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[OBF-411114-002-01]
Briefkorpus

Freitag, am 14. November 1941.

Herzensschätzelein! Mein geliebtes, teures Herz! Geliebter!!!

Grimmig kalt ist es heute draußen, die Fenster sind bis obenhin gefroren, huh! Es gruselt einem, wenn man nur hinsieht. Ich sitze im Warmen, die Füße, die ewig kalten, auf einem heißen Ziegelstein! Ein Kännchen heißen Hustentee in der Ofenröhre, da kann ich extra von innen noch einheizen.

Ich habe gestern nochmal gedämpft und bin dann nach 2 Stunden schlafen gegangen. Heute früh um 4 Uhr war ich schon wach, ich hatte von Dir geträumt, weiß aber nicht mehr, was es war. Ich war so aufgeregt, daß ich auch nicht mehr einschlafen konnte. Um 8, als es hell genug war, bin ich aufgestanden. Ich habe noch immer Luftbeschwerden durch die Nase. Heute morgen habe ich nun so trainiert mit Atemübungen. Wenn ich die kalte Luft ewig durch den Mund einatme, dann kann mein Husten ja nicht besser werden. Der sitzt noch tief; doch er löst sich. Und ich beobachte mich gut, daß alles herausgeschafft wird. Es ist eine Not – nun habe ich's aber bald satt, wenn keine Besserung eintritt. Hören kann ich schlecht, riechen garnicht und schmecken überhaupt nicht. Ich soll bei F.'s ein Lichtbad nehmen, meinen die Eltern. Ob ich gehe? Ich schäme mich so, man muß doch ganz nackt in den Kasten. Lieber lasse ich mich nochmal von Mutsch einpacken heute. Daß es mich auch so packen mußte. Zu dumm. Ich schleppe mich nur so hin. Ich merke, daß ich richtig kaputt bin. Der Hals ist ganz frei! Mutsch bestätigt es mir täglich, er schmerzt auch nicht. Nur die Zunge ist belegt.

Ich will heute noch einmal schwitzen – ach Du Wenn Du nur da wärest, Du könntest mir dabei eine schöne Geschichte vorlesen – wie schön das wäre!! Herzelein! Von Dir lasse ich mich später ohne Kampf einmal einpacken und schwitzen, ja!! Du!!

Dir will ich ganz stille halten, Herzlieb! Du!!!

Weißt?! Ich mag nicht in so eine öffentliche Badeanstalt gehen. Die Frau F. kann mich doch ganz splitternackt sehen – nein! Du! Ich muß doch jetzt richtig lachen, Herzlieb! Weil ich eben Deine Worte höre, als sprächest Du sie zu mir: „Da drüben, siehst Du die Fenster? Da badet der F. und seine Frau'n!“ Du!! Weißt Du noch, als wir mal zusammen da vorbeigingen, sagtest Du das zu mir und ich mußte hellauf lachen! Du Schelm! Zum alten F. ließest Du Dein Weiberl bestimmt nicht gehen?! Ja? Du!!! Ach, wenn bloß ein Stückel von mir rausgucken würde dabei, so im Badeanzug, da ginge ich schließlich auch lichtbaden. Aber ohne jede Bekleidung – das bring' ich doch nicht fertig.

Herzelein! Mein liebes, gutes! Heute ist schon wieder ein lieber Brief gekommen, vom Montag. Und Du sorgst Dich so lieb um mich! Ach Du!!! Daß ich Dir nun auch noch Sorgen machen muß, das tut mir so leid, Herzelein! Aber schau, ich konnte es Dir auch nicht verschweigen. Du hättest Dich doch gewundert, wie miserabel nich schreibe, – weil immer die Nase tropft und der Kopf so brummt – hättest Dich gewundert, daß ich mal viel weniger schreibe als sonst! Ach – ich kann Dir nichts verbergen, Du! Du!!! Herzallerliebster mein! Und nun wollten wir anfänglich heute Wäsche einweichen! Die Mutsch hat ihre Leutchen drüben belogen, weil sie sonst nicht wegkann! Hat gesagt, sie müsse heute nachmittag wieder zum Arzt, derweile wollte sie einweichen. Aber ich habe sie abgehalten davon. Ich mag auf keinen Fall mich mit ins Waschhaus stellen in b meinem Zustand, wenn ich Rückfall bekomme, dann ist’s schlimm. Und allein lasse ich sie auch nicht runter. So sitzt sie nun bei mir auf dem Sofa und trennt an ihrer Wolljacke, der kleine Schwänzer! Ich habe sie so weit, daß sie ihren Chef bittet, nur ½ Tage zu arbeiten, mal eine Weile. Sie ist mir doch nicht so ganz auf der Höhe. Sie bekommt so oft Hitzewellen, da ist sie ganz feucht überall und nachher friert sie. Das sind auch Zeichen des Rückganges bei Frauen, aber ich stellte ihr vor, wie wichtig das sei, dem Arzt zu sagen! Sie sieht es auch ein. Und will auch einmal ausspannen. Es hat ja keinen Zweck, wenn sie sich zwingt, hat sie ja nicht nötig. Nun sitzen die zwei tatenfrohen Waschweiberl beisammen und faulenzen! Auch gut!! Ich werde bald am längsten ungeschoren hier sitzen! Du!! Die Mutsch bekümmert sich ums Badewasser – dann soll's losgehen! Pfu[i] Deibel! Mir graut! Ich tu's bloß Dir zuliebe, Du!! Weil ich Dir ganz schnell gesund werden möchte, mein gutes Mannerli. Ganz, ganz schnell! Ach Du! Bitte sei mir nicht böse, wenn ich heute nicht näher auf Deine lieben Boten all eingehe – ich habe nun keine Andacht mehr, weil die ‚olle Kur‘ vor mir steht. Morgen, da nehme ich mir den ganzen Nachmittag für Dich! Du!! Da will ich ganz lange mit Dir reden. Du!! Möchte mich der Herrgott recht bald gesunden lassen! Oh ich weiß, auch Du, mein Lieb betest mit mir! Das macht mich so ruhig und gewiß! Oh Du!!!

Ich weiß es so froh beglückt, wie innig Du mich liebst! Täglich beweist Du mir Deine unendliche Liebe neu! Geliebter! Geliebter!! Du!!! All mein Glück! Mein Leben! Meine Erfüllung bist Du!! Du!!! Ich halte Dich ganz fest, ganz fest! Ich liebe Dich herzinniglich! Immer Deine

Holde, Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946