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[OBF-411126-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 26. November 1941.

Herzensschätzelein! Mein liebster, liebster [Roland]! Du!!!

Ach! Könnte ich mich jetzt an Deine Seite setzen, ganz froh und still! Könnte ich meinen Kopf an Deine Schulter lehnen, es ist so beglückend, Deine Nähe zu fühlen, die mir so viel Geborgenheit und Ruhe schenkt. Geliebter! Mit Dir möchte ich nun Feierabend halten, oh Du!!! Es war wieder ein bewegter Tag heute. Gleich am Morgen brachte ich mit Mutter die letzte Wäsche zurande. Dann bereiteten wir für heute und morgen das Mittagessen. Einen großen Topf voll Gemüse galt es zuzuputzen. Weil wir morgen zum „Onkel Doktor" nach Chemnitz fahren, alle beide. Wir wollen schon vormittags fahren, damit wir nicht allemal im Dunkeln heimkommen. Bei Mutters Arzt stehen doch die Frauen schon mittags um 1 vor der Tür! Sie will nicht unter den Letzten sein. Und mir will Dr. H. nochmal ins Ohr gucken; denn ganz klar kann ich noch nicht hören. Ich lasse auch nicht locker, bis nicht alles ganz richtig wieder in Ordnung ist.

Hattest Du nicht auch mal das Gehör verloren? Ich besinne mich, daß Du mir einmal davon erzähltest. Mußtest Du damals auch den Arzt zu Rate ziehen?

Ja. Ich will morgen eher wieder heimfahren, will nicht warten, bis Mutsch fertig ist – man muß immer zu lang sitzen. Und ehe man sich versieht, ist der Tag vorbei – nichtstuend ist er vergangen. Obwohl wir immer unser Strickzeug mitnahmen, ist mir's doch verlorene Zeit; denn ich habe gerade morgen noch viel vor.

Da hatte ich doch heute Kinderschar, mit der Mädelgruppe zusammen, um die Lieder für die Adventsfeier im Lazarett zu üben. Es klappte alles gut – nur, die Laternchen wurden nicht ganz fertig! Ich bin schon um 2 Uhr gegangen heute, dachte, ich könnte es noch schaffen mit so viel helfenden Händen. Um daß wir Frauen uns den Abend ersparen konnten, die Laternen vollends selbst fertig zu machen. Es war vergebens. Etwa noch 30 Stück hat jede Schar zusammen zu kleben. Und da kommen morgen nachmittag um 5 paar Mädels, zwei sind's, zu mir und helfen mit. Denn am kommenden Sonnabend soll die Feier schon sein. Wir gehen mit der Frauenschaft zusammen, nachmittags 4 Uhr. Ich bin ja neugierig, wie alles verläuft! Hoffentlich betragen sich meine Rangen gut! Erst heute mußte ich wieder einen beim Wickel packen! Die Frau H. mit ihrem ‚zarten Organ' kann's nicht ermachen [sic]. Ihre Worte gehen einfach unter im Tumult der Kinder. In G.s Luftschutzraum waren wir heute, der war au[s]gefüllt von uns, bis auf den letzten Platz. Über 60 Kinder waren wir. Wir!!! Bin ich denn auch noch eines? Man wird eines mit, glaubst? Ich habe paarmal tüchtig hineingedonnert in die Rasselbande, dann war für paar Minuten Ruhe. Sie mögen mich trotzdem noch gerne, auch wenn ich mal schimpfe; denn sie kommen immer wieder so treuherzig an mich heran und wenn's heimgeht, dann rennen sie mir hinterdrein wie die Schäflein. Ein Donnerwetter ist schnell vergessen, glaubst? Heute wollten etwa 6 Mädels lieber mit in meine Schar kommen und ich [h]atte Mühe, ihnen das auszureden. Auch zwei zwölfjährige, die als Helferinnen dabei sind wollen mit zu mir gehen, ich kann doch garnicht alle brauchen! Eine will ich gerne zur Entlastung nehmen. Aber die nützen auch nicht eben viel. Die Bengels horchen doch nicht auf solch Mädel. Sie nehmen mich in Beschlag und ich bin garnicht so Feuer und Flamme für das ganze Trara. Ach ja! Wenn ich mein freier Mann wäre, aber so immer wieder die und jene Vorschrift von diesen Personen! Du weißt schon! Ich habe Kinder sehr gerne und wir vertragen und verstehen uns auch sehr gut. Wenn man sich nicht so an die parteiische Sache halten müßte!

Nun, nachdem unsre Bastelarbeit beendet ist, habe ich vor, Kasperletheater zu spielen mit ihnen. Das wünschen sie sich brennend! Einer will sein Theater mitbringen. Ich muß mich mal um paar hübsche Spiele kümmern. Vielleicht will ich noch eine Kleinigkeit mit den Buben basteln für die Mutter, oder den Vater zu Weihnachten. Mal sehen, was ich in meinen Zeitungen finde. Und sie müssen ja auch Weihnachtsgeschichten erzählt bekommen. So beschäftigt man sich nun in Gedanken so oft mit den Dingen. Und es sagt sich so leicht hin: „naja, sie hat die Kinderschar, bloß 1 mal in der Woche." Es will doch alles vorbereitet sein, wenn man etwas Vernünftiges angeben will in diesen 2 Stunden.

Und so ergeht es mir jetzt auch mit dem D.R.K. Kursus. Ich lese so gerne mal alles nach in dem Lehrbuche, wovon wir am letzten Unterrichtstag jeweils sprachen. Wenn ich einmal etwas anfasse, dann muß es auch gründlich sein. Sonst habe ich keine Befriedigung. Und glaubst, das beides und noch die Singerei, will mir manchmal schon zu viel werden. Ich habe gerade so genug! Es soll mir ja keiner zu nahe kommen, von wegen: „sie tun nichts!" Jeden Tag daheim ein Programm und Dich will ich wegen dem Kram allen noch lang nicht vernachlässigen! Und es gibt schon Tage, an denen ich mir die Zeit mal „wegmausen" muß, um ein, zwei Stündchen bei Dir zu sitzen. Aber ich hoffe, es wird nun wieder ruhiger. Die Wäsche ist vorbei, vor dem Feste machen wir nur noch 1 mal groß reine! Und nun bin ich heute, als ich ½ 6 aus der Kinderschar kam, auch zum letzten Male nach L. gesaust wegen den [sic] Weihnachtspäckchen für Dich. Es ist noch garnicht so über alle Dinge hergegangen wie heuer, so scheint mir. Oder es wird halt doch von Jahr zu Jahr schlechter in allem. Vom Packpapier (Weihnachtspapier) angefangen bis herab zum Tannenreisig. Nach all den Kleinigkeiten stehen die Menschen an. Ach, und jedes will doch das Schönste und Beste haben für sein Liebstes! Ich kann mir nicht denken, daß jemand einen Weg, eine Mühe scheute, für seinen Herzallerliebsten. Du!!! Ich habe Dich doch sooooo sehr lieb! Und für Dich ginge ich bis ans Ende der Welt, gäbe es dort etwas ganz besonders Liebes zu holen! Du!!! So habe ich nun mit aller Liebe gesammelt, bis ich meine Sachen beisammen hatte, die ich Dir schenken will. Einiges fehlt noch und ich weiß heute noch nicht, ob ich es vor Weihnachten noch bekomme. Ach Herzelein! Dann schenke ich's Dir, wenn Du bei mir bist. Du weißt schon, daß alle meine Liebe sich in dem Wenigen ausdrücken möchte, das ich habe für Dich. Du!!! Das Kostbarste ist uns beiden doch: des Geliebten Herz, das Herz voll Liebe und Treue! Du!!! Du!!! Ich habe heute Abend 3 Päckchen für Dich fertig gepackt. Sie sind für Geburtstag und Weihnacht bestimmt. Hoffentlich erhältst Du sie alle 3! Und freust Dich darüber, Herzelein! Über eine Stunde brauchte ich zum Einpacken, ich wäre am liebsten gleich selbst mit hineing[e]krochen, Du!! Und nun ist es schon wieder 10 Uhr vorbei! Ich muß ins Bett, ich bin heute ganz müde. Du! Die Kinder strengen mich schon ein wenig an. Herzlieb! Der Stollen kommt noch! Aber später! Wundere Dich nicht! Ich habe wieder keine Post von Dir heute. Dein letzter Brief ist vom vorigen Dienstag, dem 18., nun muß aber bald wieder einer kommen Herzelein! Sonst werde ich ungeduldig! So. Nun will ich mich schnell waschen und ins Körbchen huschen. Meine „Gummine" [Wärmflasche] lauert schon! Bist [Du] eifersüchtig Mannerli? Na, wenn Du kommst, da rutscht sie hinten runter. Deine Mutter sagte: der alte Schlappersack!! Du!! Ich bin Dir sooooo gut! Ich liebe Dich so sehr, Herzelein! Behüte Dich Gott!

In Liebe und Treue Deine [Hilde], Dein!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946