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[OBF-411109-001-01]
Briefkorpus

[Thessaloniki] Sonntag, den 9. Nov. 1941

Mein liebes, teures Herz! Mein liebes, liebes Herzelein!

Eingetrieben sind wir wieder. Von unsrer Wanderung zum Kapellenberg. Du weißt schon, welchen ich meine. Es ist eines uns[e]rer liebsten Wanderziele geworden. Und heute haben wir es auf einem ganz neuen Wege angesteuert (wir sind doch Seeleute!), der hat uns überaus gut gefallen. Es war aber auch ein Tag, der wieder recht alles im schönsten Lichte zeigte. So warm, daß wir – gegen 2 Uhr machten wir uns auf den Weg – schwitzten. In der Sonne waren mindestens 20 Grad. Diese Herbsttage hier sind zu köstlich! An einer Schweineweide führte unser Weg vorüber, einem Abfallplatz, schaurig, in dem Schweine aller Größenklassen, Rassen und Farben, beiderlei Geschlechts sich tummelten. Ganz flach atmend sind wir dort vorbei. Aber dann führte der Weg zwischen frisch bestellten Feldern hin, daß man sich ordentlich ein wenig heimisch fühlen konnte. Vor uns immer der formschöne, stolze Doppelgipfel des Chortiatis. Dicht am Kapellenberg liegt ein schmucker Ort mit dem klangvollen Namen Arsakli. Da haben sich, wie auch an den Rändern der Stadt Saloniki, die aus Kleinasien von den Türken 1921 ausgewiesenen Griechen angesiedelt. Ihre Ansiedlungen sind zum Teil noch recht ärmlich und primitiv.

Wir bestiegen den Kapellenberg. Diesmal mußte er uns Modell stehen. Beim letzten Bestiege war die Munition all schon verschossen. Nach einem Rundgang durch den Ort kehrten wir ein. Ich drang – wie immer – auf einen guten Wein. In der ersten Kneipe gab es keinen. In der zweiten, die wir schon einmal aufsuchten, konnte man unseren Wunsch befriedigen. Wir bekamen einen guten Wein. Und das erste Glas leerten wir auf das Wohlergehen und die Gesundheit uns[e]rer lieben Frauen. Der Wirt erkannte uns wieder. Wir entdeckten ein Grammophon und erregten mit unserem Wunsch, ein wenig Musik zu hören, auch das Wohlfallen der spielenden Männerrunde. Der Wirt – ein abgedankter Soldat – fühlte sich ebenfalls geehrt und brachte seinen ansehnlichen Plattenschatz herbei. Er suchte auch gleich ein paar Nummern heraus, von denen er annahm, daß wir sie kannten. Eine prima Platte aus Puccinis Toska und eine Straußwalzerbearbeitung von Dajós Bela, dem berühmten Jazzer. Wir aber begehrten dann ein paar original griechische Stücken zu hören. Monotone, schwermütige Gesänge mit eintöniger Untermalung und Zwischenspielen von Flöte und Banjo. Dazwischen ein paar Nummern des Lieblingstanzes der Griechen: Tango. Ein besonderes Merkmal: die schönen, vollen, dunklen Altstimmen der Sängerinnen. Herzlieb! Du wirst es mit mir fühlen nachträglich, daß wir von alldem froh angeregt waren und recht zufrieden im Angesicht der untergehenden Sonne, der Bucht mit ihrer Stadt dahin marschierten auf der schönen, uns nun schon vertrauten Straße. Wir hatten den herrlichen Tag recht genützt. Und waren nun auch zur Abendzeit zu Haus. Darauf bestand ich, weil ich meinem Lieb noch schreiben wollte.

Ach Herzelein! Ich war doch erst ein wenig schweren Sinnes ob Deines lieben Boten vom Montag.

Du! Schätzelein!

Jetzt mußt mir aber jeden Tag ein paar Zeilen schreiben – sonst werde ich ganz ungeduldig – Herzelein – will wissen, wie es Dir geht. Ach Du! Du!!! Kann ich Dir denn gar nicht helfen? Ganz lieb streicheln, Tag und Nacht, Herzlieb! Ganz lieb Dich wärmen, Du! Gleich ein bissel krank sein mit Dir und Dir etwas abnehmen! Schätzelein – ich bin zu weit. Ich kann nicht!  Kann nur lieb Dein denken – und kann beten für Dich und Dich Gott anbefehlen. Ich kann nichts Besseres – und Besseres gibt es auch nicht. Muß allen menschlichen Rat und Hilfe Dir selber überlassen und der lieben Mutsch und dem Onkel Doktor. Eines denk ich! Du versuchst zu viel durcheinander. Ich nehme für den Hals Wasserstoffsuperoxyd. Wenn es sehr weh tut, gurgle ich ein paar Stunden in Abständen von 15 Minuten ganz regelmäßig. Um eine Erkältung zu lösen und aus dem Kopf zu ziehen, ließ ich mir von D.s eine heißes Fußbad empfehlen, in das Wasser eine ordentliche Prise Salz – dieses Mittel hat immer sehr gut getan. Und eines scheinst Du noch nicht erprobt zu haben: eine richtige Schwitzkur, damit herauskommt und sich zeigt, was da werden will. Und eines ist in solch erkältetem Zustande auf jeden Fall zu meiden: der Wechsel von warm und kalt, draußen und drinnen. Bedenklich in meinen Augen waren der Kirchgang und die Fahrt zum Arzt bis nach Chemnitz – auf jeden Fall aber muß die Kinderschar jetzt ausfallen!

Ach Schätzelein! Mein Rat kommt wohl zu spät – und er ist jetzt hoffentlich auch nicht mehr vonnöten. Ich warte auf Deine nächsten Boten! Ich möchte Dir doch sooo gerne helfen und nahesein! Ach, ich kann's nicht, ich kann's nicht! Du!!!

Wenn Du nun aber über den Berg bist, halt Dich gut! Schätzelein! Halt Dich gut! Zieh Dich warm an! Nicht bloß außen herum! Du!!! Laß den bösen Frost nicht ins Herzelein und ins Gärtelein! Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!! Für die lieben Patschhändchen hab ich doch noch was ganz Feines, aber das darf doch der Weihnachtsmann gar nicht hören – bloß mein liebes, armes krankes Herzelein! Das möcht ich aber doch mit der Post nicht gern schicken. Aber die Beinchen, die bösen! Du! Du!!.Wenn Du wirst immer beim Mannerli sein und dann ganz ihm gehören, muß ich mich doch noch ein wenig mehr auch darum kümmern! Ja, Du!!! Ganz streng und dienstlich. Wenn das auch schwerfällt, Du! Du!!!

Ach Herzlieb, Du!!! Ich bin froh, daß meine Boten zur rechten Zeit gekommen sind. Daß sie Dir Sonne und Wärme brachten. Daß du meine Liebe spürtest und es fühltest, wie unersetzlich Du mir bist, geliebtes Weib! Oh Du! Wenn ich Dir damit helfen kann. Und ich kann's, ich weiß es! Oh Herzelein! Du!!! Gott sei mit Dir! Mit uns! Du mußt mir bleiben! Geliebte! Du!!! Ich will Dich ganz festhalten und einhüllen mit meiner Liebe. Oh Du! Wisse es! Herzlieb! Geliebte! Wie ich Dich liebe! Wie ich Dich brauche! Wie Du in mir lebst und wirkst! Ich kann nicht mehr sein ohne Dich! Ich will mit Dir gehen und wandern durch Freud und Leid, durch trübe und sonnige Tage, will mit Dir schaffen, mit Dir leben, leben!!! Oh Herzlieb! Laß das Glück unsrer Liebe Dich ganz durchglühen und durchsonnen! Ich bin ganz Dein! Ganz Dein! Mit meinem ganzen Herzen, mit meinem Leben für dieses ganze Leben! Du hast mein Herz! Ich wohne in Deinem Herzen! Du hast mein ganzes Vertrauen! Ich bin Dein Eigen, Dein Eigentum: Herzlieb! Tausend Herzfäserchen und Herzwürzelchen des Sehnens nach Liebe und Geliebtwerden halten sich fest und innig verschlungen – ich kann nicht mehr zurück – und Du auch nimmer – und immer meine Würzelchen und Fäserchen streben nach Deinem Herzen – immer lieber müssen wir einander gewinnen – wir müssen! Du! Du! Du!! Du!!! Und siehst Du es dort stehen – Herzelein! Geliebte! Oh halt mich fest, Du!!! Ich will nicht mehr zurück! Will bei Dir bleiben! Bei Dir ist Heimat, Geborgenheit, ist Glück, Erfüllung! Ich liebe Dich! Liebe Dich aus ganzem Herzen! Oh Herzlieb! Gott sei mit Dir! Werd mir gesund! Werd mir recht bald gesund! Du! Mir! Deinem R[oland]. Schätzelein, liebes! Ich möchte Dir so gerne helfen! Oh, daß ich Dir so ferne sein muß! Und nun sind auch noch die bösen Tage gekommen! Liebes Weib! Halt Dich an mich! Ich will Dich tragen mit meiner Liebe! Ich will mit Dir um Gottes Gnade ringen!

Ach Du! Wenn es auch zwickt und zwackt – wenn nur im Herzen Sonne ist! Ich vertraue mit Dir auf Gottes Hilfe! In Deinem Herzen darf ich wohnen! Darf Dir Glück und Sonnenschein sein! Zum bösen Hälslein muß der Tee kommen – und das andere Böse hat seine Zeit – aber im Herzen, in Deinem lieben Herzen, da soll ganz warm meine Liebe wohnen – da will ich den Frost nie einlassen – Geliebte! Ich muß Dich liebhaben! Muß Dich sooooooooooooo lieb haben! Gott hat es so gefügt. Er helfe uns! Er schenke Dir Frohsinn und Gesundheit!

Ich küsse Dich! Ich bin Dir sooo gut! Du! Du! Sooo gut!

Ich bin ganz Dein! Dein Mannerli! Ach, alles

was Du magst – immer Dein, Du!

Ewig Dein R[oland]

Viel liebe Grüße den lieben Eltern.

Die Glöckchenheide – ein Mitbringsel vom Spaziergang. Das Bild – wir mußten uns kürzlich knipsen lassen für unseren Ausweis. Ach Herzlieb! Ich möchte Dich doch so lieb beschenken. Dir ganz viel Liebes erzeigen – daß Du ganz schnell wieder gesund wirst! Du!!! Geliebtes Weib!

Meine [Hilde], Du! Du!!! Du hast meine ganze Liebe! Und ich habe die Deine. Deine Liebe! Und bin ganz närrisch vor Glück! Deine Liebe! Dein Herz! Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946