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[OBF-411111-001-01]
Briefkorpus

[Saloniki] Montag, den 11. November 1941

Mein liebes, teures Herz! Geliebtes Weib! Meine [Hilde]!

Nicht umsonst habe ich heute gewartet. Dein lieber Bote vom Dienstag ist gekommen. Ich danke Dir so sehr, Geliebte! Nicht mit einem Wort sprichst Du darin von Deinem Befinden. Darf ich es als gutes Zeichen nehmen? Du bist so froh! Ach Schätzelein! Ich habe doch auch ein paar Fragen.Hast Du den Arzt nicht auch Deinetwegen befragt? Wie ist denn Dein Halsschmerz? Hast Du Fieber? Will sich eine Mandelentzündung bilden? Wie erklärt sich die Hartnäckigkeit der Erkältung? Herzelein! Ich will hoffen, daß alles sich zum besten wendet, und daß Du Dich recht schonst! Und das nächste Mal erzählst dem Mannerli ein paar Worte über Dein Befinden, ja? Herzensschätzelein! Hast es gewiß vergessen diesmal.

Ich bin ja recht froh über die gute Auskunft zu Mutters Befinden. Du wirst recht wachen über sie, und sie über Dich! So kann es ja eigentlich nicht fehlen. Ach! Man ist eben zu schnell einmal leichtsinnig, und sollte es doch nicht sein. Trotzdem die ärztliche Kunst fortschreitet, ist noch eine Menge böser Krankheit unter den Menschen. Neue Krankheiten treten auf. Ein gutes Mittel dagegen? Es gibt wohl kein Patentmittel. Aber wer sonst nicht eben Krankheiten mit sich trägt, kann sich schützen durch einen geordneten Lebenswandel. Das ist wohl die beste Medizin. Die meisten Krankheiten werden doch durch ein Unmaß und Übermaß hervorgerufen.

Du sagst, daß es so erschreckend viel unterleibskranke Frauen gibt. Schätzelein! Ob in vielen Fällen nicht auch das Übermaß, das Außerachtlassen alter, erprobter Regeln mitschuld ist? Das wird sich so leicht nicht feststellen lassen. Schätzelein, geliebtes! Wir wollen einander stets zu einem gesunden Lebenswandel anhalten – wollen uns auch üben in Maßhalten und Beherrschen [sic]. Das Mannerli will alles lieb und recht halten, damit Du mir, geliebtes Weib, immer gesund und lange, lange erhalten bleibst! Du mußt mir aber ein bissel helfen dabei, ja? Du!!!

Herzallerliebste! Geliebtes Weib! Nun flutet mir allen Glückes Schein zurück mit Deinem lieben, viellieben Boten! Schein des Glückes, das mit Dir in mein Leben kam, das Du erst mir brachtest. Was ist der Liebe vollkommenes Glück: „Du bist ich – ich bin Du.“ Liebe weckt Gegenliebe – Gegenliebe entfacht neue Liebesglut – und ihr Schein ruft wieder Gegenliebe – ein Fluten ist, ein Branden auf und ab, hin und wieder. Oh Geliebte! Alle Liebe, die ich Dir brachte, sie ist mir wie Dir, ist unsre Liebe!

O Schätzelein! Sollst nicht Dich arm dünken an Worten – Du bist es nicht – und Wortschwall kam noch selten aus reichem Herzen. Oh Herzelein! Du weißt, daß ich mein Herz nicht auf der Zunge trage, daß ich so wie Du es als eine Not empfinde, alle Empfindung zerreden zu müssen. Ach Du! Ich sitze lange hinter einem Brief – und wenn er mir recht gelingen soll, muß ich ganz ungestört sein. Herzelein! Auch die besten Worte können nicht sagen, was ich für Dich empfinde, vermögen nicht auszudrücken, was meine Liebe zu Dir umspannt. Und es bleibt immer ein Rest Unzulänglichkeit – aber es drängt mich doch auch, Dir Liebes zu sagen, Dich zu beschenken, Dich teilnehmen zu lassen an meinem Jubel, an meinem Glück – oh Herzelein, das muß ich! Du!!! Jubel ist in mir um jeden Schritt, um jede Stufe, die ich Dir näherkam, die ich Dich mehr lieben lernte! Geliebte! Du! Herzallerliebste! Du sagst mir wieder, was mein Herz jubeln macht und glückstrahlen – und sagst es in Deiner Weise, die mir doch ganz vertraut ist, die ich so lieben muß um ihrer Herzlichkeit und Tiefe willen.

Geliebte! Geliebte!! Unschätzbar ist mir dieses Wesen – unschätzbar auch, wie Du es auszudrücken verstehst. Geliebte! Du! „Eines gleicht in seinem Wesen dem andern“. Du! Ich erkenne es immer wieder zu meiner größten Freude. Herzelein! Das Beste an diesem Verstehen: daß Du wie ich unser Glück so gut und tief und tiefer gründen möchtest – daß wir beide so groß und hoch und ernst es schauen – daß wir einander ganz ergeben möchten und erfüllen – daß wir beide ein eigenes Ganzes erstreben.

Schätzelein! Ich sehe dieses Wesen tief verankert schon in Deinen Eltern! Oh Du! Ich liebe Dich darum! Ich bin so glücklich deshalb!

Geliebte! Ich weiß, welch reiche, köstliche, seltene Liebe Du mir schenktest! Und Du empfindest so auch von meiner Liebe!

Ach Herzelein! Du bist noch eine von wenigen, die noch von einem Auserwählten des Herzens sprechen, dem sie ihr Leben weihen möchten. Du hast noch ein Maß für Größe und Bedeutsamkeit – Dir kann noch etwas heilig sein – und Du sehnst Dich nach etwas, das Dir heilig sein kann, dem Du Dich ganz widmen und hingeben kannst. Und so ist Dein Mannerli auch. Oh Herzlieb! So bist Du auch von der Art wie ich: die nicht vergessen können, die treu sein müssen, die den Sinn haben für die Größe und Schicksalhaftigkeit des Einmaligen.

Herzlieb! Auch Du hast einen Riegel zum ersten und einzigen Male zurückgeschoben – zur Tür meines Herzens, zum Herzkämmerlein letzten Vertrauens. Du gabst Dich ganz mir hin – und ich trat an Deine Seite mit letzter Entschiedenheit – oh Herzlieb! – mit dem Wunsche, mit aller Leidenschaft, mit dem glückhaften Eifer guter Liebe, mich Deiner Liebe und Treue und Hingabe ganz wert zu erweisen – und in Mannes Weise die gleiche Liebe, Treue und Hingabe zu bringen. Oh Herzelein! Ich will nur Dir gehören, so ausschließlich! Und will mich Dir ganz schenken! Oh, sie sollen es alle sehen, daß ich Dein Eigentum bin, daß keine and[e]re mich so gewinnen kann wie Du!

Herzlieb! Es gemahnt daran, daß es sich fügte und fügen sollte zwischen uns: wie schnell ich Dir mein Vertrauen schenkte! Es geschah mit einer unwiderstehlichen Sicherheit, aus einem wundersamen Drange. Der Bote war schon auf dem Wege zu Dir, als ich ^mich besann, daß ich mir hätte doch ein wenig Zurückhaltung auferlegen sollen. Ach Geliebte! Du hast mich nicht enttäuscht! Du schenktest mir ja zuerst so wundersames Vertrauen. Oh Herzlieb! Und Dein Bekenntnis kam zwar aus einem jungen, aber heißen, tiefen, liebevollen und treuen Herzen. Wo blieb der alte Zweifler? Alles Mißtrauen? Ach Geliebte! Du fandest mein Herz wund und aufgeschlossen – voll tiefen Vertrauens für das Deine, das ebenso wund war und aufgeschlossen.

Oh Herzelein! Unser Liebesfrühling bleibt mir kostbar und unvergessen. Unverlierbar ist er uns. Du! Unverlierbar! Alle Spuren sind in der Erfüllung unsres Glückes! Ja! Herzliebes!!! Und was dem Mannerli die Begierde weckte – oh Herzelein! – es ist Zeichen heute schönster Liebe! Sie ist überwunden, die kritische Zeit! Die Liebe überglänzt und läutert alles zu ihren Zeichen, zu ihrem Geschenk – sie bezieht und schließt all das ein. Oh Herzlieb! Ich habe Dich immer lieber gewonnen! Und heute erkennen wir es beide: daß der Liebe Krönung im Schenken liegt zu des anderen Glück. Und zu diesem hohen Glück gehört Reife – ach, gehört unbändiges Sehnen nach dem Einssinn – und zu diesem vollkommenen Einssein gehören Leib und Seele – gehört heiße, leidenschaftliche Liebe und Wesensverwandtschaft.

Oh Herzlieb! Wenn Du nicht schon ganz glücklich wärest und mir ganz nahe – ich lasse nicht von Dir, ich will Dich immer auf[‘]s neue bestürmen, bis ich Dich ganz gewonnen habe, Dich ganz! Du ganz mein Eigen! Oh Herzlieb! Du! In unserem gemeinsamen Leben mit seinen Erlebnissen und Pflichten, da wollen wir uns wieder und wieder finden, ganz zueinander finden. Ich weiß, Du! Ich weiß! Da wird unsre Liebe sooo sooo reiche Nahrung finden – daß sie ganz hell brennt und leuchtet!!!

Oh Du! Du!!! Ich will Dich lieben! Ich will Dich festhalten! Erfüllen will ich Dich! Ganz glücklich machen!

Ach Herzelein! Und einen Wunsch habe ich nur: Daß Du mich liebst! Daß Du mich hälst! Dann bin ich ganz, ganz glücklich! Ob ich in Sorge bin darum? Oh nein, nein, Geliebte! Weil wir einander lieben müssen. Weil die Zaubermacht der Liebe uns bannt! Du! Du!!! Mein Glücksgeschwister! Glücksbringer! Goldherzelein!

Ich liebe Dich!

Gott schütze Dich!

Dein [Roland]! Dein Mannerli! Ganz Dein.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946