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[OBF-411124-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 24. November 1941.

Herzensschätzelein! Mein lieber, liebster [Roland]! Herzallerliebster mein!

Wieder fängt eine neue Woche an, ach glaubst, mir vergehen sie doch so schnell jetzt! Ist es, weil ich von Woche zu Woche auf meine Gesundheit hoffte? Weil ich so wartete? Ach nein, wohl nicht allein das ist es. Ich zähle doch schon heimlich die Tage, bis mein Schätzelein heimkommen wird! Ganz leise erst! Aber ich kann mir's nicht verkneifen, daß ich sie nicht zählen sollte! Und darum eilt wohl die Zeit so [d]ahin. Du! Magst meine Rechnung mal wissen, Herzlieb? Also noch 80 Tage zähle ich erst einmal; denn dann ist der 13. Februar und auf den setze ich meine Hoffnung, weißt, so im Stillen!! Ich versteife mich nicht darauf – daß ich hinterdrein nicht so enttäuscht bin! Aber, man muß doch schon immer ein wenig das Ziel setzen, gelt? Voriges Jahr kamst Du auch am 13. Februar aus Eckernförde. Und vielleicht geschieht's, daß Du diesmal wieder so kommen darfst? Im Februar rechne ich nämlich fest mit Deinem Urlaub, Herzelein! Du!!! Mußt doch noch ein bissel mich [w]ärmen helfen, ja? Und – ach, ich brauche Dich doch überhaupt ganz notwendig! Ganz sehr! Ich muß Dich doch sooooo liebhaben! Ich weiß ja garnicht, wem ich all die Liebe schenken soll, die sich soo gerne kundtun will. Ich glaube, bald ist mein ganzes Herz so voll! Daß es vielleicht überlaufen muß, wenn ich Dich nicht bei mir habe, Du!!! Oh Du!!! Ich sehne mich ganz sehr nach Dir! Herzenslieb!!! Ich möchte Dich sooo liebhaben! Sooo recht innig und von Herzen lieb! Ach Du!! Du weißt es doch schon, wie so lieb ich Dich haben kann! Du!!! Du!!! Herzelein! Geliebter! Nur Du allein weißt es! Und keiner außer Dir wird es jemals noch erfahren! Ich bin nur ganz Dein! Gehöre nur allein ganz meinem [Roland]! Du!!!

Ach Herzelein! Der 24. November ist heute, in 4 Wochen ist Heiligabend! Denkst auch daran, Geliebter! Wie eine Insel im Meere steht es da vor uns, das Weihnachtsfest, wie eine Wendemarke, und unser Lebensschifflein muß daran vorbei. Die ganze Zeitrechnung richtet sich nach dem Weihnachtsfeste. Ach ja Du!!! Herzlein! Wenn Friedenszeit wäre, so rechneten wir doch ganz froh erst einmal bis zum Feste! Zum Feste der Liebe und des Schenkens. Aber nun rechnen wir schon darüber hinaus! Du!!! Ach, wir werden doch auch so dieses Weihnachtsfest nicht an uns vorüberziehen lassen, Wir [sic] müssen ihm unsere Herzen öffnen, seiner großen Wahrheit, mehr als zuvor. Und wenn wir auch nicht beisammen sein können am Fest, innerlich sind wir es umso mehr! Umso lieber und inniger umschlingen wir einander in Gedanken, gerade zum Christfest! Weil wir unsre Liebe spüren müssen, die unendliche beglückende, um ganz froh und dankbar zu sein, dankbar der Gnade unsres Herrgottes auch zu gedenken, der uns zusammenführte. Du!! Wir sind nicht mehr einsam nun! Beide nicht!! Mag es auch äußerlich so scheinen. So unendlich reich sind wir im Herzen; denn wir haben einander, haben uns ganz! So ganz! Und soooo lieb! Du!!! Ach Du!!! Diesmal kommt es uns nicht mehr so hart an wie voriges Jahr, ich denke es – weil wir nun ganz gefaßt sind, daß wir das Fest allein begehen müssen. Wir nähren auch keine falschen Hoffnungen, wir wissen: es kann nicht sein. Und darum trösten wir uns mit dem frohen Gedanken an ein Wiedersehen, ein wenig später als Weihnachten! O ja! Das neue Jahr, das wollen wir miteinander erleben, eine Zeitlang, Du!

Und wir wollen Gott bitten, daß er uns glücklich und gesund zusammenführt! O, wollen wir ihn herzlich bitten! Herzlieb! Jetzt ist all das noch so weit, so wie ein wundersames Märchen, daß ich Dich bei mir haben soll in wenigen Monaten! Du!! Es ist wie ein schönes Märchen! Und doch wird es eines Tages wieder Wahrheit werden, selige, beglückende Wahrheit! Daß ich Dich in meinen Armen halte und Deine Nähe spüre, Deine Liebe fühle, oh Du! Geliebter! Ganz satt trinken müssen wir uns dann erst an unsrer Liebe! Du! Wunderbares Leben: wie sich alles glückhaft wiederholt! Ein köstliches Erleben – Du!!! Ach! Nur mit Dir kann ich der Liebe Märchenschein schauen, nur mit Dir der wundersamen Melodie lauschen, weil wir uns lieben, herzinnig lieben und weil unser Herzschlag selig zusammenklingt in gleichem Schlag. Oh Du!!! Du!!!!! Mein geliebter Wandergesell! Du mein Seelengeschwister! Herzelein! Daß ich Dich habe! Daß Du mein bist! O Herzenslieb!! Ermißt Du meine Seligkeit, meinen Jubel, mein Glück? Du!! Du!! Geliebter! Wie kann einem Menschen die Sonne des Glücks scheinen, und wie kann auch Eiseskälte des Weltalls ihn erstarren machen. Ich habe den Zeitungsabschnitt gefunden in Deinem Boten, habe gelesen. Und ich fühle mit Dir die Weltenweite und -tiefe, Abgrundtiefe und finstere Nacht solchen Verzichtes, solchen Schmerzes. – Schicksal. – Wie kann der ohnmächtige Mensch doch emporgetragen werden von einer Welle des Glücks – und wie kann eine ungeheure Schmerzenslast auf ihn geladen werden, die zerschmettert.

Oh Du! Ich kann all das mit Dir nachempfinden. Du!!! Wir sind zwei von den Glückskindern, die die Welle großen, echten Glückes emportrug, die glücklich zueinander fanden! Oh Geliebter! So schicksalhaft fanden wir zueinander, so bestimmt. Die Geschichte unsrer Liebe ist das Gegenstück zu der vorliegenden. Ist der Weg zum Glück! Du!!! Oh Du! In unserm Glück ist meine erste, große Liebe verschmolzen und die Deine dazu. Nicht Vergessen – glückhafte Wirklichkeit! Oh Geliebter!

Wenn ich zurückdenke – einmal war alles dunkel um mich, lang ist es her – nun ist so heller Sonnenschein des Glücks über mein Leben gebreitet, daß nicht einmal die Erinnerung einen leisen Schatten darauf werfen kann. Ich habe mein Glück gefunden! Meine große Sehnsucht ward gestillt! Meine Erfüllung bist Du! Du!!!!! Ach Du!!! Ich hätte Dich nie und nimmer vergessen im Leben! Du!!! Mein Herz war wie das dieser Fremden, Du! Es konnte nicht sterben, es mußte schmerzvoll erzittern bis – oh nicht bis an sein Ende! Bis es kam, das große, wunderbare Glück der Erfüllung! Der Erlösung! Bis Du zu mir kamst, geliebtes Leben! Für Dich wollte ich leben! Dich mußte ich lieben, lieben!

Und, ich wäre heimlich Deinen Fußspuren gefolgt, was lag mir sonst noch am Leben, als Dein Weg? Geliebter! Wie bebte mein Herz, wenn man von Dir sprach; zitternd lauschte ich, wo Du weiltest, mit keinem Blick, keiner Miene verriet ich mein Gesicht. Du! Und so erreichte Dich mein Ruf. Geliebter! Du hast mir Tag und Nacht keine Ruhe gelassen. Ich konnte nicht mehr so weiterleben, die Sehnsucht zehrte an mir, oh Geliebter! Ich weiß nicht mehr, was ich tat, ich war nur erfüllt so ganz von dem heißen V[er]langen, bei Dir zu sein, bei Dir auszuruhen, ach – an Deinem Herzen geborgen zu sein – das war meine große Sehnsucht seit ich Dich kannte, Du! Sie wäre nie in mir zur Ruhe gekommen. Geliebter! Und nun bin ich Dein – bist Du mein! Geliebter! Manchmal kann ich mein Glück kaum fassen! Oh Du!!! Du!!! Mein Sonnenschein! Möge Gott unseren Bund segnen! Möchte er mir Dich erhalten! Gesund heimführen!

Oh Du!! Das ist mein einzigster Wunsch! Wenn Du mir genommen würdest, dann will auch ich sterben. Geliebter! Ich bete ohne Unterlaß für unser Glück! Du!!! Ach Du!! Ich glaube an Gottes Güte! Ich will nicht zweifeln! Ich habe auch gar keinen Grund dazu. Er hat uns zusammengeführt, er wird uns auch zum Ziele führen, das bei ihm schon beschlossen ist, von dem wir fest glauben, daß es uns zum Besten gereicht. Geliebter! Unverzagt!! Gläubig!! Tapfer!! Und voller Liebe wollen wir sein! Es wird alles gut werden! Oh – ich liebe Dich unendlich, Herzensschatz!

Geliebter! Dein lieber Dienstagbrief kam zu mir! Oh Du!! Ich habe Dir Kummer und Sorgen bereitet! Geliebter!!! Du liebst mich sooo sehr! Oh, ganz warm wird mir um's Herz bei Deinen Worten, die mich so lieb ermahnen! Ich bin nicht böse, Du! Ich sehe die Liebe, die hinter Deinen ernsten Worten steht! Und ich kann mir denken, daß es mein Mannerli am allerliebsten einmal meinen kann, wenn es scheltet, o ja! Du!! Herzelein!! Die leidige Ferne, die alles aufschiebt, verzögert. Ach, Du wirst noch viele Male sorgenvoll mich anblicken aus Deinen Zeilen – Du!! Herzelein! Danke Gott mit mir, daß es so glücklich vorbei ist nun. Ich will mich Dir erhalten! Geliebter!! O Du!! Du weißt es! Und ich will über meine Gesundheit wachen, mehr als je!! Du!!!

Herzelein! Es ist beinahe um 10 abends, da ich Dir schreibe. Ich war heute zu der Arbeitsbesprechung der Scharleiterinnen in Chemnitz, mit Frau H. [...] sind wir abgefahren [...] zurück. Also, was soll ich Dir darüber erzählen? Ich war innerlich empört über ihre Einstellung, die die leitende „Frau[e]nsperson" da hatte. Ach Du! Ich glaube ich tauge niemals für die Frauenschaft!, was sind da für bedauernswerte Geschöpfe beisammen. Machen blindlings den verzeih! Mist nach, der von „höherer" Stelle vorgeschrieben wird. Um das Weihnachtsfest allein herrscht ein Streit! Ich finde es einfach empörend, daß man uns alle Lieder verbietet. Ach Du! Wie verstehe ich Dich nun so gut, Du mußt dasselbe in Deinem Berufe erleben. Wo soll das hinführen? Ich kann hier nicht mit dem Herzen dabei sein, das weiß ich – ich lerne es auch nicht. Weil ich auch garnicht will. Die ‚Leute' sind mir so zuwider. Aber die Umstände zwingen mich, doch auf meinem Posten auszuhalten. Du weißt! Ich tue schlecht und recht meine Pflicht. Wo ich nicht mitkann, das suche ich zu umgehen, wo ich kann. Die arme Jugend! Was entzieht man ihr an Feinheiten und Kostbarkeiten, ach, wenn ich an Weihnacht denke: wo ist hier die Innigkeit des Festes? Wo der Sinn?

Liebster! Wir können nicht gegen den Strom schwimmen. Hier ist auch nicht der Platz zu solchem Austausch. Wenn Du Urlaub hast …..!

Aber ich will mit Dir treu festhalten am Alten! Und unsre Kinder sollen spüren: die Eltern, die sind sich doch ganz einig in diesen Dingen! Du!!

Geliebter! Das Leben ist ein ewiger Kampf. Wir wollen ihn mit Gottes Hilfe bestehen! Du!

Bleibe Du mit mir zuversichtlich und froh! Ich bin ganz Dein mit meinem Fühlen und Denken – ich bin Dir verhaftet mit meinem Wesen, mit Leib und Seele! Geliebter! Oh, wie liebe ich Dich! Dich al[lei]n! Nur mit Dir kann ich so von Herzen glücklich sein! Ich bin Dein – Du bist mein!

Gott behüte Dich mir, mein Sonnenschein! Du!! Ich liebe Dich herzinniglich, mein Lieb!

Ich bleibe ewig Deine [Hilde], Deine Holde, Dein liebes Weib! Du!! Du!!!

Viel liebe Grüße auch von den Eltern!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946