab sich eine längere Aussprache. Der leitende Lehrer war ein feiner Mensch und sagte unter anderem auch, auf meine Arbeit hinweisend: „Wenn sie einmal verheiratet sind, wird ihnen manches anders erscheinen.“ Ich verstand diese Rede damals nicht, aber ich habe sie nicht vergessen. Und heute, Geliebte, scheint mir der Sinn dieser Worte aufzugehen. Heute, da ich verheiratet bin – mit Dir! Mit Dir! Du!!! Du!!!!! Herzensschätzelein! Geliebtes Weib!  Nun habe ich erfahren, was große, heiße Liebe ist! Du!!! Oh Herzelein! Ein großes, reiches Glück trage ich im Herzen! Und mein Herz will jubeln und danken, will sagen auch und beten – zu wem? zu wem zuerst, zuhöchst, zuinnerst? – Zu Gott, Herzelein! Zu Gott! Wie wollten wir es sonst fassen, unser Glück? Wem sonst es anbefehlen? Oh Geliebte! Nun verstehe ich die Worte. Die Liebe, die gute Liebe, kann uns Gott näher bringen.

Herzlieb! Meine [Hilde]! Du!!! Nun will ich mich froh schlafen legen. Froh und dankbar. Daß ich den Tag wie immer mit Dir beschließen durfte. Geliebte! Du bist mein liebster Kamerad hier in der Fremde, in der Ferne. Du bist mir immer ganz nah zu Seite. Bei Dir, mit Dir bin ich doch am allerliebsten! Ich kann den Tag nicht schöner beschließen als mit dem Deingedanken. Oh Herzlieb! Mein Herz schlägt so glücklich und Deiner Liebe gewiß! Du liebst mich! Du liebst mich! Ich weiß es so froh und gewiß. Und daß Du mir treu bleibt. Daß Du mein bist aus Herzensdrange, aus Schicksals Rufung. Und es schlägt getrost, mein Herz, weil ich mit Dir unser Glück Gott anbefehle. Gott wollen wir Leib und Leben weihen. Er schenke uns dazu seine Gnade! Er behüte Dich mir. und die lieben Eltern!

Herzensschätzelein! Morgen wird Dein lieber Bote kommen! [D]as ist meine ganze Freude auf den morgenden Tag. Kleine Freude? Oh Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!! Größte Freude! Geliebte! Du! Mein Leben! Behalte mich lieb und wert! Oh, dann bin ich das glücklichste Mannerli auf der Welt. Herzlieb! Meine ganze Liebe, mein Wesen neigt sich zu dem Deinen! Und ich fühle Deine Liebe, dein Wesen sich zu mir neigen! Weib! Du!!! Mein Weib! Geliebte! Ein Ganzes kann ich nur noch mit Dir sein! Ich liebe, liebe Dich!!!! !!!!! !!!

Gut Nacht! Schätzelein! Ich küße Dich! Ich denke Dein ganz lieb! Ganz nahe bist Du mir! Ganz nahe darf ich Dir sein! Herz drängt zu Herz!  Wir haben einander sooo lieb! Und immer soll es so bleiben! Ich bin und bleibe

Ewig Dein [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946