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[OBF-411202-002-01]
Briefkorpus

Dienstag, am 2. Dezember 1941.

Herzensschätzelein! Mein lieber, guter [Roland]! Geliebter!

Gleich zu Anfang habe ich eine seltene Frage an Dich! Hast Du etwa meinen Kork vom Tintenfäßchen gefunden in einem Deiner Päckchen? Ach, wie dumm! Du kannst sie ja noch garnicht empfangen haben!! Aber, Herzelein! Gib nur mal Obacht, gelt? Denn seit ich die Weihnachtspäckchen packte, ist mein Kork verschwunden! Sollst nicht denken, das sei eine Beigabe!! Du! Ich habe gar keine Ruhe mehr, seit ich auf den Gedanken nun kam, ich könnte ihn bei Dir mit verpackt haben! [S]ollst also nicht denken, daß ich Dich irgendwie frozzeln will. So! Nun geht's weiter.

Ach Du!! Ich bin doch heute ganz aufgeregt vor Freude! Ich habe unser Weihnachtsgeschenk heute geholt, Herzelein!! Etwas ganz, ganz, ganz Herrliches! Unsre Daunendecken! Ein Gedicht, Du! Ganz zarter fraisfarbener Damast ist die Oberseite. Du!! Ich bin begeistert! Ich bin entzückt!!

Ach, wenn ich sie Dir nur könnte gleich mal zeigen, Herzelein. Wie wirst Du Dich freuen! Die sind so fein, daß ich doch garnicht darunter schlafen mag! Du!! Und wenn [s]chon, dann aber ganz ganz ganz artig!! Oh Du!! Unser schönes, helles Schlafzimmer und der Farbton dieser Daunendecken dazu! Herrlich! Ich glaube, es gefällt uns dann am besten im Schlafzimmer, Du!!

Und eine Qualität noch! Herr B. hat extra die Daunen von sich geliefert. Er freute sich selbst nun mit mir, daß seine Bemühungen bei Erfolg blieben und daß er mir so große Freude machen konnte nun. Das Beste ist verarbeitet worden dazu. Und so lange wir nun B.s kennen, sind sie stets ganz reell zur Kundschaft gewesen. Freilich, Preise gibt es jetzt auch! – doch diese, meine Qualität meinte er, sei auch bei Friedenszeiten nicht geringer im Preise gewesen – eine Decke kostet 137,40 RM!

Sie sind aber auch wirklich ganz fabelhaft! Du!! Ich bin ganz närrisch vor Freude! Wie will ich mein herzliebes Mannerli fein zudecken dann, wenn wir die Decken erst benützen können! Ach Du! Nun käme ich doch am liebsten gleich richtig zu Dir mit meiner großen Freude! Ich müßte Dich erst mal ganz tüchtig drücken, Herzlieb! Ach Du! Ich freue mich zu sehr, wenn ich ein kostbares Stück zum andern legen kann, für unser Heim bestimmt. Für unser Heim, Geliebter!!! Oh Du!! Ich möchte es Dir ja soooo schön alles bereiten, sooo bequem und traut und heimlich! Ach Du! Am liebsten würde ich Dich immer in die Daunendecke wickeln, damit Du stets fein warm und weich steckst! Du mein allerliebstes Herzensmannerli! Nun habe ich zum Feste einen so reichen Gabentisch!

Ach Du! Ich hätte Dich zu gerne dabei! Geliebter!! Komme mir ganz schnell heim nach dem neuen J[a]hr! Ich kann's doch schon heute kaum noch erwarten!!!! Du!!! Sag? Freust Du Dich auch so sehr? Herzelein?!

Heute kamen auch zwei liebe Briefe an von Dir. Ich muß Dir ganz lieb danken dafür, mein Herzelein! Du hast mich soo beglückt! Die Post war in der letzten Zeit nun so gut gegangen; daß es doch wieder mal aussetzte! Du hast keine Boten von mir erhalten, wie ich nun sehe. Ach Du! Das kommt bald wieder in Ordnung! Ich muß doch manchmal auch ganz geduldig sein, Du! Sorgen machen brauchen wir uns deshalb nicht gleich.

Aber Herzelein! Eines macht mir Sorge, von dem Du mir schreibst in Deinem lieben Mittwochbriefe! Sie wollen Dich zum Unteroffizier machen?

Ach Du! Ich gönne Dirs von Herzen, daß man Deine Leistungen auch zu schätzen weiß, sie lohnen will – aber ach, ich denke auch gleich an die andere Seite. Du! Wäre es möglich, daß Du dann auf's Schiff mußt? Herzlieb! Das wäre das Grausamste für mich, daß mir überhaupt geschehen könnte! Du!!! Ich sorge mich sooo sehr! Sag, [Roland]? Weißt Du darüber Bescheid? Wäre das möglich? Ach Du!!! Es ist ganz unsoldatisch, was ich hier sage, ich weiß – aber ich kann nicht anders: lieber bescheiden im Hintergrunde geblieben. Herzelein! Verstehe mich nur recht!! Du!!! ach, ich freue mich ganz sehr, daß Du steigst in Deiner Laufbahn! Und ich bin auch stolz auf Dich! Und ich gönnte Dir diesen und jenen Vorzug, den Du dann hast von ganzem Herzen! Gewiß, Herzelein!

Aber ich habe Angst um Dich! So Angst! Du!! Du mußt Kurse mitmachen, Du wirst wegkommen von Saloniki. Wer weiß wohin. Ach, ob Du denn auch wirklich magst, wozu man Dich bestimmt hier? Du!!! Wo ist denn dieser Schnapsmensch geblieben aus Hameln? Hieß er H.? Du sagtest mir einmal, daß er zum Kursus nach der Ostsee sei. Und nun? Ist er wieder bei Euch?

Ach Herzlieb! Ich mache mir nun soviel Gedanken, seit ich las, „mich wollen sie zum Unteroffizier machen.“ Herzlieb! Du!! Ich will es Dir ganz gewiß nicht schwer machen! Du wirst mir alles einmal ganz lieb auseinandersetzen, ja? Wenn Du Dich befragt hast, was eigentlich alles dazu gehört, um Unteroffizier zu werden. Du wirst denken, na, so sein umständliches dummes Mädel, was sie nun gleich denkt. Ach Du! Ich kann mir nicht helfen Herzlieb! Hilf Du mir, meine Sorge zerstreuen!

Ich bin mir gewiß: wir müssen alle unsern Weg gehen. Und Gott führt uns auch durch die dunkelste Nacht. Aber jetzt, da es mir so neu, so unvermutet kommt, Herzelein, da will mir doch ein wenig zag zumute werden. Gib mir Deine liebe Hand! Halte mich ganz fest! Ach Du!! Gehe nicht noch weiter fort von mir! Ich habe so Angst um Dich, Geliebter!! Du!!! Du mußt mir bleiben! Ach – Du darfst Dich nicht mutwillig in Gefahr begeben, Herzelein!

Ich will ganz stille werden bei dem Gedanken, daß auch Du ganz beseelt bist von der Liebe zu mir, daß Du so stets eingedenk bist dessen, was Du tust. Du wirst immer an mich denken, was Du auch beginnst, so wie ich immer an Dich denken muß, Geliebter! Und unser Herrgott wird Deiner Wege segnen, das glaube ich. Du!! Geliebtes Leben! Mein Herzelein! Mein!!!

Herzensschätzelein! Es ist Mittwochmorgen, da ich weiterschreibe. Es kam Besuch noch gestern. Oma und Tante Friedel. sie waren in Chemnitz gewesen auf dem Schnapshandel! Und bei uns kehrten sie mal ein, um den Omnibus zu erwarten. Na, dann war es 700 [Uhr], anschließend machten wir Abendbrot und dann kam meine Zeit heran, da ich zum D.R.K. Kursus mußte. Wir haben nun unser Lehrbuch bekommen, sagte ich's Dir schon? Nun ist alles noch besser verständlich, was man uns in den beiden Abendstunden lehrt. Ich nahm mir vor, nach dem Kursus Deinen Brief noch zu beenden. Es war ½ 11 [Uhr], als ich zuhause ankam. Im Stübel war's schon kühl, und ich kroch doch schnell ins Bettlein, Du. Heute früh um sieben bin ich aufgestanden. Habe schon mit Mutsch einen Eimer voll Rotkraut geschnitten zum Einkochen. Nun habe ich mich aber erst zu meinem Herzlieb gesetzt! Du!!!

Wie war's doch gleich? Nach dem Frühstück erst ein Kussel? Nun gut!! Ich habe längst gefrühstückt! Nun will ich auc[h] ein Kussel haben, Du! Ach!! Du bist soo weit! Da muß ich Dir's selbst geben, Herzelein! Und ich tu's auch! Ganz lieb!!! Um 9 Uhr ist es jetzt. Finsternis herrscht noch draußen, ich versuchte die Verdunklung hochzuwickeln, es geht noch nicht. Und denke nur! Es schneit in dicken Flocken! Es weht nur so vom Himmel herab. Gestern schon war ein dicker Rauhfrost gefallen. Als wäre der Zuckerbäcker durch die Welt gegangen, so fein, so zuckrig und lecker sahen Baum und Strauch und alle Dinge da draußen aus. Es war eine Lust, hinauszuschauen! Mittags, als die [Son]ne durchbrach, da meinte man in einer Märchenwelt zu gehen. Zur Girokasse lief ich, mußte an den Kirchhofanlagen vorüber, ach Du! Es war eine Freude, das Bild zu sehen! Den Winter, wie er daheim zu uns kommt, wirst Du nun vermissen, Herzelein! Ach, kannst froh sein auch!! Ihr habt ja kein Federbettlein, in das Ihr Euch kuscheln könnt, wenn es nun so grimmig wird! Es ist schon besser so! Binde nur den wollenen Schal um! Und ziehe den Pullover an! Sei nicht so unartig erst wie Dein Weiberl! Du!! Sonst wirst Du auch erst durch Schaden klug!

Ach Herzelein! Am allerliebsten möchte ich doch bei Dir sein nun, in dieser heimlichen, trauten Vorweihnachtszeit! Am Montagabend im Frauendienst – ach, da habe ich ein paarmal so sehr sehnsüchtig an Dich gedacht, Du!! Die Stunden, die ich in dem Kreise erleben konnte, die sind mir so wertvoll gewesen. Ach Du!! Mit der rechten Stimmung im Herzen gehe ich seitdem durch die Adventstage.

Frl. Pfarrer Ruth L. – Dresden. Du mußt sie doch kennen. Eine zierliche Person. Man sucht soviel Kraft, Glaubenskraft und –stärke garnicht in ihr. Ich erwartete mit gemischten Gefühlen, was sie uns wohl mitgeben würde. Aber, ich habe ihr Unrecht getan. Sie hat uns so reich gemacht.

Ach Herzallerliebster! Ich könnte nicht sein, wenn ich Gottes Wort nicht mehr hören sollte! Ich mußte einigemale ganze tapfer gegen meine Tränen ankämpfen, als sie so schwesterlich mit uns redete. Sie war mutig! Ich wundere mich, daß sie noch Redefreiheit hat. Ach Du! Wenn ich ihre Ansicht mit den Tatsachen unsrer Gegenwart vergleiche, es ist ein Jammer! Es könnte einem das Herz herausreißen! Zumal, wie wir Frauen der Jugend begegnen sollen! Du verstehst. Aber ein stilles, starkes Feuer der Glaubenszuversicht ging von dieser Frau aus – auf uns über. Sie ist so stark! Und das, weil sie Gott kennt – weil sie mit ihm Zwiesprache hält täglich, weil sie ihm so ergeben dient. Sie glaubt fest daran, daß eines Tages die Herzen der Menschen aufbrechen werden! Sie sagt, es sei viel Sehnsucht in den Menschenherzen, unendlich viel Sehnsucht! Zumal in dieser Zeit. Nur gingen die Menschen so viel irre, auf so vielen, verschiedenen Wegen tasteten sie zu Gott. Und daß sie zu ihm drängen, das sei gewiß. In jedem Menschen sei ein Stück eingebaut, daß zu seinem Vater, zur Ewigkeit, zu seinem Ursprung zurückverlange. Das ist die Wesensverwandtschaft, -gemeinschaft, wie wir sie zwischen Mutter und Kind wohl am deutlichsten als Vergleich wiedererkennen. Ach Herzlieb! Ich kann es Dir nicht alles wiedergeben, was sie uns mitgab an Kraft und Trost! Ich kann es nicht – man muß sie gehört haben. Die Menschen seien satt geworden, in ihren Herzen sei kein Raum mehr etwas aufzunehmen. Die Satten sind die Bemitleidenswerten. Aber die sehnsüchtigen, das sind die Reichen, die Glücklichen! Denn ihre Herzen sind geöffnet dem Guten. In ihnen ist noch Raum.

Viele schöne Weihnachtslieder sangen wir, alle, die verboten sind. Und 4 Blätter, auf denen sie alle aufgedruckt waren, durften wir mitnehmen. Einige singe ich auch mit meinen Jungen. Die Weihnachtsgeschichte las sie uns vor. Sag Herzlieb! Wenn nicht so, wie erkläre ich mir denn sonst Weihnachten? Es gibt doch keinen tieferen Sinn für dieses uralte Segensfest als den, daß Gott uns den Heiland schenkte, Christus. Wir Erwachsenen, wir wissen das wohl, doch die Kinder? Wenn nicht zuhaus, wer sagt es ihnen sonst?

Wir müssen ganz geduldig und zuversichtlich bleiben, wie alle tapferen Glaubensstreiter. Einmal kommt auch hier die Entscheidung! Ich beuge mich nicht. Und wenn ich anecke. Ich will hier nicht unterliegen! Ich bewahre Rückgrat, mag kommen was will. Ich kann nicht mit den anderen gehen! Ich kann nicht!

Ach Herzelein! Wir wissen unseren Weg, wir kennen ihn! Du!! Dem Mutigen hilft Gott! Mögen alle untreu werden, wir beide nimmermehr! Gott ist unser Licht auf unserm Wege! Unsre Gnadensonne! Ihm gehören wir, im Leben wie im Tode. Wir wollen ihm dienen immerdar. Geliebtes Herz! Und wenn alles fällt – Gott bleibt ewig! Du! Daß wir uns im Glauben so einig sind, das ist das Schönste an unserem Bund! Das ist auch der feste Grund, worauf wir unser Lebensglück bauen! O Herrgott im Himmel! Segne du unseren Bund Ddu unseren Bund[.] Möchte er mir Dich erhalten! Dich, mein Ein und Alles!

Herzensschätzelein! Ich will Dir jetzt die lieben Hände drücken. Heute Abend, nach dem Dienst komme ich wieder zu Dir! Du! Ich muß Dir doch noch Antwort geben, auf Deine lieben beiden Boten, Geliebter! Heute ist keiner gekommen. Du!! Du!! Ach, Antwort gebe ich Dir doch immer, auch wenn ich einmal keinen Brief erhalte! Antwort auf Deine unendliche Liebe! Mein Herz! Oh Geliebter! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich unendlich! Du bist meine ganze Freude! Mein Glück! Meines Lebens Inhalt und Erfüllung! O Herzelein! Behalte mich lieb! Ich kann nicht mehr sein ohne Dich! Goldherzelein! Mein [Roland]! Gott schütze Dich! Ich bleibe in Liebe

allezeit ganz Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946