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[OBF-411201-001-01]
Briefkorpus

Montag den 1. Dezember 1941

Mein liebes, teures Weib! Geliebtes Herz! Du!!! Du!!!!! Nach des heutigen Tages reichlicher Arbeit, und auch sonst, komme ich doch nun am allerliebsten zu Dir! Geliebte! Die Kameraden sind ins Kino gegangen. Dein Mannerli mag heute nicht vor der Flimmerwand sitzen. Es ist  tausendmal lieber mit seinem Herzen bei Dir! O Geliebte! Ich muß Dich so liebhaben! So liebhaben. Und in der vergangenen Nacht habe ich doch sooo viel geträumt, ich kann mir das bunte Zeug nicht alles ins Bewußtsein zurückrufen — aber mein Herzensschatz war auch dabei, und als ich ihn recht liebhaben wollte, wachte ich eben auf. Es war eine unruhige Nacht. Wer mag daran schuld gewesen sein? Wir kamen ¾ 11 Uhr erst nach Hause, hatten ein Paar Glas Wein getrunken und eigentlich so die rechte Bettschwere. Trotzdem der unruhige Schlaf. Lag es wohl am Mond? oder an meinem Schätzelein gar selber? Du! Du!!!!! !!!!! !!!

Ich ging also gestern vom Gottesdienst auf Umwegen zum Essen in den Hafen. Rauh war die Luft, der Himmel halb bedeckt. In meinen Schuhen drückt seit 2 Tagen die rechte Ferse. Große Spaziergänge mußten also fallen. So bin ich mit Kamerad K. ganz häuslich gewesen. Ich regte einen gemeinsamen Ausgang nach dem Abendessen an. Dieser Vorschlag fand allgemeine Billigung. So haben wir schön eingeheizt. Das Mannerli hat sich dann langgestreckt und hat in Kurzschrift seine Briefgedanken zu Papier gebracht und sie dann bis gegen ½ 6 Uhr niedergeschrieben. Kamerad K. leistete schreibend Gesellschaft. Dann haben wir zum Ausgehen gerüstet. Zwar noch Abendbrot gehalten, es gab feines Schinkenbrot und dem Kameraden H. ein paar Schnitten mit bereitet [sic]. Mit ihm tzusammen kehrten wir im neuen Soldatenheim ein.

Ein Gasthaus am Kai ist von den Deutschen beschlagnahmt, gründlich erneuert und als Soldatenheim wiederaufgetan worden. Es bietet etwa 300 bis 400 Soldaten Raum. Geht über 2 ½ Stockwerke. Die unteren Stockwerke dienen als Gasträume, die obere halbetage als Spielgelegenheit mit Tischtennis, Billards, Leseraum, Brettspielen. Gewohnte Helligkeit und Sauberkeit, d[a]zu die annehmbaren Kreise und eine gute Musik lassen einen gern dazu [sic] einkehren. Ganz besondere Anziehung aber übt das Angebot eines Abendimbiß’ an [sic], der von 7 Uhr an in beschränkter Portionszahl angeboten wird. Wir fanden gerade noch einen Platz. Und ließen uns zuanächst bei einem Glase Wein nieder. Wir kriegten richtig auch etwas von dem Abendgericht ab: Kartoffelsalat mit 2 Scheiben Wurst. Das hat uns trefflich gemundet und war dem Gaumen wie ein Gruß aus der Heimat; denn Kartoffelsalat sucht man hier sonst vergebens. Das erhöhte unsre Sonntagabendstimmung. Als nach 8 Uhr es leerer wurde, wir einen netten Platz fanden und die 10 Mann starke Kapelle ans Werk ging, gefiel es uns. Kamerad H. erklärte uns - nobel - als seine Gäste, was von Kamerad K. mit besonderem Beifall aufgenommen wurde (er läßt sich gern freihalten!). So saßen wir bei 1-2-3-4-5 Gläsern (!) gutem Wein bis 10 Uhr. Und wenn das Mannerli nicht gebremst und das fünfte Glas von sich tgeschoben hätte, weil es genug hatte, wären wir wohl noch eine Weile dagesessen. Wir gingen zwischendrein mal hinauf in den ,Spielhimmel’. Schachmeister aus Deutschland sind jetzt hier, halten Vorträge über das Schachspiel und spielen gegen viele Gegner gleichzeitig (Simultanspiele). Kamerad K. war da schon einige Male.

So viele Soldaten da nun kamen und gingen – man suchte unablässig nach einem bekannten Gesicht, sind doch fast alles Sachsen aber umsonst.

So beschlossen wir den ersten Advent recht froh und kameradschaftlich, haben uns, daheim angelangt, noch unter manchem Scherzen, dann gleich ins Bettlein fallen lassen. Dein Mannerli mußte zuvor noch [e]inmal die Bilder von seinem lieben Weibe hervor[s]uchen, um sich seines Glückes ganz froh und lieb noch zu vergewissen. Oh Herzlieb! Du!!! Des Glückes, das ich keinen Augenblick vergessen kann und das mir auch bei allem frohsein immer gegenwärtig war. Oh Du! Du!!! Ich kann Dich nie, nie und nimmermehr vergessen. Immer muß ich Dein denken und Dich liebhaben, und wenn ich recht froh bin doch zu allermeist. Wir haben fein langsam getrunken, waren auch nicht einmal angetrunken, nicht richtig müde, und auch heute keinerwegs verkatert. Schätzelein! Ich will immer wissen! Was ich hier tue und lasse, um Deinetwillen, um unsretwillen. Über den Durst und das Maß schmeckt es nur auch nimmer, ich mußte es hineinzwingen. Über den Durst, über aller Maß, könnte ich nur mit Dir trinken, Geliebte, könnte nur bei Dir und vor Dir mich ganz vergessen - am Bronnen unsrer Liebe – Du! Du!!!

Wo hätte ich wohl mein Schätzelein gestern finden können? So im Hemdlein und Höslein ganz gewiß, ja? Du!!! In welchem Kleidel – schon weniger gewiß. In wessen Gesellschaft? Das ist ganz ganz  ganz gewiß! Ganz tief und heimlich und traut und verborgen und seinem Mannerli ganz inwendig im Herzen, wo es am heißesten und liebsten schlägt. Herzelein! Geliebte! Diese Gewißheit ist mein ganzes Glück, mein Leben! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Oh Geliebte! Mit Dir falte ich täglich die Hände im Gebet um Gottes Gnade.

Oh du! Ist nicht schrecklich, was sich da jetzt in Rußland abspielt, mitten in der Kälte und Finsternis des Winters – und in Nordafrika – und in den immer neuen Fliegerüberfällen im Norden? Will das denn gar kein Ende nehmen? Oh Geliebte! Wie wird es Siegfried ergehen, wie wird er es tragen? Sei Gott ihm nahe und allen, die ihn anrufen in ihrer Not.

Soll diese Not des Krieges immer weiter und tiefer fressen? – Wir wollen nicht verzagen. Wollen nicht die Hoffnung sinken lassen zumal jetzt in dieser Adventszeit. Gottes Gnade und Liebe will zu den Menschen kommen, noch immer – sie wartet nur auf offene Herzen. Wir wollen die unseren weit, weit öffnen, damit Gottes Gnade auch zu uns komme. Oh Geliebte! Weil ich nur weiß, daß Du in Treue und Liebe zu mir stehst – daß Du mit mir hoffst und betest  - so will ich nimmermehr verzagen. Ganz fest w[ol]len wir einander halten und zusammenstehen. Du, Geliebte, sollst an mir denselben Halt suchen und finden, den ich an Dir habe! An Dir! Du liebes Weib! Oh Geliebte! Über alle Ferne fühle ich Deine Nähe! Deine Liebe! Die Gnade unsres Glückes, unsres Einsseins! Gott schütze Euch Lieben in der Heimat. Er sei mit Dir auf allen Wegen! Er erbarme sich unser und dieser sündigen Welt! Und führe uns recht bald zueinander!

Geliebte! Ich denke Dein – sooo fest und lieb als meinem treuesten, liebsten, unersetzlichen Weggesell – meinem lieben, liebsten, herzallerallerallerliebsten Weibe! Ich liebe, liebe Dich! Ich küsse Dich! Du! Du!! Du!!!!! !!!!! !!!

Oh Du! Bleib mir! Bleib mir!!!!

Ewig Dein [Roland]!

 

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946