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[OBF-411118-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 18. Nov. 1941

Herzelein! Geliebte! Mein liebes, teures Weib!

Dein lieber Bote vom Dienstag ist zu mir gekommen heute! Er bringt mir gute Nachricht! Gottlob! Es geht Dir besser. Und ich erfahre, daß Du mir auch am Montag geschrieben hast – der Bote ist nur noch nicht angekommen hier.Schätzelein! Warst auch schon wieder an der frischen Luft. [sic] Ich bin sooo froh, Du!!!!! Und wenn ich bei Dir wäre, Du müßtest Dich nur noch besser schonen, Geliebte! Pfeif Kursus und pfeif Kinderschar! Was fragen sie denn nach Dir, wenn Du nicht kannst? So solltest auch Du nach ihnen nichts fragen, eh Du nicht wieder ganz fest bist!!! Nichts versäumst Du in dem Kursus und Advent wird es auch ohne Laternen. „ Ich will es mir doch immer mehr, immer öfter vor Augen halten,  daß all unser eigentliches Glück und unsere rechte Seligkeit nur von dem wunderbaren Zusammenspiel unsrer Herzen und Seelen abhängt – allein vom Glück uns[e]rer Liebe, die uns so ganz erfüllt und beseelt!“ Herzlieb! Oh Du! Mein Schätzelein! So glücklich Du mich machst mit Deinem Schenken, so reich Du mich schon beglückt hast damit in der Zeit unsrer werdenden Liebe – nun, oh Schätzelein, Du weißt es, es gibt keine größere Freude, kein kostbareres Geschenk als Deine Liebe! als [sic] daß Du mir bleibst! als [sic] Dich froh und gesund daheim zu wissen, auf die Heimkehr des Mannerli treulich wartend! Oh Geliebte! Du weißt es! Und ich weiß, daß ich Dich nicht mehr beglücken kann als mit der Botschaft, daß ich gesund bin, daß ich Dich liebe und Dir lebe über alle Ferne!!! Alle anderen Sorgen sind null und nichtig vor dieser in der Kriegszeit. Schätzelein! Du sollst es lernen ganz großzügig zu sehen. Und sollst es lernen auch, ein wenig eigennütziger noch zu werden. Über zwei Wochen hast Du Dich mit der Erkältung geschleppt und geplagt, am Sonntag habt Ihr erst zum Radikalmittel gegriffen – und schon am zweiten Tage willst Du Dir keine Schonung mehr gönnen – Herzlieb! In meinen Augen ist das leichtsinnig! Sei mir nicht bös darum! Aber ich muß es Dir vorhalten! Weil ich Dich sooo sehr liebhabe! Ich bin so froh, daß es Dir wieder besser geht – endlich! Schätzelein! Liebes! Laß Dein Mannerli sich mitsorgen! Und bedenke ein wenig, was ich Dir rate! Wer aus der Ferne sieht, sieht wohl manches richtiger und manches verzerrt! Herzelein! Ich bitte Dich! Nicht kurzsichtig sein!!! Du!!!!!!!!!!!!! Ich habe mich so gesorgt um Dich! Gesunden geht allem andren vor – jetzt zumal! Wer gesundet, kann gar nichts versäumen – außer eben diesem Gesunden! – Ach Schätzelein! Mein Raten kommt doch wieder zu spät – das ist die lähmende Hand der Ferne – und ich will hoffen, Du brauchst meinen Rat gar nicht mehr, und mein Sorgen erweist sich als übertrieben. Aber Herzelein! Du mußt es mir versprechen, daß Du Dir dieses übertriebene Sorgen gerade um die eigene Gesundheit ein wenig zu eigen machen willst!!! Herzlieb! Der Gedanke an Dich, daß ich Dich allezeit gegenwärtig weiß, und an unsre Zukunft sollen auch mich von allem kleinen Leichtsinn zurückhalten, jeden Augenblick.

Mit dem Deinen erreichte mich heute noch ein Brief von Mutter und ein Geburtstagsgruß aus S. in S. – in den letzten Tagen erhielt ich auch zweimal Post von Siegfried – einen verspäteten Brief vom September und einen vom 20. Oktober. Er gleicht im Inhalt, dem, den Du mir letzthin mitschicktest. Mutter schreibt, daß die Tante Marie sich schon gut eingelebt hat. Auch sie hat ihr Päckchen erhalten. Mann kann der Post also doch ganz gut einiges anvertrauen. Die Karte aus S. kommt frisch vom Geburtstagskaffee, der Vater, Hellmuth und Elfriede glücklich vereinte.

Heute schrieb auch Kamerad H. Er wird am 27. Nov. wieder zurückkehren. Er hat über 4 Wochen im Lazarett gelegen. So nähern wir uns nun dem Weihnachtsfest mit Riesenschritten. Es steht da vor uns wie eine Insel im Meere – wie eine Wendemarke und unser Lebensschifflein muß daran vorbei – die ganze Zeitrechnung jetzt richtet sich nach dem Feste – und wenn Friedenszeit wäre, so rechneten wir doch ganz froh erst einmal bis zum Feste, zum Feste der Liebe und des Schenkens. Aber nun rechnen wir schon darüber hinaus. Und dürfen doch auch dieses Weihnachtsfest mit seiner Frohbotschaft nicht an uns vorüberziehen lassen. Wir müssen ihm unsre Herzen öffnen mehr als zuvor, öffnen seiner großen Wahrheit. Und morgen ist nun Bußtag. Der Tag, zu dem man doch recht erst ein Verhältnis gewinnt als Erwachsener. Ich weiß, daß wir als Kinder mit Staunen zu unseren Eltern aufgesehen haben, wenn sie in schwarzen Kleidern, Vater im Zylinder, an diesem Tage zur Kirche gingen. Morgen will ich den Abendmahlsgottesdienst besuchen. Ich besuchte ihn zum erstenmal wieder seit meiner Konfirmation wieder mit Dir! Und möchte ihn nun jedes Jahr einmal wenigstens mit Dir besuchen. Geliebte! Ich hatte kein Verhältnis und nicht das nötige Verständnis dafür all die Jahre daher [sic]. Aber es ist doch ein Zeichen der Zugehörigkeit zur lebendigen Gemeinde – ist ein Bekenntnis, das viele scheuen, die doch sonst noch zur Kirche stehen. Scheuen warum? Weil es mehr als ein anderes Zeichen die gläubige Ergebenheit in die Gnade und den Willen Gottes fordert, weil es als solches Zeichen ein wenig Überwindung den stolzen, selbstbewußten Menschen kostet. Ach Herzlieb! Du!! Der gemeinsame Gang zum Gotteshaus und künftighin auch zum heiligen Abendmahl soll uns ganz froh werden lassen und gewiß unsres innigsten Einverständnisses, uns[e]rer Zusammengehörigkeit, der Hoheit unsres Bundes. Gott stiftete ihn – er wird ihn segnen allzeit, wenn wir nur in seiner Liebe bleiben. Und in diesem innigsten Einverständnis sollen uns einmal auch unsre Kinder sehen. Wenn sie es auch noch nicht verstehen – wenn sie es niemals verstehen lernten – so könnte ihnen doch der Eindruck ihr Lebenlang nicht verloren gehen: Vater und Mutter waren ganz eins.

Herzlieb! Ganz still ist es im Hause nun. Kamerad K. schläft schon. Er war schon wieder im Kino heute. Ein Wind ist aufgestanden und heult ums Haus. Es war heute ganz klar bei einer kühlen Luft. In unserem Stübchen ist es schön warm. Und wir können die Wärme auch zur Nacht nicht hinaussperren – sonst würden wir gegen morgen frieren. Decken sind eben keine Federbetten.

Herzliebes Schätzelein! Nun will auch ich mich niederlegen heute. Ich bin müde. Habe heute schon an Siegfried geschrieben, es war wieder mal höchste Zeit. Aber mehr und öfter kann ich auch nicht – ich schreib ja schon immerzu den ganzen Tag. Augenblicklich ist mal wieder bissel Luft im Dienst und ich kann mal ein Stündchen für Privatzwecke abzweigen. Herzelieb! Sollst nicht traurig sein ob  meiner Strafpredigt im Briefanfang! Ich meine es sooooooooooooo herzensgut mit Dir! Ich muß Dir meine Gedanken dazu sagen! Ich könnte sie nicht verheimlichen. Und ich weiß es – ich habe auch ein wenig recht. Herzelein! 14 Tage habe ich nun mit Dir auf die Besserung gewartet – und nun geht es Dir schon wieder nicht schnell genug.

Ach Du! Es kann auch einmal sein, daß ich mein Herzelein am allerallerliebsten habe, wenn ich schelte, ja? – Im Briefe klingt das doch gleich ein wenig grob. Wenn wir zusammenwären [sic], könnte ich mit meinem Rat doch gleich im rechten Augenblick zur Stelle sein – und der Ermahnungen gäbe es doch dann so viel Arten und Stufen: vom Fingerdrohen, vom lieben Zureden bis zum Bitten. Ach Herzlieb! Ganz ganz schnell werden wir uns einig sein – ich weiß es – wird gar nicht dieser Worte brauchen – und die Deinen werden mir nicht weniger gelten als Dir die meinen.

Meine [Hilde]! Mein Herzensschatz! Behüt Dich Gott! Bleibe froh und werde recht bald wieder ganz gesund! Du bist doch mein Ein und Alles! Mein Sonnenschein! Mein Leben! Du mußt mir bleiben! Oh Herzlieb!!! Ich liebe Dich! Ich bin Dir sooooooooooooo gut von Herzen!

Ich bin Dein, ganz Dein! Ewig Dein [Roland]!

Und bin sooo glücklich an Deiner Seite, Du!!!!!!!!!!!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946