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[OBF-411124-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 24. November 1941

Herzensschätzelein! Geliebte! Mein liebes, teures Weib!

Die Post arbeitet jetzt verblüffend schnell, und heute schon erreichte mich Dein lieber Bote vom 20. November. Dazu kam ein verspäteter Bote vom 10. Nov., der mit dem Konzertprogramm. Herzelein! Laß Dir danken für alle reiche Liebe, die mir so mich erwärmt und durchsonnt und frohwerden läßt. Zuerst muß ich wieder den Onkel Doktor spielen. Ich rechne: Am Sonntag war mein lieber Patient noch sehr krank, das bezeugte auch die alte treue Seele Ilse S. Am Montag suchtest Du den Arzt auf. Am Dienstag aber warst Du schon wieder im Kursus, am Mittwoch in der Kinderschar – und nun schon wieder Waschfest. Ganz wohl und munter fühlst Du Dich!  Herzelein! Wenn das nur gut geht! Als ich vor einer Woche Dich leichtsinnig schalt – da behielt ich recht. Du hast Dich nicht genug geschont. Ich kann nicht ganz billigen, wie Du jetzt wieder handelst. Du müßtest Dich radikaler schonen. Du sagst selbst, daß es nicht leichtzunehmen [sic] ist. Ich will ja hoffen, daß die Besserung anhält, daß kein Rückfall eintritt. Und ich will mich beruhigen über Deiner Versicherung, daß Du Deine Gesundheit mir noch mehr hüten willst. Herzlieb! Hinter der Sorge um das Gesundwerden haben alle Pflichten rücksichtslos zurückzutreten, sie sind dann zweiten Ranges!!! Werd mir recht bald wieder ganz gesund! Herzelein! Wenn dieser Bote Dich erreicht, dann hat Dich schon wieder das Kranksein beim Wickel! Schätzelein! Ich bin so froh, daß ich Dich zu Hause weiß in guter Hut. Was haben wohl manche Frauen hart zu tragen! Zu ihrem Kranksein Sorgen um viele Kinder. Vielleicht ist schon wieder eines auf dem Wege. Und dabei womöglich einsam und unverstanden und innerlich mit dem Manne zerstritten! Man kann doch so rundweg niemandem empfehlen, sich eine bestimmte Anzahl Kinder zu wünschen. In innigstem Einverständnis müssen Mann und Frau mit sich zurate gehen und erfühlen, wieviel Kindlein sie zu tragen vermögen, ohne ihre Kräfte zu überspannen. Und nicht die Tage des Wohlseins, an denen uns alles leicht erscheint, dürfen allein den Maßstab abgeben für dieses Ermessen. Kamerad K. erzählte kürzlich ein Beispiel aus seiner Verwandtschaft. Nach dem ersten Kindlein hatte der Arzt erklärt, daß ein zweites eine ganz große Gefahr für die Frau bedeuten müsse. Der Mann, der sich mehr Kinder in den Kopf gesetzt hatte, fügte sich nicht dem ernsten Spruche des Arztes. Es ist aber trotzdem gutgegangen.

Es ist recht lieb von Dir, daß Du Dich bei allem eigenen Unwohlsein auch um die liebe Mutsch bekümmerst. Der Vater ist mit seinem unmenschlichen Dienst doch verhindert, es zu tun, wie es nötig ist. Ist die Erfahrung, die Du, in bester Absicht handelnd,  machtest, nicht erschreckend? Daß die Ärzte so überlastet sind, daß sie ihr Pensum schematisch herunterarbeiten müssen, eben ihre Kunstgriffe anwenden und Rezepte schreiben, im übrigen aber den Kranken seelisch kein bisschen nähertreten können? So in der Sprechstunde – und so natürlich auch bei ihren Hausbesuchen. Und der Blick, den der Kranke von seinem Helfer erwartet[,] ist mindestens ebensoviel [sic] wert wie die Medizin, die er ihm verordnet. Ich bin mit Euch recht froh, daß Mutter den Operationsarzt wird zurateziehen [sic] können. Ich glaube nicht, daß der jetzige Arzt gerade etwas Wichtiges verheimlicht hat. Gibt es denn auch einen Krebs in diesen Teilen des Unterleibes? Herzlieb! Wir wollen miteinander hoffen und beten, daß alles ins rechte Geschick kommt. Recht, daß Mutter mal ausspannt. Nur – wie lange wird sie mit sich selbst Geduld haben? Und wird sie sich recht schonen und halten? Du schreibst und sagtest schon manchmal, daß sie mit den Nerven herunter ist. Ich habe es ja schon miterlebt, daß sie manches zu schwer nimmt, sich zu sehr annimmt, daß sie sich übertrieben sorgt. An seinen Wurzeln gepackt wird das Übel wohl erst recht, wenn sie die ganze Näharbeit einmal hinlegen kann. Herzlieb! Wir wollen nicht zudringlich sein und uns auch nicht gescheiter dünken als die lieben Eltern. Sie sind beide so gut in ihrer Art – und es fehlt zwischen ihnen doch an der innigen Verbindung und Gemeinsamkeit, die vielleicht beider Gesundheit und Nervenkraft förderlich wäre. Ich glaube, die liebe Mutsch entbehrt das rechte Verstandensein und die Zärtlichkeit am meisten. Du! Schätzelein! Wie wird es zwischen uns sein, wenn Du einmal in Mutters Alter bist – und Dein Mannerli ist 56 oder gar 58 Jahre alt? Ob dann die Küsse noch schmecken, und die Zärtlichkeiten noch sind zwischen uns? Wer sollte uns Antwort geben auf diese Fragen? Herzlieb! Du!!! So nahe wir einander jetzt schon sind, einander so lieb verstehen – es soll nicht weniger werden – es wird mehr werden – Du!!! Schätzelein! Die Liebe zueinander wird inniger werden! Das Verstehen immer größer und tiefer. Und unser Liebhaben? Oh Schätzelein! Ich kann mir gar nicht denken, daß es sich abnutzt, daß alle Süßigkeit schal werden soll, daß wir uns eines [T]ages einander nicht mehr so selig und selbstvergessen umschlingen sollten, daß uns eines Tages der Glaube an unsre Liebe verloren gehen könnte. Du! Du!!! Wir haben einander sooo lieb! Wir sind einander sooo gut – wie auch die liebe Mutsch es weiß. Gott im Himmel erhalte uns ein gläubiges, einfältiges Herz! Er lasse die lieben Eltern noch recht lange an unserem Geschicke und Glücke teilnehmen!

Herzelein! Nun geht es doch stramm auf Weihnachten. Die nächste 24 bedeutet doch schon den Heiligen Abend! Ich freu mich doch schon auf den Gottesdienst am kommenden Sonntag, in dem dann die ersten Weihnachtslieder erklingen. Weihnachtslieder und Weihnachtsgedanken, deren Verbannung aus dem Kinderherzen Euch Kinderschartanten in der Chemnitzer Versammlung wahrscheinlich erneut zur Pflicht gemacht wird. Erbose Dich nicht unnötig darum, Geliebte! Gott läßt die Bäume nicht in den Himmel wachsen! In unserem Heim und Herzen werden wir Weihnachten feiern, solange wir leben, wir können nicht anders. Und das Mannerli wird sie mit jedem Jahre hervorsuchen und klingen machen, die frommen Weisen. Und Du, geliebtes Weib, wirst den Adventskranz winden – und er wird uns nicht irgendwie Symbol sein, sondern eben dieses eine bestimmte. Und nun ist der Kranz schon auf dem Wege, liebes treues Weib! Ich werde nie vergessen, wie Du mir das erstemal den Advent brachtest – Herzelein! Du bist so gut, so herzensseelens gut! Du hast mich so lieb!!! „Ich schicke Dir bis Weihnachten noch mehrere Säckel, ich habe so allerlei noch vor!"  Weihnachtsmann, Weihnachtsmann! Sei nicht zu gut zu mir! Ich kann doch gar nicht so gut folgen! Und brav sein! Mein Herzlieb macht auch schon die Guckerl groß wie die Kinder um Weihnachten. Paß mir gut auf! Er muß gleich mal vorbeigehen in den nächsten Tagen, der Weihnachtsmann. Sei schön brav! Halt Dich fein gesund! Dann freut er sich! Und sei nicht zu neugierig, sonst gibt’s mal einen Nasenstüber! Ach Schätzelein! Weißt, ich freu mich ganz sehr auch auf unsre Weihnachtsfeste einmal, und wenn dann gar ein Kindlein mit in den Lichterbaum schaut – – Du!! Aber die größte Freude und das kostbarste Geschenk wird m[ir] allzeit Deine Liebe bleiben und unser inniges Verstehen! Du!!! Am Weihnachtsabend wird es immer zu neuem Glücke uns recht bewußt werden! Herzlieb! Herzelein! Ich möchte Dich doch ganz lieb beschenken, und zuerst doch mit meiner Heimkehr. Sie wäre ja auch mir das schönste Geschenk! Gott im Himmel wollen wir unseren Herzenswunsch anbefehlen. Er erhalte Dich froh und gesund! Herzlieb! Du! Mein liebes Weib! Ich küsse Dich! Ich liebe Dich aus tiefstem Herzen und bleibe ewig

Dein [Roland]! Dein Mannerli!

Einen Ausschnitt aus unsrer Frontzeitung [*] mit hübschen Anekdoten aus dem griechischen Altertum lege ich bei. Nun wird’s doch tatsächlich ein dicker Brief einmal, von Deinem Dickerle. Aber die von meinem Weiberl sind noch dicker – Dickdickerle – Du! Muss auch so sein! – Und was noch nicht ist, kann noch werden – Du!!! Schätzelein! Ich hab Dich sooooooooooooo lieb! Ich denke Dein voll Liebe und Sehnsucht! Ich bin so unendlich froh und stolz und glücklich Deines Besitzes – Du gehst mit mir! Du vertraust mit mir! Hast Dein Leben dem meinen verbunden! Oh Du!!! Du!!!!!!!!!!!!! Du liebst mich! Ich liebe Dich!!!!!!!!!!!!!

 

[* = Ausschnitt aus Frontzeitung nicht überliefert]

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946