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[OBF-411128-001-01]
Briefkorpus

[Saloniki] Freitag, den 28. Nov.1941

Herzensschätzelein! Geliebte! Meine liebe, liebe [Hilde]!

Freitagabend! Ein schöner Abend: Ausblick auf Sonnabend und Sonntag, die Tage des Ausschauens, der Besinnung, der Einkehr. Tage, da man einmal nicht im Joche der Alltagsarbeit gehen muß. Schön diese Abende schon bisher. Und schön, Herzelein, oh, viel schöner noch mit Dir, später, Du! Du!!! Soll denn der Freitag unser Badetag bleiben? Ist wohl der günstigste. Liegt nicht alles auf dem Sonnabend. Geliebte! Du!!!!!

Und ein wenig von dem frohen Ausblick liegt auch auf unserem Freitag. Wir sind ja so glücklich dran, daß uns[e]re Tage nicht ein graues Einerlei sind, daß wir noch unterscheiden können zwischen Wochentag und Sonntag. Die Küche strengt sich ein wenig mehr an. Ein Stündchen länger können wir früh liegen. Und die Stunden sind so knapp bemessen und aufgeteilt wie sonst. Und ich kann mir doch die Stunden des Deingedenkens besser auswählen.

Das Ereignis des heutigen Tages: Kamerad H. ist zurückgekommen. Er sitzt mir schräg gegenüber. Und ich habe ihm eben diese Stelle vorgelesen. „Schreib schöne Grüße mit!", so sagt er. Er sieht wohl aus, hat ein wenig dicke Backen, und bis auf den ‚Kater des Heimkehrers' fühlt er sich durchaus wohl. Er kam einen Tag verspätet an. War wie ich damals einen Tag in Wien aufgehalten – aber einer Zugverspätung wegen. Er hat Frau und Kind gesund verlassen. Das Töchterchen hat die Masern gehabt, nur leicht. Nun war die Freude groß. Richtige herzliche Freude.

Ach Geliebte! Wir sahen sein Heim – so schön eingerichtet, – Frau und Kind – es muß ihn derselbe Wunsch beseelen wie Dein Mannerli – eigentlich noch lebhafter – aber Dein Mannerli will Dir ganz ganz sehr gern heimkehren – und deshalb ist das Hiersein der Kameraden so tröstlich! Oh Herzlieb! Magst Dich mit mir, mit uns freuen. Wir Männer halten gut zusammen, vertragen uns fein, und passen aufeinander auf und helfen einander über die dunklen Stunden hinweg. Dein Mannerli ist nicht einsam – er kann nie mehr einsam sein, weil ich Dich habe! Ist aber auch wirklich nicht einsam, sondern in der Mitte guter Kameraden. Unser Kleeblatt ist wieder voll. Füge es das Schicksal, daß wir noch recht lange beisammenbleiben können! Die beiden, K. und H., sollen auch zum Maaten vorgeschlagen werden. Wird also uns[e]re Stube eine ganz maatige Angelegenheit.

Heute gab es wieder Exerzierdienst. Eine herrliche, frische Luft heute. Der kälteste Morgen, seit wir hier sind: Die Pfützen waren gefroren. Die Hand wird wieder griffester [sic], der ganze Körper gelenkiger. Es tut gut, einmal wieder an frischer Luft sein.

Endlich, endlich auch wieder zwei liebe Boten von Deiner Hand, geliebtes Herz. Sei viellieb bedankt. Ach Du! Du!!! Wieviel Freude ist das, die Zeichen von der Hand der Geliebten zu empfangen! Die größte Freude hier in der Ferne. Oh Schätzelein! Getreulich richtet der liebe Bote aus, was Du ihm auftrugest. Und wo Dein Herzlein zitterte vor Freude und Sehnen und Liebe, dort zittert das meine wieder – Du!!! Ich liebe, liebe Dich!!! Du! Mein Weib!!!

Schätzelein war zur Hochzeit – und ist doch dabei gewiß an die eigene erinnert worden. Schulfreundin – Sangesschwester – nach meinem Herzlieb wohl die nächste, die unter die Haube kam, der man singend das Geleite gab. Ein wenig dünner wird der Gesang gewesen sein, weil unterdessen noch weniger Sänger geworden sind. Dieses Geleit, diese Teilnahme der Mitmenschen gerade an der Verheiratung, sie ist ein Gemisch der verschiedensten Regungen, wir wissen es. Und es ist wohl eine Minderheit der Stimmen, die man wirkleich ein ernstes, teilnehmendes Urteil nennen kann, die das bilden, was man das öffentliche Gewissen nennen kann. Und dieses wirklich ernstzunehmende Urteil muß dann noch nicht unfehlbar sein. Ach Du! Was mögen sie um uns gerätselt haben – und, Schätzelein, wer wußte es denn und weiß es heute, wie glücklich wir miteinander sind? – allein Du und ich wissen das ganz genau, ja? Du!!!!! !!!!! !!!

Deshalb wollen wir nicht in den Fehler vieler verfallen und zu Gerichte sitzen, wo wir nicht zuständig sind und selber keinen Menschen für zuständig halten würden. Aber nichts natürlicher als das, daß Dich das Schicksal der Hanni W. bewegt. Fleischer und Bäcker und Kaufleute und Friseure sind sehr angehängt, darin hast Du recht. Und es gehört ein guter Erwerbssinn und ein wenig Anspruchslosigkeit dazu für eine Frau, dem Manne im Berufe zur Hand zu gehen. Und das ist nötig, solange das Geschäft noch in den Anfängen steckt. Ich kenne die Hanni W. weiter gar nicht. Wenn Du sie triffst, grüße sie bitte und wünsche ihr alles Gute für ihren Ehestand.

Herzelein! Wir wissen darum: alles Lieben ist auch Vertrauen, Glauben, Wollen, ist ein Sichaneinandergeben [sic] – ach Du! Geliebte! Geliebte! Wir wissen es, was Lieben ist! Oh Du!! Du!!! Sei froh und dankbar mit mir!

Wir können nur allen anderen Menschen wünschen, daß sie in ihrer Art ebenso glücklich werden. Und ich weiß, Du wirst all das dankbar gefühlt haben, als Du mit zur Trauung warst. Herzelein! Wirst Du immer froh und glücklich uns[e]rer Feier denken wie ich? – Du wirst, ja, Du?, ich weiß es. Oh, sie wird mir unvergeßlich sein. Ach Schätzelein! Nichts könnte ich je vergessen, was uns bewegte in der Zeit des Werdens uns[e]rer Liebe und bis zum heutigen Tage. Es ist tief, tief eingegraben in Herz und Sinn – erste, tiefste Spuren, unverwischbar, einmalig. Oh Du! All das hat mich zutiefst bewegt und angerührt. Und ich muß eben auch daran denken, ganz dankbar, in welch schönem Einklang mit unseren Eltern und Familien wir unser Fest begingen, und wie dieser Einklang mir noch schöner und reiner geworden ist!

Unser lieber Onkel hat uns getraut. Mein lieber Patenonkel Karl rechnete sich die Einladung als hohe Ehre an. Die lieben Tanten brannten darauf, an unsrer Feier teilzunehmen. Ich denke an das Wohlgefallen Deiner lieben Eltern und der lieben Großmütter. Herzensschätzelein! So viel segnende Hände um uns und liebe Augen! Ist es nicht ein großes Glück? Ist es nicht das schönste Geleit zum Hochzeitsfeste? Kommt darin nicht sein ganze Hohheit und Bedeutung und seine Einmaligkeit zum Ausdruck? Ach Du! So eingebettet in den Schoß der großen Familie, so eingereiht als Glied in die Kette, muß der Bund des Lebens nicht an Festigkeit und Halt gewinnen? Und an Wert?

Geliebte! Du!! Du weißt, daß ich Dich so reich beschenken möchte! Ganz fest habe ich Dich in mein Herz geschlossen. Eingehüllt bist Du in den Mantel meiner Liebe! So wie Du Dich geborgen fühlst in meiner Liebe, so magst Du Dich des weiteren auch geborgen fühlen im Kreise unsrer Familien. Ich fühle in mir die ganze Verpflichtung und auch den Stolz, einer guten Familie anzugehören! Herzelein! Dich fest an meiner Hand, fühle ich mich eingereiht in die Kette ihrer Glieder! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Und bin sooo überglücklich, daß ich ihr ein so gutes, ach das allerbeste, allerallerbeste Menschenkind zuführen konnte, das, selber aus guten Familien stammend, so reich begabt ist mit den schönsten Herzenstugenden! Du!!! Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!! Ach Geliebte! Segne Gott unseren Bund, unsre Familien!

Sei ganz froh und glücklich mit mir! Ich möchte noch so gern weiter mit Dir plaudern, aber die Kameraden wollen nun schlafen!

Schätzelein! Liebes, herziges, allerliebstes!! Ich küsse Dich! Ich liebe Dich! Sooooooooooooo sehr, Du!!!

Ewig Dein [Roland]!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946