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[OBF-411115-002-02]
Briefkorpus

Sonnabend, am Abend.

Mein Herzelein!

Ich bin ganz allein zuhaus! Du!! Ganz allein im ganzen Haus! Du darfst ganz schnell zu mir kommen! Oh Du!! Ich weiß es doch, daß Du kämest, Geliebter! Wenn Du mir nicht so ferne sein müßtest! Oh Du!! Ich wollte Dir schon ein Zeichen zukommen lassen, ein geheimes Brieflein vielleicht – wenn Du noch bei D.s wohntest! Oder müßte ich's halt vorher mir Dir ausmachen, daß wenn bei uns niemand daheim ist, ein Steinchen in Dein Fenster fällt! Braucht garnicht sehr laut zu ballern!! Und dann kämest Du gleich herunter und ich wartete doch schon unten, sehnsüchtig! Ob Du meinen geheimen Ruf vernommen! Du!!! Es wäre ja so schön, wenn Du noch im Orte wohntest, denkst Du nicht auch? Ganz geheimnisvoll ginge alles zwischen uns! Vielleicht könnten wir uns im Dunkeln treffen! Weil es doch die Leute noch nicht zu wissen brauchten, daß wir einander lieb haben. Nur die Eltern müßten es wissen; denn sonst hätte ich keine ruhige Minute, wenn ich Dich mit in unsrer Wohnung hätte. Dann würde mir alle Seligkeit vergällt, weil es unrecht ist, die Eltern so zu hintergehen. Aber – wenn sie nun um meine Liebe wüßten, dann ließen sie mich sicher nicht allein zuhaus?! Meinst Du? Ach Du!! Sie würden es anfangs nicht, aber dann müßten sie uns doch vertrauen, gelt? Wo sie sehen, wie ganz sehr lieb wir uns haben!!! Soo lieb, daß wir nimmer voneinander lassen! Du!!!

Weil's aber nicht kann sein ..... so habe ich meinen Herzensschatz im Bilde vor mir stehen! Sooo lieb! Sooo herzig lieb und gut und schön wie er in Wirklichkeit sich mir beut, mich bezaubert und entzückt! Mein Herzallerliebster! Ach, ich habe doch das allerliebste und allerbeste Mannerli auf Gottes weiter Erde erwählt! Und es mag mir auch gehören, so ganz, so ausschließlich! Mag mir den höchsten Platz in seinem Herzen schenken, weil – weil es mich sooooo lieb hat! Du!!!!! Du!! Ich bin sooooooooooooo überglücklich, daß [ic]h doch überhaupt nicht spüre, daß ich krank bin! Und wer vermag mich so selig zu machen, wer vermag alle Schmerzen zu lindern alle Schatten zu vertreiben? Mein Herzlieb! Mein Sonnenschein! Mein [Roland]! Mit seiner Liebe, mit seiner guten, reinen, tiefen! Oh Du!!! Geliebter! Wie kommt es nur, daß ich gerade heute so unermeßlich glücklich bin?

Du mußt es auch sein, denn alles Glück strahlt mir von Dir zurück – bei aller Ferne, o ja!!! Das haben wir beide schon gespürt! Geliebter!!! Ach, es schwingt in meinem Innern noch das Erleben von heute Nacht nach – wo ich mich so unsagbar schmerzlich nach Dir sehnen mußte! Geliebter! In dieser Nacht ward es mir wieder so ganz eindringlich bewußt, was Du mir alles bedeutest! Was Du mir bist! O Geliebter! Meine Hände beben noch jetzt, wenn ich daran denke, wie alles in mir nach Dir verlangte, so inbrünstig – wie ich förmlich wortlos schrie nach Dir, nach Dir! Aus Liebe, Du!!! Du!!!!!

Du!! Ich liebe Dich unsäglich! Du mußt mir bleiben! Geliebter!!! Oh Geliebter!!! Du mußt mir bleiben! Ich kann nicht leben ohne Dich! Ich muß Deine Liebe auf mir ruhen fühlen! Du!!! Ich muß ihre unendliche Geborgenheit, ihre Wärme fühlen! Sonst erstirbt mein Herz, erfriert in der Einsamkeit! O Herzelein! Du mußt mich nimmermehr verlassen!! Ich brauche Dich wie meinen Herzschlag! Geliebter!!! Was ist das Leben ohne Dich? Die Zukunft? Oh Herzensschatz! Mein Sonnenschein!!! Du!!! Gib mir Deine liebe Hand! Halte mich ganz fest! Laß uns vor unseren Herrgott treten, ihn bitten, daß er uns gnädig und barmherzig bleibe!! Laß uns aus tiefstem Herzen bitten für unser Glück! Geliebter! Wir wissen es schon heute, daß unser ganzes Leben ein Gottesdienst, ein Dank an ihn sein wird. Und es ist uns ganz ernst und heilig um dieses Gelübde – so reiche Gnade wurde uns schon zuteil, Geliebter, daß unsere Jahre hier auf Erden nicht ausreichen, Gott unseren Dank recht zu bringen. Er wird unser Wollen, unser heißes Wollen für das Vollbringen nehmen. Du!! Ich glaube an seine Güte!

Er wird uns helfen, ein Leben Seit an Seite zu erfüllen; oh er wird uns helfen! Ich glaube fest daran! Ich glaube fest daran! Geliebter!! Halte fest mit mir an diesem Glauben! Durch alle Zeit! Durch alle Finsternis und Not!! Wir werden uns hindurchringen! Und der Lohn wird ein gar köstlicher sein! Geliebter! Unser Leben!!! Vom Allmächtigen aus Liebe geschenkt!

Ach mein [Roland]! Ich bin heute sooo froh!! Sooo ganz sehr glücklich! Und etwas treibt mich, all mein Frohsein, mein Glücklichsein aufzuschreiben. Was es nur sein mag? Ich glühe wie im Fieber. Ich kann nicht ruhen! Es ist gerade so, als ob ich keine Zeit verlieren dürfte – Du!! Als hätte ich Dir den Geburtstagsbrief zu schreiben, oder den Weihnachtsbrief! Oder habe ich etwas vor? Ich selbst? Etwas Großes? Muß ich fort von hier – soll ich für lange nicht mehr die Feder ergreifen? Oh nein! Ich bin doch garnicht so krank! Oh nein! Ich muß Dir gesund bleiben!!!!! Und ich will auch nicht sterben – nein! Ich will Dir leben! Dir leben!!! Dir Geliebter!! Ach, ich habe doch keine Schmerzen – nur der Kopf ist so ein bissel schwer und dumpf. Aber ich weiß alles, was ich tue, Geliebter! Und ich überanstrenge mich auch nicht mit dem Schreiben. Als nach dem Abendbrot die Eltern fortgingen, da habe ich ein wenig zu ruhen versucht, doc[h] nicht lange, da trieb es mich wieder auf. Ich mußte die Feder wieder fassen – für Dich!!! Du!! Heute muß ich so oft an die Zeit in Barkelsby denken! Du!! Vor einem Jahr um diese Zeit, da war es bald so weit, daß ich reisen durfte! Reisen, zu Dir!! Zu Dir!! Ach Du!!! Wie glücklich waren wir in dem ärmlichen Stübchen! Aber heute, wenn ich zurückdenke, da schauert mich doch beim Gedanken an die Umwelt, die wir dort hatten ein wenig. Wir empfanden schon damals, daß diese Leute keine ganz sauberen Leben führten in Hinsicht Verkehr mit Menschen [sic]. Aber unsere Wiedersehensfreude ließen wir uns dadurch nicht stören – es war nun einmal geschehen, daß ich da landete, wenn Dir das jemand vorher gesagt hätte! Du würdest nicht geruht haben, bis Du ein anderes Quartier gefunden hättest, ich weiß! Ist Dir nicht auch so? Herzlieb? Wenn ich mich heute zurückträume an unser Glücklichsein, da liegt über allem ein grauer Schleier, was in dem Hause geschah, was ich da mit Dir erlebte – es ist so beklemmend, wenn ich daran denke. Ich kam mir manchmal vor, wie ein Dieb, wenn ich Dich einließ zu mir. Weil nebenan auch verbotene Dinge geschahen. Ich war recht beklommen manchmal. Aber wenn ich Dich dann ansah, Dein Glück leuchten sah in Deinen lieben Augensternen, da schämte ich mich, daß ich Dir alle große Wiedersehensfreude vergällen könnte, wenn ein Wort von alldem über meine Lippen käme. Ich wollte doch die wenigen Tage so lieb wie möglich in Deinem Gedächtnis zurücklassen. Geliebter!! Am wohlsten war mir unter Gottes freiem Himmel, da atmete ich richtig frei! Du!! Wenn Du abends, nachts von mir gingst – ich wäre Dir doch am liebsten gefolgt! Oh, ich habe mich manchmal so gefürchtet, Herzlieb! Vor den Leuten! Vor den Mäusen – ach vor den alten Soldaten; es schlich so oft um[’]s Haus herum. Ich habe niemanden [sic] etwas davon gesagt. Aus Angst. Und ich weiß, Du hättest mich keinen Tag länger da gelassen. Das wollte ich umgehen. Um alles! Du! So gerne wie ich noch bei Dir geblieben wäre, so von Herzen gerne – ich war doch froh, daß ich von da weg konnte. Es wurde mir langsam unerträglich!

Wie viel Licht und Sonne liegen im Gegensatz hierzu auf den Bildern von L.! Von S.! K.! O.!

Oh Du!! Da fühlten wir uns daheim und vertraut und geborgen! Oh, das sind Bilder, die in unsrer Seele nie verblassen werden! Geliebter Du!!!!! !!!!!!!! Und an jenem Ort, wo du heute weilst wird mich kein Zug bringen! Oh nein! Ich glaube, es würde mir nicht gefallen, ich wurde [sic] Heimweh bekommen, wenn ich dort wäre und Du hättest nur nach Dienstschluß Zeit für mich. Ganz sicher. Dann müßtest Du nur für mich dasein, solange ich dort weilte – so ertrüge ich die Fremde – ohne Dich kaum. Das weiß ich. Ach Geliebter! Ich will Dich garnicht besuchen da in der Fremde!

Du sollst heimkehren! Und recht bald!!! Du!! In Deinem lieben Boten erzählst vom Urlaub! In einer himmelblauen Mappe sind die Urlauber eingetragen! „Himmelblaue Träume“ O ja!! Sind es. Und Kamerad K. zählt bald bald wieder zu den Glücklichen? Weihnacht in der Heimat! Der Glückliche. Ich sage es ohne Neid! Er hat zwei Kinder daheim!

Herzelein! Ich habe nur einen Wunsch! Nur einen! Daß bis dahin Kamerad H. wieder bei Dir ist! Tieftraurig wäre ich, wüßte ich Dich zu Weihnachten allein! Dann könnte ich nicht fröhlich sein. Du!!! Ach, wenn doch bald ein Ende gemacht würde!

Voriges Jahr fragten wir uns: Ob wir nächstes Jahr zusammen Weihnacht feiern dürfen? So vermessen war ich garnicht zu fragen: Ob wir's im eigenen Heime feiern dürfen? Wir müssen harte Proben der Geduld bestehen! Und nun, nachdem sich der Amerikaner entschieden hat, kann die Zeit des Wartens und Geduldens für uns nur noch länger dauern. Aber alles ist zu ertragen, wenn nur unser Glaube siegt! Unsre Hoffnung bleibt! Daß unsre Liebe uns bleibt, das wissen wir, Du!!! Und daß sie uns über vieles trägt, das spürten wir schon! Wir wollen nicht müde werden, Gottes Segen zu erflehen, dann ist alles gut, alles erträglich. Aber von der großen Politik will ich mit keinem Worte reden! Du!! Das überlassen wir denen, die Lust dazu haben. Gelt? Herzelein! Liebes!!

Jetzt ist es nun ½ 11 Uhr abends. Die Eltern sind noch nicht heim. Ich mag nicht zu Bette gehn. Sonderbar Du! Heute fürchte ich mich. Ich bin doch sonst nicht so, aber ich fürchte mich vor dem Alleinsein, oh ich fürchte mich wirklich. Ich will warten bis die, horch – Du! Ach Du!! Da geht die Vorsaaltüre! Sie kommen! Ich bin doch so froh, Herzlieb! Ich fürchte mich vor der Nacht. Aber Du wirst bei mir sein, Geliebter, mein Geliebter! Wie seltsam, daß die Eltern eben kommen, wo ich daran denke! Mutsch zankt, daß ich so lange sitze und schreibe. Ich muß gleich ins Bett! O die strenge Mutsch!! Und die „kleine“ [Hilde] muß folgen! Du!! Herzlein! Geliebter mein! Gute Nacht denn, Geliebter! Gute Nacht!

Ich hab Dich ganz sehr lieb! Ganz sehr lieb! Oh Schätzelein! Bist Du mir gut? Oh ja! Ja!!! Ich weiß es doch, Du!!!!!

Ich küsse dich! Oh ich liebe, liebe Dich!

Gott sei mit Dir! Mit unsrer Liebe!

Allezeit ganz Deine [Hilde].

 

Geliebtes Herzlein! Mein [Roland]! Nun ist Sonntagnachmittag, wir sind erst spät vom Tische aufgestanden. Und wurden auch spät erst fertig mit Aufräumen. Nun ist es gleich 14 Uhr, Kaffeezeit! Der Vater wollte da geweckt sein. Der Arme muß schon heute zum Sonntag seinen Nachtdienst antreten. Das Wetter ist schön heute! Sonnenschein, blauer, reiner Himmel; doch sehr kalt! Ich sehnte mich so hinaus, aber die Mutsch bleibt fest, sie läßt mich nicht!! Wie mir's geht? Noch immer nicht anders – nicht besser, nicht schlechter. Mutsch fährt morgen Mittag zum Doktor nach Chemnitz, am liebsten nähme sie [m]ich mit zu einem Nasen- und Ohrenspezialisten; es wird ihr Angst, weil es schon so lange anhält bei mir. Darüber wird noch manches Für und Wider fallen bis morgen! Aber ich bin nicht abgeneigt. Ich fürchte, daß Stirnhöhlenkatarrh daraus entstehen kann, das ist eine böse Sache. Hier bei uns sind keine Ärzte auf diesem Gebiet.

Na Du! Herzlieb!! Ich rede bloß immer von meiner Krankheit, hast du das nicht bald satt? – Du!!! Ich denke an Dich! Wo wirst Du jetzt sein? Auf einem Gang nach dem lieben Kapellenberg? Oh, Du wirst schon die liebe Sonne aush[al]ten. Heute kam kein Bote an. Nur von Vater aus K. Er schreibt nichts von Tante Marie, nur vom Besuch bei Hellmuth. Die Stollen sind schon fertig daheim! Und der Deine geht bald ab! Fein!! Dann kann ich unseren ohne Gewissensbisse später abschicken. Wir haben nämlich noch nicht alles beisammen. Heute kriege ich noch Besuch. Ilse S. Und dann will ich mich heute noch ein wenig meiner lieben Mutsch widmen, die mich immer so fein umsorgt. Gestern habe ich schon den ganzen Tag verschrieben, da muß sie nämlich fein stille sein!! Wenn ich mit Dir rede! Du!! Schätzelein!!! Ich muß Dich sooo von Herzen lieben! Du!!! Ich denke ganz fest und lieb an Dich! Geliebtes Herz! Mein [Roland]!! Viel liebe Grüße von den lieben Eltern für Dich!

Von mir aber 1000 innige Grüße und Küsse! Gott behüte Dich mir!

Ganz Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946