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[OBF-411108-002-01]
Briefkorpus

Sonnabend, am 8. November 1941.

Herzensschätzelein! Mein geliebter [Roland]! Du! Herzallerliebster!

Gleich wird es um ½ 3 Uhr sein nachmittags. Die Mutsch ist Wege laufen, der Vater geht sammeln. Und ich bin schön allein – sehr lange zwar nicht, Du!!! Aber doch so lange, um Dir einen ganz, ganz lieben Kuß zu geben und auch solange, um Dich ganz, ganz sehr lieb zu haben – ach Herzelein, liebes!!! Du!! Du!!! Auch heute Nacht habe ich so lieb, so süß von Dir träumen müssen, wie auch schon in der vorangegangenen Nacht. Du! Herzlieb! Dein Bild verfolgt mich bis in meine Träume hinein – ich hab Dich sooooo sehr lieb – mein Herzelein, Du!!! Soviel Sehnsucht ist in mir! Du!!! Ach Du! Ich kann es ertragen, das Warten! Geliebter!!! Und daß die Sehnsucht und das Verlangen nach Dir soo mächtig sind in mir, das ist mir doch glückhaftes Zeichen, frohes Bewußtsein, wie unendlich ich Dich liebe! Mein [Roland]!

Ich wäre sicherlich im innersten Herzen traurig, wenn ich nicht so bewegt würde von Deiner Liebe, wenn ich meine Liebe nicht so mächtig und so alles überstrahlend spüren würde. O Du!! Sie soll ganz wach bleiben, sie soll so mächtig bleiben, die Sehnsucht, die Liebe zu Dir!!! Herzelein!!! Geliebter Du!!! Ich will immer so ganz erfüllt sein von Dir, Geliebter! Und ich weiß: ich werde es auch immer sein! Weil ich stets an Dich denken muß! Weil auch Du stets mein denkst – und die feinen Fäden der Gedanken, die sich weben von mir zu Dir, von Dir zu mir, die kann keine Ferne zerstören, keine Zeit!

Die Sehnsucht überwindet alle Ferne, jedes Hinderniß – sie dringt bis ins äußerste Kämmerlein des Herzens, und wir spüren ihren feinen Ton, ach! Wir kennen ihn so gewiß!! Du und ich! Die Sehnsucht ist wie das Heimweh, das im Menschen brennt, der allein in der Fremde steht. Geliebter!! Und wenn wir nicht beieinander sind, dann zehrt auch das Heimweh an uns, nicht eher gibt es Ruhe, bis wir einander fühlen, so ganz nahe, Hand in Hand – Herz an Herz. Du bist meine Heimat, meine Geborgenheit, meine Ruhe, Du!!! Ach – wie glücklich bin ich, Liebster, daß auch ich Dir soviel bedeute! Du!!! Sooo glücklich bin ich darum! Du!!!!! Du! Ich bleibe Deine [Hilde], allezeit – immerdar! Mag der Herrgott uns schicken, was er will; Freud oder Leid – ich stehe zu Dir in allen Lebenslagen, ich bin Dein, bin Dein Weib, Dein treuer Lebenskamerad – mit Dir will ich gehen bis ans Ende der Welt! Du!!!

Kein Pfad zu steil, kein Weg zu weit! Ich gehe mit Dir immerfort – ich gehöre Dir mit Herz und Hand. Geliebter! Das sollst Du niemals im Leben vergessen!!! Du! Nach allem Hasten dieses Lebens flüchte ich mich doch sooo gern an Dein Herz, zu Dir! Du bist mir der ruhende Pol, der treue Hort, Zuflucht, Geborgenheit ach, mein Lieblingsplätzchen! Du!! Zu dem ich meine liebsten Gedanken trage und auch die heimlichsten und süßesten! Du!!! Du!! All das bin ich auch Dir!! Welch glückliches Weib bin ich! Du sagst es mir, Du!!! Wenn es um Dich her zu dumpf und zu eng wird, dann öffnest Du das Fenster zum Herzkämmerlein, Du!! garniemand kann es seh'n! Und dann strahlt es warm und traut – leuchtet's Dir hell und zukunftsweit! Du!! Du!!! Ach Du! Wenn Du mir das sagst, Herzelein – dann ermesse ich es doch wieder so ganz, so reich, unser Liebesglück! Du!! Unersäetzlich und köstlich ist unser Glück! Und so unendlich geborgen sind wir in ihm. Du!!!

Du! Eine Burg ist unsre Liebe, hinter deren Mauern wir Schutz und Geborgenheit finden, in der alle Reserven unsrer Kraft liegen. Ich bin Deine Burgfrau, Du!! Habe mit Dir gebaut, mit all meinen guten Kräften, Du! Und ich werde sie mit Dir halten und verteidigen wie das eigene Leben, Du!!! Dein liebster, bester Lebenskamerad will ich Dir sein! Dein treues, liebes Weib! Herzelein, Du!!! Du! Die sich nicht lieben und einander Leid zufügen, die reißen alle Mauern nieder, sie rauben einander alle Geborgenheit und sie stellen einander bloß. Du! Ist das nicht traurig! So wird es zwischen uns nie sein!

Herzallerliebster [Roland]! Weißt Du, wo ich heute früh war? Rate einmal! O, das ist gar schwer!

In Chemnitz! Nun wirst Du sagen, ich sei wohl närrisch! Der lieben Mutsch habe ich das Strickkleid geholt. Ich mußte ihr die Freude vollkommen machen, weil nun mal die Punkte da waren: Und das ist mir auch gelungen! Es war noch da, das Kleid, die Verkäuferin hatte auch Freude daran, Mutters großen Wunsch zu erfüllen. Sie hatte es gut vor den Blicken fremder Leute versteckt und gewartet, bis ich kam. [...] fuhr ich rein und mit dem nächsten Zug wieder heraus, der fuhr [...]. Nach Strickwolle war ich mit aus – garnichts zu machen! Schade. Es ist hier genau wie bei Euch: das Kaufen macht keinen Spaß mehr. Na, ich lasse mir auch keine grauen Haare darüber wachsen – was nicht ist, ist nicht.

Nein graue Haare sollen nicht wachsen, aber dunkelblonde! Und mein vorsorglich-liebes Mannerli hilft mir dabei!! Ich freue mich! Auf den Zopf! Und auf's Messen natürlich auch, Du Lausbub!! Du meinst, vorne könnte ich nicht messen? O doch! Da sind mehr, viel mehr Anhaltspunkte als hinten! Weißt, das verrate ich Dir nun nicht!! Das sage ich Dir vielleicht mal, wenn Du bei mir bist – nee Du! Hinten lang, die Wirbel des Rückgrades [sic] zählen?, das ist mir doch zu langweilig! Und Dir auch! Das weiß ich ja! Ist mir langweilig, auch wenn ich jetzt Frau Sanitäter bin! Bei anderen mag ich wohl gerne mal gucken und zählen, aber bei mir nicht. Ich bin neugierig, ob mein Haar schon ein bissel gewachsen ist, Du! Jedenfalls ist es ganz großartig, das Du Trylisin hamsterst!! Und noch großartiger ist Dein Vorschlag, Du! Ei gewiß!! Ich laß' mir den Zopf so lang wachsen, bis ich damit Dich in die Schlinge legen kann beim Küssen, Du Schelm! Gib nur acht, daß Du dabei nicht ersticken wirst, denn zum nächsten Urlaub ist die Schlinge sicher noch gewaltig eng, Du!! Du!!!

Du klagst, daß Du noch ein so künstliches Weiberl hast? Tinktur innen, Tinktur außen, Creme, Puder! Ei Du großes Dummerle! Sei doch froh, daß man mir überhaupt noch helfen kann! Sonst müßtest mich ja so vertun [sic], wie ich bin – kurzgeschoren, blaß, eklig, und was weiß ich noch!

Bleibe nur immer bei mir, Du alter Reiseonkel Du! Dann brauche ich doch garnichts künstliches mehr! Dann bin ich warm, dann habe ich dicke, auch rote Backen; wovon? Dumme Frage!! Dann werd' ich auch sonst rascher rundlich und wegen der Haare? Vielleicht geht's mir dann auch wie Deinem Bart! Der wächst ja auch viel rascher in meiner Gesellschaft! Ach Du! Ich möchte doch bloß für Dich schön sein – wegen mir tu' ich's ja nicht, Herzlieb Du!! Das weißt' doch nun schon! Mattcreme? Was ist das? Ein Crem, der nicht fettet. Nivea-Crem ist fettend. Angebracht für meine riesigen Hände. Mattcreme ist für's Gesicht, es bekommt dadurch einen schönen, matten Schimmer und scheint richtig rosig zart. Wenn Du Dich den Griechen verständlich machen willst, dann mußt Du sagen: ich möchte Mattcrem, also Tagescreme! nicht Fettcreme, was gleich Nachtcreme bedeutet. Verstehst? Na das ist nun so'ne Schmiererei, wenn Du eben nichts erwischst ist's auch nicht schlimm. Ich denke doch, daß ich mich mit 22 Jahren noch nicht um Runzeln und Falten zu sorgen brauche, gelt?

Du drückst sie alle weg, wenn Du bei mir bist, ja? Und ärgern tust mich doch nicht, daß ich Falten bekomme?

Du! Erzählst mir ja schöne Geschichten von Deinem lieben K.! Das hätte ich ihm nicht zugetraut, daß er sich so weit vergißt. Du! Das konnte auch böse Folgen haben! Wenn ich wüßte, daß Du trinkst und gerne solch einen Hauser machst, dann hätte ich gar keine Ruhe hier! Ich lebte immer in Angst um Dich! Die beiden Ehegatten K. scheinen es überhaupt nicht ganz so erst zu nehmen mit der Treue, gelt? Er hat sich ja auch schon mal Dir gegenüber von seiner Frau so geäußert, [z]war war das vor der Ehe; doch was im Blute liegt, kann sich auch leicht wiederholen. Daß ‚er‘ sich mit fremden Frauen abgibt, glaube ich ja kaum – aber in der Trunkenheit traue ich keinem Menschen mehr. Es hat mir den Anschein, als nähme sich K. nur in Deiner Gegenwart recht zusammen. Er ist kein fester Mensch. Du spürst ja auch, wie gerne er mal ganz allein ausgeht. Wohin er da geht weißt Du nicht gewiß. Na – er wird schon noch soviel Ehrgefühl im Leibe haben, daß er nicht versinkt. Er schämt sich gewiß vor Dir.

Du! Ich bin doch so von Herzen froh, daß ich ein so treues, gutes Mannerli mein Eigen nennen darf. Ein ganz unermeßliches Glück ist es für ein Weib, wenn es weiß, so gewiß fühlt: er gehört nur allein dir. Und ich müßte Dir immer mißtrauen, wenn Du mich nur ein einziges Mal betrogen hättest, wenn Du Dich so vergessen hättest in Gegenwart fremder Frauen, bis zur Trunkenheit. Das ist etwas ganz häßliches, was den Menschen herabwürdigt. Ich könnte es vielleicht noch einmal verzeihen, wenn es nur unter Kameraden, unter Männern geschah, aber Frauenspersonen [sic] dabei, pfui!

Überhaupt, wenn ein Mensch nicht weiß wo seine Grenzen sind – wenn er sie überschreitet – dann kann man doch unmöglich noch zu ihm aufsehen! Das kann man verlangen, daß sich einer soweit in der Gewalt hält. Ich glaube nie und nimmer, daß ich mich jemals so vergessen könnte – ganz gleich in welcher Hinsicht – dazu liebe ich Dich viel zu sehr, dazu bin ich Dir viel zu sehr verbunden, daß ich Dich so betrüben könnte.

Und sieh, Herzlieb! Wir kommen doch immer wieder zu dem Schluß: wo zwei sind, die sich restlos lieben und vertrauen, die sind allen Stunden des Lebens aneinander gemahnt [sic], bei aller Ferne; sie sind so ganz ineinander verschlungen und verkettet, daß sie es nie vergessen können. Das ist rechte Liebe, Liebe von Herzen! Und innerstes Bekenntnis zueinander, wenn man einander die Treue hält in allen Dingen. Im kleinsten treu – das soll unsre Losung sein. Ach Herzlieb, Du!! Ich weiß es froh beglückt: ich habe mir ein Mannerli erwählt, das wie nicht gleich ein andres heimverlangt – das sich in diesem Heim selber recht finden möchte – das mit mir nun ein Selbständiges, Eigenes darstellen möchte, oh Herzlieb! beseligt weiß ich und fühle ich es, das zu dem Weiblichen, wie ich es Dir verkörpere, so sich hingezogen fühlt als zu seiner Ergänzung – ach Du!! Hingezogen fühlt so, daß es der Einen, Erwählten, seines Herzens Königin, mir!, alle Liebe und Treue, alle Huld und Verehrung darbringt, daß es sein Leben „um das meine herumschließen möchte“! Oh Du!! Du!!! Du!!! Mein Geliebter! Mein Herzensschätzelein! Wie danke ich Dir Deine Liebe, die unendliche, tiefe, treue! Mit meiner ganzen Herzensliebe und -treue mein Lebenlang [sic]!

Wir müssen nicht bange sein umeinander, zweifeln aneinander – Du! Du!! Wie selten noch fanden sich unsre Herzen zu beseligendem Klang zusammen, Gleichklang der wahren Herzensliebe! Eine Sorge ist es nur noch, die uns bewegt: daß uns dieses Glück in Gnaden erhalten bleibe, so lange wir leben! Und darum unseren Herrgott zu bitten, aus tiefstem Herzen, wollen wir nie ermüden! In seinem Willen leben, in seiner Güte sich wohl geborgen fühlen, das ist höchstes Erdenglück für Liebende.

Mein [Roland] Wir befehlen unser Glück in Gottes Hände, an unseren Trauspruch muß ich immer wieder denken. Er ist das Licht auf unserm Weg! Sei mit mir von Herzen fröhlich und zuversichtlich! Glaube mit mir! Halte aus mit mir! Geliebter! Gott schütze Dich! Er führe Dich bald gesund heim für immer!

Zu Deiner [Hilde], Deiner Holde, sie wartet Dein in unverbrüchlicher Liebe und Treue! Du!! Du!!!!! !!!!! !!!

In 2 Stunden wollen wir zum Konzert gehen! Ich nehm' Dich mit, Du!! Herzelein! Ich nehme Dich mit! Geliebter! Schätzelein, Du!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946