Bitte warten...

[OBF-411120-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 20. 11. 41

Herzensschätzelein! Geliebte! Meine [Hilde]!

Ein ganz gru kurzer Gruß nur heute, Herzlieb! Gestern war doch unser freier Nachmittag. Wir waren einmal ganz faul und bequem. Auch in mir hatte sich einmal alle Müdigkeit gesammelt. Nach dem Mittag haben wir uns erst einmal von der Sonne bescheinen lassen, draußen auf dem Balkon. Dann habe ich ein paar Seiten in dem Buche gelesen, das ich jetzt bei der Hand habe — ich komme nur ganz langsam darin vorwärts — Jakob Schaffner "Kampf und Reife".  Dann lockte uns die Sonne und die frische Luft doch, ein Stück zu gehen. Wir hatten eben kein Ziel. Sausten wieder in unsre Berge, ins Kindergebirge, nicht weit. Gegen Sonnenuntergang standen wir wieder oben bei der Zitadelle. Weißkohl hatte es zu Mittag gegeben. Und so plagte uns der Hunger und noch was andres, was mit diesem nur weitläufig verwandt ist. So zogen wir aus in die Stadt nach etwas Essbarem. Ein Kalbsbraten füllte nur zu einem Teil die Lücke in der unteren Körperhälfte.

Nun fiel uns nichts Besseres ein als wieder das Kind: "Der singende Tor" mit Gigli, ein Film, der Kapital schlägt aus der Stimme des begnadeten Sängers, es aber sonst an allem fehlten läßt, Handlung, schauspielerische Leistung. Unbefriedigt verließen wir den Tempel der Halbmuse, und ich mit dem Vorsatz, jetzt mal wieder eine längere Pause im Kinobesuch eintreten zu lassen. Die letzten drei Filme – 3 Versager. Gegen ½ 9 Uhr landeten wir im Quartier. Wir abendbroteten – und dann waren wir zu nichts Rechtem mehr Nütze. Ein Paketlein für den Weihnachtsmann habe ich eben nur noch fertiggemacht. Dann habe ich meinem Verlangen nach Schlaf nachgegeben. Wie wir an diesem ganzen Tage einmal nachgegeben haben, um einmal richtig auszudösen. Ich wäre ja am liebsten zu Hause geblieben überhaupt, hätte einmal richtig geschlafen und dann an me[in] Herzlieb gedacht. Aber die Kameradschaft legt hier n[un] doch ein paar Rücksichten auf.

Herzlieb! Weißt Du noch, daß hier Dein Mannerli steht, das nur nach einem voll Sehnsucht ausschaut, das von diesem einen ganz erfüllt ist, mit dem es sich immer trägt, das es im Innersten froh und glücklich, oh so voll kindlicher, glücklicher Freude, mit sich trägt als seinen köstlichsten Besitz, als seinen liebsten Schatz, Oh Geliebte!: Unsre Liebe! Deine Liebe! Unser Glück! Unsre Heimat. Herzlieb! Nichts noch so Schönes oder Seltenes hier in der Fremde reichte je daran! Oh D[u]!!! Herzelein! Folgst mir auf Schritt und Tritt, Du, lieber Begleiter und Weggesell. Ich bin Dein Gefangener! Du! Gefangen in Deiner Liebe! Und Deine lieben Guckäugelein sind das Fenster in der dunklen Zelle, ich muß immer darnach ausschauen! Und Deine Arme sind die Fesseln - Du! die lieben, süßen! Und die Kost der armen Gefangenen? - Herzlieb! Du! Die Küsse von Deinem Mund!!! Und manchmal gibt es doch geschärften Arrest - aber davon darf nicht geschrieben werden - Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Oh Herzlieb! Laß mich Deinen Gefangenen sein! Ach Du! Ich habe Dich doch sooo soooooo lieb! Ich küsse Dich! Ich drücke Dich ganz fest an mich!

Du! Mein liebes Weib! Herzlieb mein!

Ewig Dein [Roland].

Und heut abend will ich Dir doch einen schöneren Brief schreiben.

Herzelein Du! Ich möcht Dich doch so gern einmal wieder küssen und liebhaben, Du!!!

 

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946