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[OBF-411125-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 25.Nov.1941

Herzensschätzelein! Geliebtes, teures Weib! Meine Hilde!

Heute ist mein Bote keine Antwort, denn der Deine blieb heute aus – es war aber auch zu schnell die letzten Tage. Aber eine Antwort ist er doch immer, Du! Ein Echo, ein Widerglanz, ein Widerschein Herzlieb! Widerschein Deines und meines Glückes, unseres Glückes. Herzelein! Das ist doch das Wesen unseres Glückes: Daß wir beide uns fanden – daß uns[e]re Herzen so gut zusammenstimmen – daß wir einander lieben und miteinander leben! Du!!! Wir wissen, es werden glück- und leidvolle Stunden kommen, es werden Sorgen und Arbeit nicht fehlen – aber wir stehen zusammen, sie zu ertragen, wir werden einander helfen und ermuntern. Aber nicht nur, daß jeder an seine Arbeit geht wie früher, Du an Deine häusliche, ich an meine Schularbeit, nur eben unter einem Namen – nein, unser Schaffen ist nun ein gemeinsames. Wir schaffen füreinander. Und das ist doch das große Glück, das damit in unser Leben getreten ist. In das meine: gewiß, meine Arbeit weist in ihrer Richtung nicht allein auf die Familie, sie hat auch einen Sinn und hohe Bedeutung an sich – aber wieviel Sonnenschein, wieviel fruchtbare Anregungen und wieviel Schaffensfreude mehr wird auf sie fallen, wenn Du an meiner Seite bist! Du wirst an meiner Arbeit teilnehmen, wirst sie beeinflussen, ganz gewiß, wirst mit mir die Freude am Erfolg teilen, und wenn uns selbst einmal Kindlein geschenkt werden, dann soll meine Arbeit einmal ganz enge Verbindung für uns beide gewinnen. Ach Herzelein! Nun ich Deine liebenden Augen auf mir ruhen weiß und fühle, den Sonnenschein Deiner Liebe, hat doch alles, das ganze Leben, erst einen rechten Sinn bekommen.

Und unser Glück in Deinem Leben?

Ach, ich glaub, das kann ein Mannerli kaum nachempfinden: wie das Weib schafft für den Mann, die Mutter für die Kinder, wie glücklich es ist, wenn sie es für den geliebten Mann schaffen und sorgen kann. Herzelein! Es ist alles einunddasselbe [sic] große Lieben und Hingeben, denke ich. Oh Du! Schätzelein! Ich will immer Dein allerliebstes Mannerli sein! Dem Du Dich mit ganzem Glücke allezeit hingeben kannst! Du!!! Du!!!!! Das will ich mit aller Kraft und Inbrust meiner Liebe! Will mich Dein wert erweis[en]! Oh Herzelein! Unsre verschiedenen Berufe werden uns nicht trennen. Unsre Liebe wird sie durchdringen und sie werden unser Einssein nur bereichern.

Das Schönste aber, Herzelein, was wir miteinander schaffen. 5 Stunden am Tage ist Dein Mannerli doch nur für sich – und demzufolge mein Weiberl auch nur für sich! Und 19! Stunden sind wir beieinander. Die Sonn- und Feiertage und die Ferien noch gerechnet wird das Verhältnis noch günstiger! Hat mein Herzensschätzelein denn das auch recht bedacht, als es den Schulmeister in sein Herze schloß?! Immer unter strenger Aufsicht! Oh, wie müßte ein Weibel enttäuscht sein, das gern reichlich allein sein möchte!

Du? Deine Antwort? – Die meine? Herzelein! Von den 19 Stunden werde ich ohne hartes Muß nichts abgeben! Du! Du!!! Wirst es ja merken, wie schnell das Mannerli nach Hause kommt! Ach Schätzelein, Schätzelein! Ich freu mich sooo sehr auf unser gemeinsames Leben und Schaffen. Was wir denn miteinander schaffen? Ach Du! Wir müssen doch miteinander vertun, was du gekocht hast, ja? Hm!!! Hm!!!!! Ich glaub, ich glaub, bei Dir wird mir`s schmecken. Mal sehen, wem`s am besten schmeckt, ja? –

Und dann? Einander alle Liebe erzeigen – Du! Die Kussel pflücken, die da täglich reifen – müssen doch immer zwei sein dazu!!! Und die lieben Blicke einbringen – soll keiner verlorengehen, von den kostbaren!

Ach Herzlieb! Du!!!!! !!!!! !!! Und einander alle Liebe sagen. Du!!! Wir kennen die Sprache der Liebe! Oh Herzelein! Wann werden wir sie wieder einmal sprechen dürfen? Deinen Atem spüren! Und Herz an Herz! Und miteinander zu unserem Brünnlein gehen, zum Brunnen der Liebe – zu unserem Brünnlein! Geliebte!!! – Du und ich – eins!!!!! !!!!! !!! Und, Geliebte, unser Heim! Unsre Kinder! Unser Feiern zu zweit! Unser Lesen, Lernen, Musizieren, unser Reisen und Wandern! Oh Schätzelein! Der ganze Tag voll von Gelegenheiten, miteinander zu gehen und zu leben!

Oh Du! Schenke Gott unserem Wünschen Erfüllung! Lasse er uns gute Frucht bringen! Oh Geliebte! Du gehst mit mir! Bist mit mir eins im Ziel: ein reiches Leben zu führen zu Gottes Lob!

Ich bin sooo glücklich, daß ich Dich fand, liebster Weggeselle!!!

Ach Schätzelein! Du fandest mich! Du erkanntest mich! Herzlieb! Mein ganzes Sehnen war auf ein so  inniges Einssein gerichtet, wie es nun so reich erfüllt wurde. Ein großer Unterschied an Jahren ist normalerweise nicht die rechte Voraussetzung zu solchem Einssein. Wem wird der Unterschied an Jahren [d]eutlicher bewußt als gerade dem Lehrer? Kommt hinzu, daß der Umsturz und die Unruhe auf allen Gebieten des Lebens in den Jahren nach dem Kriege bis in unsere Tage ja auch von bedeutsamem Einfluß auf Unterricht und Erziehung sind, daß geradezu Klüfte, ja eine Sprachverwirrung untereinander entstanden ist. Die Eltern verstehen ihre Kinder nicht mehr und umgekehrt. Ganz deutlich unterscheiden sich die Jahrgänge der Nachkriegszeit von denen der Zeit zuvor. Eine richtige Kluft bestand zwischen der Schuldauffassung meines Jahrganges zum Beispiel auch zu dem Hellmuths. Eine richtige Revolution war über die Schule gekommen. Bei uns galten noch Autorität, ein starkes Pflichtgefühl und Streben. In Hellmuths Jahrgang – es waren dieselben Lehrer – forderten jugendlicher Übermut und Eigenwille ihre Rechte, man sprang mit den Lehrern um, man entkleidete sie der alten Autorität. Und heute nun wieder andere Auffassungen. Durch diese Unbeständigkeit, durch diesen Widerstreit der Auffassungen sind die Unterschiede in den Jahren vertieft worden. Und bei allem Bemühen um ein Verständnis empfindet man doch manchmal so deutlich die trennende Kluft zu jüngeren Menschen, bis zu einem Fremdsein!

Herzlieb! Darum habe ich mich doch auch zumeist nach Menschenkindern umgesehen, die mir im Alter nahestanden. Kommt hinzu, daß ich an mir deutlich selber erfahren habe, wie lange es dauert, bis man zu rechter Reife gelangt.

All das bedenkend scheint es mir desto wundersamer, daß wir so glücklich sind und uns sooooooooooooo lieb verste[he]n. Und der Schlüssel, das zu verstehen? Die Liebe schlägt Brücken auch über breite Klüfte. Aber es ist auch ein anderes noch: die Verwandtschaft unsrer Wesen, die stärker ist als aller Alters- und Bildungsunterschied. Und – die Verwandtschaft auch unsrer Erziehung. Deine liebe Mutsch, nun auch die meine, hat ganz klare und feste und lebendige Begriffe von Anstand, Sitte, Ehre, Zucht. Und die hat sie Dir, ihrem einzigen Kinde mitgegeben. Ich glaube, daß die Erziehung Deiner lieben Mutter von viel größerem Einfluß war als die Deiner Schule und Umwelt zusammen. Ich spreche hier nur von der lieben Mutsch, weil sie naturgemäß an Deiner Erziehung den größeren Anteil hatte. Ernst und Tiefe der Auffassung, Respekt und Achtung der Autorität und Ordnung, wo überall sie uns entgegentritt, und gläubiges Schauen, Herzelein, die sind uns beideeigen und verbinden uns ganz fest. Und gerade diese Eigenheiten fehlen den meisten Menschen Deines Alters und Jahrgangessonst. Wie gerade Deine liebe Mutter diese Begriffe sich bewahrte, mehr als alle anderen? Das liegt in ihrem Wesen, das hat seinen Grund in ihrem Erleben. Ihre Eltern lebten auf dem Lande, wo gute Sitte und Ordnung viel länger ihren Platz behaupteten. So sehe ich es, Herzelein! Ach Du! Wir steigen doch so gern zurück, wo unsre Liebe anfing, nicht, um zu enträtseln und das Geheimnis aufzudecken. Oh  Schätzelein! Nur, um desto froher und glücklicher die Burg unsrer Liebe von ihrem Grunde bis zu den Zinnen zu schauen. So, wie die stolzen Burgen aus dem Fels zu wachsen scheinen – so steht der Ursprung unsrer Liebe immer wunderbar und geheimnisvoll. Du!!! Du!!!!!! Und die Geschichte ihres Beginns bleibt unser Geheimnis – ja? Herzelein! Oh Du !!! Ich bin Dein Vertrautester – und Du meines Herzens Vertrauteste. Das schönste und tiefste Geheimnis, das zwei Menschen miteinander haben können und sie aufs innigste verbindet – ich teile es mit Dir! Mit dem liebsten Menschenkinde auf dieser Erde, mit meinem einzigen, lieben, traumschönen Weibe! Du!!!!! !!!!! !!! Und Herzelein! Dieses Vertrautseins höchstes Zeichen? – Das ist der Gang zu unserem Brennen der Liebe! Oh Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Wieviel Menschen gehen vorbei an diesem Glück! Wieviel Menschen betrügen sich um dieses Glück!

Oh Du!!! Ich fühle es : ich bin ganz eins mit Dir! Du bist ganz glücklich mit mir! Herzelein! Wir haben einander gesucht – einander gefunden – Unsre Liebe ist Gottes Fügung, Gottes Geschenk!

In dieser Hoheit wollen wir sie immer schauen und bewahren!

Oh Geliebte! Ich will es halten und hüten, unser Glück, unser Geheimnis hüten als den köstlichsten Schatz! Hüten mit aller Liebe und Treue! Dein Eigen sein, ganz nur Dir gehören! Das ist so schön – und köstlich – das macht so reich – und glücklich! Oh Schätzelein! Ich bin Dein! Ganz Dein!!!

Gott behüte Dich mir! Er segne unseren Bund!

Und nun will ich ins Bettlein gehen – ganz froh und dankbar, Du!!! Jetzt muß ich noch allein gehen – und mein Herzelein auch allein. Aber dann? Dann bin ich Dir immer ganz nahe, Herzelein! Ich bin Dir doch sooooooooooooo gern ganz nahe – weißt Du das? Und mein Schätzelein? – – – Es liebt meine Nähe, es sehnt sich nach mir! Oh Liebesseligkei! Oh süßes Sehnen und Drängen!!! Geliebte!!! Geliebte!!!!! !!!!! !!!

Aber heute –muß das Mannerli doch ganz lieb und brav sein – und mein Weiberl auch –ja? Du!!!!! Aber schauen darf ich Dich! Darf glücklich schauen meine Augensterne! Und darf Dich küssen, ganz leise – Du!!! Ach Goldherzelein! Darf Wange an Wange schmiegen! Und wenn das Mannerli ganz lieb war, bekommt es vielleicht noch etwas geschenkt? – Oh, dann will es selig hinüberschlummern, Dein Büblein! Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!! Oh Schätzelein! Du kannst mich sooooooooooooo glücklich machen! Ich möchte Dich auch so glücklich machen können! Oh komm! Komm zu mir! Mein liebes Weib! Vergiß allen Schmerz! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich!!! Hörst Du mein Herzlein es so schlagen und singen? Hörst Du es? – Oh, nun ruht es schon in meinem Arm! Mein liebes Weib!!! Ruht es bei mir! Du liebst mich! Liebst mich!!! So schlägt und singt es mir wieder – – und nun ruhen wir zusammen – Herzlieb! Du und ich – ganz eins!!!!!

Dein [Roland]

Viel liebe Grüße an die Eltern!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946