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[OBF-411119-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 19. November 1941.

Herzensschätzelein! Mein geliebtes, teures Herz! Du!! Liebes Mannerli!

Ich habe es heute ganz gut! Ich brauche nicht aufzuwaschen, die liebe Mutsch macht's! Aber ich will ihr dann abtrocknen helfen. Weil ich heute Kinderschar halte, darum meinte sie, soll ich nur immer meinen Brief beginnen. Das lasse ich mir auch nicht zweimal sagen, Du!!! Du!!! Ach! Heute bin ich so froh! So ganz sehr froh! Herzelein! Erstens sind endlich zwei liebe, liebe Bote von Dir angekommen. Zweitens scheint auch draußen die liebe Sonne und es hat [si]ch die Luft wieder ganz schön erwärmt. Und drittens ist mir heute richtig wieder schön, es geht mir gut. Ich bekomme viel besser Luft, der Schnupfen geht gut und ich denke, daß er bald vorbei ist nun. Es möchte auch! Ich habe sämtliche Schnupftücher aufgebraucht, die wir zur Verfügung haben!! Nur noch Kindertaschentücher sind im Kasten. Mein Husten hört sich nicht böse mehr an, er löst sich gut. Und ich nehme noch ein und trinke auch fleißig Lungenkräutertee. Hast beinahe wieder ein kerngesundes Weiberl! Du!!

Die Mutsch will heute Wäsche einweichen, weil es so schön draußen ist – braucht man nicht so zu bangen, daß man sich erkältet, wenn man über'n Hof läuft vom Waschhaus heraus. Und wir wollen auch auf keinen Fall länger warten, sonst müssen wir uns wieder so plagen. Jetzt haben wir eben soviel schmutzige Wäsche, daß wir sie an einem Tag bequem bewältigen können zu zweien. Und vor Weinachten waschen wir noch einmal. Ich leid' es nicht, daß wieder so schrecklich viel zusammenkommt. Mußt Dich nicht ängsten, Herzelein!! Wenn ich mit waschen helfe! Ich bin ganz darauf bedacht auf meine Gesundheit! Und mein lieber „Gendarm Mutsch“ paßt schon richtig auf mich auf!!

Der Papa hat Nachtdienst, da kann er uns auch die gröbste Arbeit abnehmen. Feuerung holen, Wannen tragen u.s.f. Heute wäre nun Bußtag. Man hat ihn vorverlegt auf den Sonntag.

Und heute haben wir auch ein kleines Jubiläum! Hörst? Ich schreibe Dir den 50. Brief, seit Du bei mir warst.

Wie doch die Wochen eilen! Und bald wird Weihnacht sein! Und dann dürfen wir unsre Hoffnung auf ein Wiedersehen schon wieder ein wenig höher spannen! Ach! Du!! Wir werden schon durchhalten, bis uns das große Glück des Beisammenseins für immer beschieden ist! Ich bin doch so voller Zuversicht! Herzlieb! Nur an manchen Tagen will alles trübe scheinen – aber die Mehrzahl d[er] Tage hat ein froh Gesicht! Du!! Weil ich Dich soooooooo lieb habe! Und weil ich um Deine große, unendliche Liebe weiß!

Oh Du! Unsre Liebe trägt uns! Sie trägt uns! Sie ist der unerschöpfliche Brunnen, daraus wir unsre Kraft holen zum leben, zum frohen, zuversichtlichen leben! Und noch eines wissen wir über uns, die Liebe und die Gnade Gottes. Du!! Dürfen wir nicht ganz ruhig und tapfer dem Schicksal begegnen? Was kann uns geschehen? Und wenn tausende von Kilometern zwischen uns liegen, wir lassen uns nicht, wir verlieren uns nicht! Wir [h]alten uns sooo fest! Weil die Liebe uns verbindet, unlösbar. Und keine Zeit kann unsre Liebe je auslöschen – niemals! Wir werden ausharren, getreulich und stark! Die Liebe ist so mächtig ins uns! Nichts kann uns von unserem leuchtenden Ziele abbringen. Oh Geliebter!! Wie glücklich und wie stark macht solches Wissen! Wie froh! Du!!! Und wenn einmal eine Stunde kommt, da wir schwach werden wollen und zweifeln, dann laß uns an die Millionen denken, die das gleiche Los mit uns tragen! Und die vielleicht nicht so innig miteinander verbunden sind, und so nicht leichter an dem tragen, was dieser Krieg uns aufbürdet.

Geliebter! Nun hatte ich doch erst einmal unterbrechen müssen heute Nachmittag. Frau L. brauchte mich und lud mich ein zu einer Besprechung der Frauen, die Kinderscharleiterin sind. Sie findet am kommenden Montag in Chemnitz statt, nachmittags 3 Uhr, ich glaube im Kappler-Bräu, so sagte sie. Das letzte Mal waren sie im Cafe Kunze. Ich werde einmal mitfahren, wenn nichts dazwischen kommt.

Nun ist es Abend geworden über allen Geschäften und mein Bote kommt heute nicht mehr auf den Weg. Die Kinder waren ziemlich artig heute, es macht Freude mit ihnen zu basteln. Als ich um 5 nach Hause kam, habe ich mit Mutsch die Wäsche eingeweicht; sie hatte schon warmes Wasser zur Hand. Der Vater hat alles herzugetragen. Ich fürchte mich nicht; denn es ist kaum die Hälfte der Menge Wäsche, die wir zum letzten Male bewältigten. Und wir nehmen uns Zeit.

Und nun muß ich doch einmal Deine lieben Boten zur Hand nehmen, um zu lesen, was mein Herzlieb mir alles sagen will! Du!! Weißt? Ich muß sie gleich viele Male lesen, damit ich nichts vergesse – sie sind doch wieder so dick! Wie mein Dickerle selbst! Du!! Zuerst sehe ich da Deine Sorge um mich! Ach Herzelein! Die wird mir noch aus mehreren Boten entgegensehen; denn was Du mir heute sagst, das liegt eine Woche zurück und ich kann Dich doch garnicht gleich beruhigen und Dir sagen, wie gut, wie um vieles wohler es mir geht,! Du mußt auch wieder eine Woche warten, ehe Dich diese Botschaft erreicht. Das ist manchmal recht traurig. Du!! Aber wir wissen der Sorge schon recht zu begegnen: Sorge, doch sorge nicht zu viel! Herzelein! Wir wissen es genau voneinander, daß wir uns nichts verheimlichen, wie auch nichts übertreiben, was uns auch angehen mag! Und Du wirst aus meinen Nachrichten ersehen haben, daß es mir nicht zu schlimm erging! Geliebter! Ich weiß, aus Liebe sorgt man sich so sehr! Man sorgt sich, wenngleich es weniger sorgenvoll aussieht. Und ich verrede auch garnicht, daß meine Erkältung leicht zu zu [sic] nehmen war. Die Art Krankheiten ziehen leicht auch irgend etwas nach sich, das sich doch ernster auswirken kann. Und daran habe ich immer denken müssen, wenn ich vorm Briefbogen saß und dir berichtete von zuhaus. Ich konnte Dir nicht das Geringste verschweigen – wußte ich doch nicht, wie es ausging – und Du wärest ja so sehr erschrocken, wenn nun eines Tages Dir Mutter geschrieben hätte, daß ich sehr krank sei und nicht selber schreiben kann. So warst du aber vorbereitet, und auch im Ernstfalle wäre Dein Schreck und die Sorge nicht unvorbereitet über Dich gefallen. Gott sei Lob und Dank, daß ich wieder wohl bin. Und ich will das kostbare Gut, die Gesundheit, von nun an nur noch mehr hüten! Herzlieb! Mag Dir das zur Beruhigung gereichen! Du!! Ich will Dir ja gesund b[lei]ben, noch viele, viele Jahre! Ach!! Du!!! Ich muß Dir ganz bleiben! Ach Du!! Die selige, frohe Gewißheit Deiner Liebe hat mich so durchsonnt und durchwärmt in den schlimmen Tagen! Du!!! Du hast mir so lieb zur Seite gestanden, helfend – wenngleich Du mir so ferne sein mußt. Oh Geliebter! Seit ich Dich habe, seit Du mich so liebhast, da ist doch alles, alles Leid viel leichter zu ertragen! Oh Du!! Was wäre ich ohne Dich? Geliebter! Was wäre mir die Welt ohne Dich? Herzelein!! Nimmermehr kann ich von Dir gehen. Ich liebe Dich mit der ganzen Kraft meines Herzens!

Du bist mein Sonnenschein, mein Leben – mein Ein, mein Alles! All mein Sehnen fand Erfüllung bei Dir – Du bist meine Heimat, meine Ruhe, meine Geborgenheit! Dich darf ich lieben, lieben – ach Du!! So lieben, wie ich es mir schon so lange, schon immer gewünscht habe! Geliebter!!! An Dir finde ich allen Halt, den ich brauche für mein Leben. Dir kann ich mich so ganz aufschließen und anvertrauen. Du bist mein liebstes Seelengeschwister! Ich weiß froh, daß Du mich ganz verstehst, daß mein liebendes Auge rein sich in Deinem spiegeln kann, daß meinem Herze das Deine liebend schlägt! Oh Herzensschatz! So soll es immer bleiben zwischen uns! Du!!!

Ach Geliebter! Wer solch hohes, reines, ungetrübtes Glück sein Eigen nennen darf, dessen Seele kann doch niemals und nirgends Schaden nehmen von außen her, sei es durch Krankheit, durch Not, oder durch ein böses Erleben. Wer so reich ist innerlich, der kann nicht unterliegen!

Geliebter! Mein geliebter [Roland]! Wir haben einander sooo lieb! Ich fühle es! O ich fühle es!!! Wir können einander ganz, ganz anvertrauen – können einander garnicht mißverstehen. Beglückt und so froh lese ich: „wie könnte ich tiefer alle Liebe, alles Einssein fühlen, als wenn Du Dich an mich lehnst, mir bis ins Letzte vertrauend! …. Und kein andrer Eifer der so mich beflügelte, als Dir der beste Halt zu sein!“

Geliebter!! Das danke ich Dir! Du!!! Ach Du!!!!! !!!!! !!!

[Un]d ich weiß es froh, so froh: wenn Du einmal nicht weiterkönntest, sei es in körperlicher oder seelischer Not, Du siehst zuerst mich, die Du mit dieser Sorge am liebsten betrautest. Und ich wollte Dich ganz lieb – oh, viellieb umsorgen und einhüllen in meine Liebe, ebenso wie Du es mit mir tust, Geliebter mein! Du!! Nichts als Liebe, als Liebe allein soll uns beseelen allezeit! Du!! Und wir wissen, es wird uns gelingen – die hohe Liebe wird bei uns bleiben! Wir werden beide darnach trachten, darum ringen und nimmermehr davon ablassen. Es wird uns gelingen mit der Glut unsrer Liebe im Herzen und unsre Augen auf Gott gerichtet. Du!!! Geliebter! Wenn wir es einen Tag unterließen, einander recht zu lieben, ich glaube, wir könnten es beide nicht! Wir täten uns selber bitter weh damit! Du!! Oh Du!! Mein geliebter, allerliebster [Roland]! Unsre Wesen sind im Grunde so innig verbunden, daß es nie zu ernsten Mißverständnissen kommen wird. Unsre Einfalt der Herzen, hier in weiblicher, da in männlicher Art, die neigten sich einander zu, unwiderstehlich. Und ich fühle, wie schon oft, seit wir zusammengehören, so auch aus dem Beispiel aus dem Leben, das Du mir heute erzählst, daß mein einfältiges Herz in dem Deinen bei aller Reife ein Geschwister hat. Du!!! Bist so lieb! So offen und herzlich zu mir! Vertraust mir so ganz! Oh wie mich das mit Glück erfüllt! Auch Du hast Dir ein einfältiges, gläubiges Herze bewahrt. Geliebter! Und darum können wir so ganz von Herzen glücklich sein miteinander!!

Oh Du! Ich würde es fühlen, wenn Du anders wärest. Du beobachtest mich nicht, Du lauerst mir nicht auf – Du begegnest mir offen und herzlich, aus jeder Reserve und Zurückhaltung heraustretend. Du weinst mit mir – Du jubelst mit mir, Du kannst Dich so ganz an mich verlieren, Dich mir gefangen geben! Oh Du! Dir ergeht es doch genau so wie mir! Wir sind so glücklich dabei! Wir gehören zusammen für dieses Leben, Geliebter!! Das soll uns immer bewegen! Gott hat uns zusammengefügt, wir danken ihm darum aus tiefstem, dankerfülltem [sic] Herzen.

Oh Geliebter! Ich fühle mit Dir! Alle Hoheit und Leidenschaft des Empfindens will sich verdichten in Dank zu Gott und i[m] Beschenken, im Sichverschenken, im Einssein von Leib und Seele! Geliebter! Unsrer Liebe bester Drang ist der Wille zu gemeinsamem Leben und Schaffen, zu ganzem Werk.

Ach Geliebter! Ich bin so glücklich mit Dir! Weißt Du es? Sag? Fühlst Du es? Oh! Du!!! Sooo glücklich bin ich mit Dir! Laß Gott uns bitten [sic], er möge uns gnädig sein und unsre Herzen bewahren vor allem Übel. Er schütze Dich und führe Dich bald gesund heim zu mir! Du!!!

Herzlein! Im Donnerstagsbrief schreibst Du mir voller Freude von dem reichen Gedenken aus der Heimat! Ich freue mich mit Dir, daß unsre Briefe Freude bringen und Frohsein! Wir halten Dich ganz fest! Du!! Du!! Lassen Dich nimmer los! Nein!!! Mußt bald ganz heimkehren! Und auch vom Leben und Treiben in S.[aloniki] läßt mich wissen, so recht nett ausführlich. (Zeitungsabschnitt!) Das freute mich aber! Und interessierte mich ungemein! Herzelein! Rechne Dich nicht unter die, die meinen, dem Glück nachzujagen! Unser Glück hängt nicht am Materiellen! Wir sind auch nicht unglücklich, wenn nun die Kaufmöglichkeit vorbei ist da – es muß ja auch in der Heimat einmal besser werden später. Du! Hast doch mein Herze vor Freude hüpfen gemacht, als Du mir vom Weihnachtsmann erzählst. Ein Muff? Psst, leise, leise! Oh Du! Ein ganz liebes, langes Kussel muß ich Dir voraus schon geben! Du! Ich will's fix vergessen, was Du da ausgeplaudert hast! Ach! Du!!! Ich will heute schlafen gehn! Ganz froh und selig denke ich Dein!!! Du!!! Morgen um 8 gehts los das Waschfest; denn da ist es hell draußen, eher fangen wir nicht an! Sei tausendmal lieb und innig gegrüßt und geküßt

von Deiner treuen [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946