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[OBF-411127-002-01]
Briefkorpus

Donnerstag, am 27. November 1941.

Herzensschätzelein! Mein [Roland]! Geliebtes Herzelein!

Du!!! Ich bin wieder zuhause von der Stadt. Ach, bin ich froh! So ein Gewimmel und Geschubse! Die Leute treten einander fast die Füße weg. Ist schon richtiger Weihnachtsbetrieb. Wir sind heute vormittag 936  losgefahren. Zuerst bin ich gleich zu meinem Arzte. Mutsch mit. Der ‚ihre‘ eröffnet seine Sprechstunde erst 1400  Du!! Ich bin heute das letzte Mal dagewesen! Er hat mir den Spiegel in Nase und Ohren eingesetzt um zu sehen, wie es so ausschaut. Alles frei, meinte er. Und dann stellte er noch Hörproben an mit mir, die ich gut bestand, bis auf ein Experiment. Es stellte sich heraus, daß das linke Ohr noch ein bissel ‚dickfellig‘ ist! Doch das behebt sich noch, wenn der Schnupfen ganz weg ist. Die Nase pinselte er nochmal aus, pfui! Ist das ein dummes Gefühl! Aber ich bekomme nun fein wieder Luft! Ich soll zusehen, daß ich keinen Rückfall bekomme. Der Arzt gefiel mir. Er machte nicht viel Worte; war bissel ruppig, aber doch Kavalier, weißt, wie so alte, knurrige Herren sind! Aber auf seine Arbeit lasse ich nichts kommen. Der faßt die Patienten richtig an. Der ganze Spaß kostete 10.- RM!! Ich werde das mal alles auf das Formular setzen und einsenden. Du!! Ich weiß ja garnicht wohin! Wie heißt der Krankenkassenmann in S.? Hat das nicht ¼ Jahr Zeit? Solang will ich aber auch nicht warten! Bitte, schreibe mir mal seine Adresse.

Ach Herzelein! Liebes! Ich bin doch so sehr froh! Du!! Ich bin nun wieder außer Gefahr! Ich bin gesund!! Du!! Geliebter mein! Ich wollte Dir doch auch gesund werden!!! Dir! Meinem Herzensschatz! Du!! Du!! Und ich halte mich aber auch ganz fein brav, daß mir nichts wieder zustößt! Herzelein! Du!! Heute früh, ehe ich fuhr, habe ich Deine Pakete fortgebracht. Und da traf ich Herrn E., er hatte 2 liebe Boten für mich! Du!! Vom verschlafenen freien Tag und vom Freitag einen! Ach, ich habe mich ganz sehr gefreut, Du! Und ich bin Dir doch garnicht böse, wenn Du mir mal einen Tag nicht schreibst! Du!!! Ich will nur wissen, ob Du gesund bist, Herzelein! Ich sorge mich nicht, wenn ich den Grund dann erfahre, warum Du nicht schriebst. Ich habe auch mal Tage, an denen es kaum an (Zeit) Langeweile mangelt, wo ich mir alles genau überlegen muß, ob ich auch mit der Zeit drauskomme [sic]. Dafür wird es am nächsten Tag ein bissel mehr. Ach D[u]!! Wir verstehen und schon! Herzelein!!! Du!!!

Kommst sooo lieb sooo zartlich [sic] und gut zu mir! Bist so lieb besorgt um mich Herzelein! Was hat Dir doch Dein Weiberl für Kummer gemacht! War so garnicht artig! Na, wenn Du heimkommst, dann darfst ihm getrost mal den ... aushauen, Du!!! Ich halte ganz stille! Aber dann mußt mir auch wieder gut sein, hörst? Sonst lasse ich Dich kein einziges Mal neben D mich in mein Bettlein, sondern ich sperre Dich zum Vater in's Kämmerle! O ja! lache nur nicht! Du!!! Ich weiß schon, welch harte Strafe das ist für mein Mannerli! Stimmt's? Du!! Bist doch mein lieber, herziger Lausbub! Ach Du!! Wenn ich Dich heute da hätte, ich könnte Dich doch gleich tod totdrücken vor lauter Liebe, Herzlieb mein! Ich habe nun heute mit Mutter im Ratskeller zu Mittag gegessen, nachdem wir unsre Wege besorgt hatten. Eintopf: Petersiliengemüse mit Kartoffelstückchen und Vanilleäpfel. Fein schmeckte es. Muß nicht immer Braten sein. Danach begleitete ich Mutsch bin zum Arzt. Und dann kaufte ich ihr Weihnachten ein [sic], wonach ich sie vorher ganz diplomatisch ausfragte. Im Dürerhaus gefiel ihr ein schönes Kissen. Ich kaufte es. Es ist schön!! Ich möcht' es gleich selber haben! Eine Handweberei in altdeutschem Stil und so schöne Farben. Dann war ich wieder bei Goldschmieden nach Feuerzeugen, für Deinen „Pelzverkäuferfreund“. Ich mußte Silber liefern, wollte ich eines haben! Und bis jetzt sind noch gar keine da.

In der „Württembergischen Metallwarenfabrik“ so heißt ein sehr gediegenes Geschäft in der Königstraße, da bekam ich noch eines aus Bakalitt?, es war das letzte. Es gefiel mir von allen anderen, die mir sonst vorgelegt wurden am besten. Ich griff zu. Einen Taler kostet es. Dir wird's schon gefallen. Ich will es mit im Stollenpäckchen schicken. Hoffentlich freut sich der Mann! Und dann erstand ich noch für die Mutter eine schöne Brosche an ihr blaues Seidenkleid. Das war schon immer ihr stiller Wunsch! Sie freut sich bestimmt. Und noch eine Schürze besorgte mir Ilse S. Ohne Punkte! Ist doch eine alte gute Seele.

Und der Vater bekommt einen feinen braunen Hut von mir zu Weihnachten, zu seiner neuen Joppe passend. Dein Vater bekommt ein Buch: „Schatzkästlein“ von Johann Peter Hebel. Deine Mutter wünschte sich Unterwäsche, wenn's möglich ist. Na, ich versuche es schon, bis es klappt! Und mein Herzlieb! Ach, das kann doch kaum etwas bekommen! Ist alles unpassend, für die Soldatenzeit, woran ich auch denke. Na – in Frieden, da wollen wir beide aber frohe Weihnacht feiern! Da schenke ich Dir die Allerschönsten [sic] Dinge, die Dir Freude machen! Du!!! Zuerst schmücken wir unser Heim, mit lauter lieben, sinnigen Dingen, ja? Richtig traulich muß es bei uns werden nachher. Denn das, was wir jetzt haben reicht vielleicht noch nicht aus zur Traulichkeit – oder doch? Ach Du! Ich weiß doch garnicht, was wir alles haben. Ist ja jedes Ding woanders! Wir müssen nun bald einmal unsre Wohnung einrichten, damit wir mal sehen, was eigentlich noch fehlt! Na! Das Mannerli zuallererst! Aber das kommt jetzt noch nicht gleich! Da muß das Frauchen schon noch bissel Geduld haben, ja? Ach! Ich will doch auch! Wenn es nur überhaupt kommt, das Mannerli, das Heim mit Wärme und Liebe zu füllen! Dann lasse ich's doch garnimmer fort! Du!! Du!!

Herzelein! Jetzt muß ich erst mal Kürbissuppe kochen für heute Abend. Es ist ½ 7 . Der Vater ist da. Ich bin 1606 gefahren, war ¾ 5 daheim. Und die Mutsch erwarten wir ¾ 8 Uhr. Es ist auch Singstunde heute. Ich möchte wieder mal gehen; denn am 1. Advent singen wir sicherlich in der Kirche.

Du! Da hatte ich doch gestern zu einem der Buben gesagt: „Ich möchte nur wissen, wo es Tannenreisig gibt, für einen Adventskranz binden [sic]“. Eben kommt der Frieder an mit einem Handwagen voll Fichtenreisig, ob ich es haben mö[ch]te. Das ist doch rührend, gelt? Von R. herein! Ich bin so froh! Nun binde ich uns auch einen feinen Kranz! Ich hab's dem Bürschlein vergolten. Und er zog strahlend ab. Und nun, Schätzelein! Für heute sag ich Dir Gute Nacht! Morgen plaudere ich wieder mit Dir, Du Liebes, Herziges! Ich danke Dir recht lieb, ganz lieb für Deine lieben Boten. Sie haben mich sooo froh gemacht! Geliebter!!! Behüte Dich Gott, mein [Roland]! Bleibe froh und gesund! Ich hab Dich so lieb! Sooo unendlich lieb! Du!! Ich bleibe allezeit ganz Deine [Hilde], Dein Herzelein,

Deine Holde, Du!!! !!!

Mein Sonnenschein! Du!!!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946