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[OBF-411113-002-01]
Briefkorpus

Donnerstag, am 13. November [19]41.

Herzensschätzelein! Mein geliebtes, teures Herz! Geliebter!!!

Du!! Liebster! Du bedrängst mich doch so sehr, daß ich vor lauter Liebe und Seligkeit garnicht weiß wohin! Du!! Du!!! Oh Du!! Geliebter! Und ich lasse mich doch so gerne bedrängen – von Dir!!! nur von Dir, Herzelein geliebtes! Nur von Dir mag ich alle Liebe und Zärtlichkeit! Von keinem sonst!!! Oh Herzenslieb! Wie hast Du mich doch in Dein Herz geschlossen! Fest!! Ganz fest – für immer! Du!! Und hast mich sooooo lieb! Sooooo lieb! Du!! Ganz sehr glücklich hast Du mich gemacht, mein Herzelein, heute. Denke nur: 3 liebe Boten sind gekommen! Ich war ja sooo selig, als ich mit der ‚süßen Last‘ die Treppen heraufstieg! Gerade am Kaffeetisch hattest [Du] mich besucht! Ich wollte erst alle Handgriffe erledigen früh, um dann ein gemütliches Kaffeestündchen zu halten. Und nun saß mein Herzlieb doch ganz nahe neben mir! Grad so, wie Du Dir's im Briefe wünschst, am Sonntagmorgen nach dem Konzert mit neben mir [sic] am Kaffeetisch zu sitzen, Du!! Du!!!!!!!!!!!!! Und einen Boten nach den ander[e]n nahm ich in meine Hände, um zu hören, was ihm sein Herrchen auftrug! Du!!! Und im lieben Sonntagsbrief da purzelte doch das Herrchen leibhaftig heraus!! War das eine freudige Überraschung für mich!!! Du!! Gefällst mir doch so sehr auf dem kleinen Bildchen! So fest schaust Du geradeaus! Wie ein rechter Seemann und Steuermann! Oh Du! Ich kenne Dein Ziel, das Du ansteuern willst! Du!!! Ich kenne es! Geliebter!! Und immer habe ich ein Lichtlein brennen, es leuchtet Dir!, nur Dir, daß Du den Weg gleich findest! Du!!! Geliebter!!!

Du!! Ich kenne Dich, mein Herzlieb ganz wieder! Du!!! Täusche ich mich, oder hast Du jetzt wirklich so volle Bäckchen? Siehst doch gar nimmer so hohl aus, wie im Sommer! Und wie die dunklen Gucker leuchten – wen suchen sie wohl in der Ferne?

Weißt? Du kommst mir vor wie ein dunkles Sammetmiezel [sic] – oder auch wie ein Rehlein, das man am liebsten ganz lieb streicheln möchte! Du!! So weich und dunkel schimmert Dein Haar – wie ein ganz weiches Fellchen. Du!! Ich möchte Dir doch sooo gerne einmal über Dein Köpfchen streicheln, Du!!! Mein Rehlein! Mein Herzlieb, Du!!! Ich lieb' Dich!! Ach Herzelein! Nun ist sie wieder da, die große ungestillte Sehnsucht, das mächtige Verlangen! Bei Dir sein! Deine Nähe fühlen – oh Du!! Ganz fest, ganz nahe mich an Deine Brust schmiegen, Deine beglückende, beseligende Nähe spüren – oh Du!! Wie sehr sehne ich mich nach Dir, mein [Roland]!!! Ach Du!!! Ich muß ganz still sein, muß ganz ruhig und fest an Dich denken, dann wird auch mein Herz ruhiger – Geliebter, Du!! Ich muß Dich ja zu sehr liebhaben! Und ich will Dich auch ganz sehr lieben! Meine ganze Kraft will ich an diese große, mächtige Liebe verschwenden. Geliebter! Geliebter!!! Ich kann nie mehr von Dir lassen! Nie mehr! Ich will Dir gehören! Ich will bei Dir sein, mein ganzes Leben lang! Ich will Dir immer Deine Allerliebste sein! Du!!! Oh halt' mich fest, ganz fest! Mein Herzensschatz! Mein Sonnenschein! Mein Ein und Alles. Wenn Du mich von Dir stießest – ich ertrüge es nicht. Ich könnte nicht mehr leben, – bei aller Liebe, die mir andre Menschen auch entgegenbringen, meine Eltern – nein! Ich könnte nicht leben ohne Dich! Das spüre ich so gewiß – ach, ich habe es doch schon einst erfahren, als Du von uns gingst, wie es mich gequält hat, wie es mich verfolgt hat und nie mehr Ruhe gab, das Sehnen nach Dir. Und ich weiß es so gewiß – so war kein Leben mehr, es war alles Maske, Lüge – niemand sah mein Herz, niemand wußte, wie elend ich im Herzen war.

Das war auch gut so. Ich mußte allein sein in meinem Ringen um meine Liebe. Alle mußten abseits bleiben. Ach Du!! Du weißt, was ich in dieser Zeit durchlitten habe, und ich mag auch keine Minute auslöschen, die ich durchlebte, meine Liebe ist so nur noch tiefer und fester in mir verwurzelt, sie ist ewig in mir nun. Und keine Zeit, keine Macht der Welt hätte mir können diese Liebe rauben.

Ich habe all mein Herzblut daran gehängt – unverlierbar ist sie mir geworden, und sie wäre mit mir in den Tod gegangen, ich weiß es.

Kein Mensch wußte um diese Liebe, keiner!

Ach, sie brannte doch schon einst mit einer Leidenschaft in mir, die mich fast verzehrte.

Allen Fragen wich ich aus, allem guten Zureden – ich hätte mich zu Tode prügeln lassen, kein Wort wäre über meine Lippen gekommen. Ich mußte allein sein, ich wollte allein sein mit meiner Liebe. Nur einem hätte ich mich können aufschließen, nur einem und der erkannte mich nicht. Du! Nicht traurig sein, nicht grübeln: warum? Gott fügte es nach seinem Willen zwischen uns, Geliebter! Jede einzelne Sprosse auf unsrer Leiter zum Glück haben wir erklommen – Schritt um Schritt und so gründlich baute sich unsere Burg auf, Du!!! Die nun so fest und wehrhaft steht! Du!!! Es mußte so sein und nicht anders, daß wir unser unendliches Glück recht schätzen!

Geliebter!! Geliebter!! Aus Gottes Händen empfingen wir's, in Gottes Hände befehlen wir's! Du!! Geliebter mein!

Es ist ein recht trüber Tag heute, der Sturm heult um's Haus und fegt grau-schwärzliche Regenwolken am Himmel entlang. Novemberwetter – Totenzeit.

Herzlieb! Heute vormittag ist die alte Großmutter G. eingeschlafen, die ich besuchte. Ich gönne ihr die Ruhe, sie mußte so sehr leiden. Nun sind die Kinder ganz allein. Und das Leben nimmt seinen Lauf, ungehindert eines Menschenschicksals. Im Januar wird ein neues Leben einziehen in der Familie. Christa wird es schwer haben. Sie ist so garnicht häuslich, wenn sich doch ihre Schwiegermutter ihrer ein wenig annähme. 2 ältere Tanten sind noch da. Die eine wohnt in Berlin, ist Pflegerin; die andre geht hier arbeiten zu Herrmann G. Auch hier steht der Krieg drohend und hindernd dazwischen. Wäre Frieden, würden sie heiraten und eine Wohnung haben. Der Bräutigam steht mit vor Moskau.

Ach Geliebter! Du hast so recht, es ist eine Gnade, daß wir noch kein Kindlein erwarten. Die Zeiten sind zu schwer jetzt. Die andauernden Aufregungen, dazu noch das Warten und Hoffen auf ein Lebenszeichen vom Geliebten, auf Nachricht von ihm. Ach, ich habe es doch schon jetzt in den Tagen meines Krankseins so hart empfunden, wenn er einmal länger ausbleibt als gewöhnlich, Dein Bote! Und wenn ich nun unser Kindlein trüge, müßte sich nicht alle Unrast und Unruhe und Sorge und Sehnsucht auf das kleine Wesen übertragen? Ach Du! Es ist eine ganz große Verantwortung, die wir damit übernehmen, wenn wir uns ein Kindlein wünschen. Gewiß, so ganz nach unserem Wunsche wird es nie gehen im Leben. Aber wir haben unseren Plan und wollen bewußt handeln, das letzte Wort spricht Gott – wir wissen es – doch wir sind beide nicht so veranlagt, daß wir gewissenlos, unbedacht drauflosleben. All unser Tun wird einmal so sein, daß wir es jederzeit vor Gott und unserem Gewissen verantworten können.

Herzensschatz! Komm zu mir! Ganz lieb und innig wollen wir uns umschlingen! Recht innig bitten wir unseren Herrgott, daß er mit uns ist in allen Stunden, daß er unser Leben nach seinem weisen Willen lenke. Möchte er uns gnädig und barmherzig sein! Möchte er uns bedenken nach unseren Kräften! Ach! Möchte er unseren Bund der Liebe segnen! Du!!!

Herzelein! Geliebter!! Ich könnte nicht mehr ruhig sein, wenn wir unser Glück und unser Leben nicht dem Höchsten geweiht hätten. Nur in diesem frohen, beruhigenden Bewußtsein, [sic] empfinde ich beglückt die Wunderkraft unsrer Liebe! Du!! Sie ist so groß! So unendlich groß, daß uns Angst beschleichen könnte, daß wir sie eines Tages verlieren. Oh Du!!! In Gottes Namen gehören wir einander – und diese herrliche Gewißheit besiegt alle Zweifel! Du!!! Ich liebe Dich! Du!!! Ich liebe Dich so sehr! Herzelein! Vorhin habe ich gleich nochmal gedämpft. Ich kann noch schlecht Luft bekommen durch die Nase, ich schmecke noch immer nichts, ich höre schlecht. Es rauscht im Ohr mal hüben, mal drüben, als sei eine Maschine in Betrieb. Ich mache jetzt abends immer ein Fußbad.

Du!! Alles hast Du so lieb bedacht! Sorgst Dich um mich, Herzensschatz!!! Du! Liebster!! Ich bin doch so eifrig bemüht, Dir gesund zu werden! Glaube mir nur! Es hat seine Zeit! Geduld!

Herzelein! Wenn Du täglich sooo lieb und sooo zärtlich zu mir kommst, dann muß ich doch bald gesund sein! Du!! Ach! Wie soll ich Dir nur danken? Geliebter! Geliebter! Es tut so unendlich wohl, Deine treue, gute, reiche Liebe zu spüren – so wohl! Geliebter!!! Ich möchte Dir danken – danken für Deine Liebe! Nimm meinen Dank, Herzelein!! Nimm mich ganz! Ich bin Dein! Ich gehöre Dir! Und ich will Dir leben!!! Du!! Laß' mich heute schließen, Geliebter – mein Kopf schmerzt mich, ich will mich ein wenig lang legen! Ach Du!! Ich bin sooo überglücklich, so selig und froh!! Du bist bei mir! Bist bei mir, mit Deiner ganzen Liebe und Zärtlichkeit! Du hüllst mich so warm ein!

Oh wie beglückend ist es, Deine Liebe zu spüren!!! Ich werde Dir gesund! Bald! Geliebter! Du hältst mich doch sooo lieb und warm in Deinen Armen! Du!!! Ich lehne mich ganz glücklich und geborgen an Dich! Mein Glück! Mein Leben! Mein Sonnenschein! Gott behüte Dich mir! Ich bleibe

ganz Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946