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[OBF-411111-002-01]
Briefkorpus

Dienstag, am 11. November 1941.

Herzensschätzelein! Geliebter!! Mein lieber, liebster [Roland]!

Nun will ich doch zuerst mich ein Weilchen zu Dir setzen, ehe ich wieder an meine Arbeit gehe: an's Stricken!

Du!!! Ich muß Dir erst mal sagen, was ich heute angezogen habe – von Dir! Ja Du! Ich nehme immer mehr Besitz von Deinen Sachen, zuerst den Schlafanzug, nun den Pullover, den wir Dir voriges Jahr nach Eckernförde schickten. Weißt, er ist so schön warm und weich – Du trägst ihn jetzt einmal nicht und hast auch 2 Pullover dort, wie Du mir sagtest. Bist Du bös? Ich mach Dir nichts kaputt! Du! Es ist ein so schönes Gefühl, wenn ich von meinem Herzlieb etwas trage – vielleicht bilde ich mir's nur ein? – doch, es ist wirklich schön, wenn ich von Dir etwas anziehen kann. Nun bist Du doch immer ganz nahe bei mir, Du!! Bei Tag und bei Nacht!!! Ich lasse Dich nimmer los!! Herzelein, liebstes! Und jetzt habe ich mir gleich eine Tasse feinen schwarzen Tee gekocht, hast mir doch so ein lieb's Päckel geschickt heute! Ich hab mich ganz sehr gefreut!! Sei viellieb bedankt, Herzelein! Nun kann ich lange Tee trinken, das ist fein!! Wenn's mal recht kalt ist, wie heute, tut das gut. Und soviel Schuhe für meine Boten!! Großartig! Erst gestern suchte ich wieder mal all meine Kuverts zusammen, einige wenige fand ich noch von Dir, die Du dagelassen hast. Aber nun kann ich doch beruhigt sein, habe einen schönen Vorrat da. In den Geschäften gibt es wieder mal keine, schon lange. Und weil ich gerade von Schuhen rede, da denke ich dran! Ich hatte vor 14 Tagen mit Mutsch zusammen einen Antrag gestellt für ein Paar Winterschuhe aus Leder. Und gestern abend bekommen wir doch wahrhaftig alle beide einen Bezugsschein für Lederschuhe! Ich habe mich natürlich gefreut und werde mir auch welche kaufen, das ist mein Weihnachten. Deine schönen sind mir für den Winter zu schade, die hebe ich mir für den Sommer auf, wenn ich Sonntagsspaziergänge mache in schönen Kleidern, und die sollen auch noch schön sein, wenn Du wieder bei mir bist!! Weil sie hohe Absätze haben, passen sie auch nicht in meine Überschuhe. Ich kann schon noch ein Paar gute, geschlossene Lederschuhe brauchen. Mal sehen, wo sie mir am besten gefallen.

Und nun will ich Dir mal etwas von unsrer Punktkarte erzählen. Voriges Jahr bekamen wir sie schon Ende August. Dieses Jahr erst im Oktober. Voriges Jahr betrug die Anzahl der Punkte 150 und die Karte brauchte nur bis Oktober des nächsten Jahres zu reichen. Heuer gewährt man uns nur 120 Punkte, und die auch nur in Dosen von 20 Stück pro Vierteljahr! Die Karte muß außerdem bis 31. Dezember 1942 reichen!! Also haben sie uns erstens um 30 Punkte beschummelt und auch noch um 3 Monate Zeit. Wenn nun einer hingeht, ein Kleid oder einen Anzug zu kaufen und hat keine alten Punkte mehr, so muß er eben so lange warten bis seine Punkte gültig sind. Rechne Dir aus: ein Damenkleid = 42 Punkte, ein Herrenanzug = 80 Punkte. Und vierteljährlich sind 20 fällig. Es macht Kopfzerbrechen, sich etwas Anzuziehen zu kaufen! Wohl dem, der nichts ganz nötig braucht! Wenn Du gleich hingehst, Dir etwas auswählst, ehe Deine Punkte fällig sind, ist es längst verkauft – dann sitzt man da. –

Wollen wir doch das unerquickliche Thema fallen lassen. Gestern war ich also einmal an der Luft, draußen war mir so wohl, als ich wieder heimkam, verstopften sich gleich die Luftkanäle wieder, immer muß ich den Mund auflassen. Das ist aber ein Zeichen, daß der Schnupfen nun besser wird, denke ich – wenn er stockt. Erst war nur ein Gehörgang verstopft, heute alle beide. Aber das ängstigt mich nicht, das geht vorbei. Ich kann wieder richtig sprechen, der Hals ist frei, nur ein bissel Husten hab' ich noch und den verjage ich auch noch. Mutters Kur scheint doch nachzuwirken! Obwohl ich mich noch ganz sehr schone, will ich doch morgen Kinderschar halten. Die Adventszeit rückt näher mit Riesenschritten und unsre Laternen sind noch nicht fertig. Die Lore G. scheint ernstlich krank zu sein, Frau L. sagte mir, sie läge zu Bett. Ich will sie gelegentlich mal mit aufsuchen. Heute Abend habe ich Kursus, den mag ich auch nicht versäumen, weil ich dann Lücken in meiner Ausbildung habe. Wir haben am letzten Male über den Knochenbau gesprochen und das Muskelsystem zu besprechen angefangen. Unsre Lehrbücher sind noch nicht da, schade – da könnte man noch näher über alles nachlesen; denn manchmal spri[cht] der Vorführer recht umständlich und ungewandt. –

Als ich gestern in L. war, habe ich den Weihnachtsmann gesehen! Du!!! Zwar ist er heuer recht „kriegsmäßig" ausgerüstet – man ist sooo voller besondrer Wünsche! – doch das läßt sich nicht ändern. Die Beschenkten erkennen sicher den guten Willen des Schenkenden und ziehen die Unvollkommenheit der Gaben mit der Zeit in Betracht, die nun einmal viele Riegel vorschiebt in allen Dingen. Du!! Mir ist ja im Grunde auch nicht bange, daß Du könntest enttäuscht sein zum Weihnachtsfest, dazu bist Du viel zu vernünftig – und bist viel zu sehr von dem viel kostbareren Geschenk, unsrer Liebe erfüllt, als daß Du an etwas Nebensächlicherem Anstoß nehmen könntest. Und doch schafft's einem manchmal ’nen kleinen Verdruß, wenn man immer wieder vergebens fragt, oder niemals das Gewünschte bekommt. Wenn die Kleinigkeiten, die man Euch Soldaten nun schon senden kann, bei dem beschränkten Postversand und bei der Umständlichkeit Eures jeweiligen Aufenthaltsortes, noch nicht einmal den persönlichen Wünschen entsprechen, dann ist es schon zum Unwilligwerden. Man muß ja immer bedenken, Eueres Bleibens da ist nur auf Widerruf – dafür seid [I]hr Soldaten – und darnach müssen sich alle unsre Zeichen unsrer Liebe und unsres Gedenkens richten. Mit anderen Worten: Schenke sinnreich und praktisch zugleich. Ja – das sind momentan meine Sorgen!

Ach Du! Wenn ich jetzt Dein liebes Gesicht sehen könnte, dann wäre meine Sorgenstirn gleich wieder geglättet! Du! Herzlieb! Ich weiß ja, was Du mir zum Troste sagen würdest! Du Lieber, Guter! Du allerbestes Mannerli! Aber ich habe bei aller Liebe auch meinen Ehrgeiz und meinen Willen. Sollen wir denn nun alles, alles verschieben bis zum Frieden? Bis dahin, wenn Du für immer bei mir bist? Manchmal, wenn mein Herz so übervoll ist, Dich zu beschenken, Geliebter, da will mir doch fast die Geduld ausgehen. Doch bald erkenne ich das Vergebliche meines Widerstandes. Das „muß" ist stärker. Und um unseres Zieles willen, um Deinetwillen da will ich doch alles, alles gern ertragen. Ach Du!!! Du!! Wie können wir auch nur einen Augenblick verzweifeln, bei unserm Glück? Angesichts des unendlich kostbaren Geschenkes uns[e]res Einsseins? Du!!! Wir Menschen wollen doch immer mehr haben. Sind nicht zufrieden mit einer Erfüllung. Die noch dazu die allerschönste ist und allerwichtigste im Leben einer Ehegemeinschaft. Du!!! Ich will es mir doch immer mehr, immer öfter vor Augen ha[lt]en, daß all unser eigentliches Glück und uns[e]re rechte Seligkeit nur von dem wunderbaren Zusammenspiel unsrer Herzen und Seelen abhängt – allein vom Glück uns[e]rer Liebe, die uns so ganz erfüllt und beseelt. Oh Du!!! Du!!!!!!!!!!!!! Ach ich weiß es ja schon, daß nur diese Gewißheit unser Leben lebenswert macht, Geliebter! Du bist mein und ich bin Dein! Diese Worte schließen die ganze Welt uns ein!!! Herzallerliebster! Über allem Erdenglück aber steht Go[tt], unser Beschützer und lieber Vater. Ihm wollen wir uns anvertrauen, ihm in unsrer Unzulänglichkeit anbefehlen, daß er uns die Herzen weit mache für seine Liebe, daß er bei uns und mit uns bleibe mit seiner Gnade. Und daß er uns bald, oh bald für immer zusammenführe! Geliebtes Wesen, mein [Roland]! Ich denke Dein in unendlicher Liebe und Sehnsucht! Wie gerne wäre ich wieder einmal bei Dir! Spürte Deine Nähe, Deine glückhafte, beseligende Nähe, oh Du!!! Bleibe mir, Geliebter! Bleibe mein! Ich liebe Dich!

In alle Ewigkeit bin ich Deine [Hilde]. Dein!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946