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[OBF-411107-001-01]
Briefkorpus

[Saloniki] Freitag, den 7. November 1941

Herzliebes Schätzelein! Geliebte, Du! Meine liebe [Hilde]!

[Ich] Kann nun meinem Herzlieb nur aus der Ferne helfen bei seiner Krankheit. Ach Du! Ich weiß, daß ich Dir auch damit helfen kann. Das böse Gigihälschen [sic] mußt immer fein in acht nehmen. Dort setzt sich bei Dir die Erkältung gern und hartnäckig fest. Ich bin froh, daß Du nicht zu Mandelentzündung neigst – kriegt unser Kindlein dieses Übel vielleicht auch nicht mit. Halsschmerzen habe ich ja auch manchmal, wenn ein Schnupfen sich bilden will. Aber bis zur Heiserkeit, meine bis zum Kaum-mehr-sprechen-können, ist es noch ganz selten gekommen. Dein ganzes Sprechen sitzt falsch, habe ich es Dir schon gesagt? Es ist sitzt zu tief im Halse. Du würdest das bös zu spüren bekommen, wenn Du viel sprechen müßtest. Was dagegen hilft? Ein Sprechkursus. Kann Dir das Mannerli erteilen, wenn Du mal willst.

Ich war schon ein wenig ungeduldig, weil vom Freitag kein Bote kam. Wollte doch gern wissen, was der böse Hals macht. Aber nun bin ich beruhigt darüber, Dein lieber Sonnabendbote ist gekommen. Er hat mir viel, viel Freude gebracht! Herzelein! Er spiegelt Dein Glück, unser Glück, spiegelt er auch in den Zeilen meiner Mutter! Du! Du!! Geliebte!!! Ich bin ganz ganz Dein! Hörst Du es, Schätzelein? Weißt Du es? Fühlst Du es? Glaubst Du es? Du!! Du!!! Ach, jetzt kann ich es Dir nur schreiben. Aber Du spürst das Leuchten und Glänzen hinter den Zeilen, Du mußt es spüren! Und wenn ich bei Dir bin! Oh Schätzelein, Du! Du!!!

Nun will ich erst mal von meiner Krankheit reden, die Du in Deinem Boten erwähnst, hieß sie nicht Senkfuß? Nichts, rein nichts mehr davon zu spüren! Ich gehe nun in den Segeltuchschuhen, in den Schnürschuhen, den Marschstiefeln und habe keinerlei Beschwerden. Fast muß man annehmen, daß meine Halbschuhe das Übel verursacht haben. Auch nach dem ordentlichen Marsch nach dem Chortiatis hat mir der Fuß nicht geschmerzt. Also kann ich doch beinahe annehmen, daß es wieder gut ist, gelt? Herzelein! Daß Du an meiner Seite noch manch liebes Mal tapfer marschieren willst, das weckt in mir doch große, große Freude! Und ich will doch ganz, ganz lieb Rücksicht nehmen auf mein liebes Weib! Schon beim Planen. Die Schönheiten müssen ja nicht errackert sein. Und an Deiner Seite habe ich doch nun viel, viel mehr Mühe und Freude auch am Verweilen!  Brauch doch nur das Köpfchen zu wenden, da ist alles Glück, das mir auf dieser Welt werden konnte, gegenwärtig – ach, ich darf doch gar nicht zu lange hinschauen, sonst wird die ganze Wanderung doch nur eine große Rast – Du!!!!!

Herzlieb! Ich möcht ja mit Dir auch noch einmal wenigstens die großen Berge schauen. Magst Du dich darauf fre[ue]n? Ja, ich weiß es! Du!!! Wir brauchen sie gar nicht all zu stürmen, die schwierigen Gipfel – würden die lieben Beinchen wohl recht müde werden und schmerzen – und die schönsten Bilder auf die Riesen hat man doch aus halber Höhe, von einer der Hochalmen, von den leichten Vorgipfeln. Und wenn wir dann droben sind, da wollen meine Augen mit den Deinen um die Wette alle Schönheit trinken – dann wollen wir einander [b]eglücken mit der Freude, die aus den Augen leuchtet – und dann, dann muß ich mein Herzlieb umfassen und küssen, küssen – oh Du!!!!! Gott sei nur gnädig und schenke uns solch[‘] reine Herzensfre[ud]e!

Nun ist die Mutter bei Euch! Ich weiß, daß mit Ihr Freude und Sonne einzieht. Und ich weiß, daß auch ich Dir näher bin und Du meine Nähe glückhafter spürst, wenn sie da ist. Fast alle sagen, daß ich ihr am ähnlichsten bin. Ich kann es äußerlich gar nicht finden – aber daß wir uns sonst sehr nahe waren und sind, das weiß und fühle ich, fühlte es noch viel deutlicher, bevor Du die meine wurdest. So spät habe ich mich innerlich von der Mutter gelöst – so spät hat sie mich losgelassen – wundersam und rätselhaft ist mir all das noch heute. Ach Herzelein! Der Weg meiner Mutter ist kein leichter, ebener Weg gewesen. Und zu der Sonne und Güte ihres Wesens hat sie sich durchgerungen, sie ist gewachsen ihr ganzes Leben bisher am Manne, an den Kindern, ^an ihrer Mutter – und an den oft schweren Aufgaben und Sorgen dieses Lebens. Es war kein ebener Weg. Und irgendwie bin ich, Dein [Roland], ihn mitgegangen von der ersten, schweren Station an – ja, Herzlieb! Und öfter, viel öfter stand auf Mutters Gesicht der Ernst, die Müdigkeit zu lesen als heute. Seltener schien die Sonne. Aber ganz tief und deutlich leuchtete uns Kindern auch alle Liebe und Güte und Tapferkeit der Mutter! Und ich weiß auch, wie wir Kinder der Mutter oft Trost und Kameraden und Bundesgenossen waren im Kampfe mit den mancherlei Widerwärtigkeiten. Ach Herzlieb! Es ist ein ganz unbeschreibliches, geheimnisvolles Gewebe zwischen den Gliedern einer Familie. Und mir will dünken – und Gott walte es gnädig – daß unser Leben, unser Bund auf festerem Grund steht, als der unsrer Eltern, auf sicherem, besseren Grunde, den die Eltern uns legen halfen. Daß in unserem Glück ein Traum unsrer lieben Eltern sich erst recht erfüllt. Herzelein! Ganz dankbar wollen wir es empfinden gegen Gott und unsre Eltern. Und unser Reichtum kann uns nicht verleiten zu fruchtlosem Vergeuden, Du!!! Schaffen wollen wir – schaffen will ich mit Dir, geliebtem Weibe! Weiterbauen! Gut und fest! Zu Gottes Ehre! Und in unseren Herzen leben wieder Träume und Sehnsüchte – so wie in unseren Eltern! Noch höher hinaus? Noch besserer Grund?

Ach Herzelein! Liegt alles in Gottes Hand! Und nichts Besseres auf dieser Welt, als ein gutes, festes Herz – so wie es uns[e]re Eltern schon haben.

Unsre Mutter ist mit uns Kindern gegangen, ist mit uns gewachsen noch, und hat uns so immer fest an der Hand gehabt. Sie hat zu uns nie von der Liebe gesprochen – sie hat mir, auch nicht im Scherz, nur nie eine Anspielung gemacht – und sie hat doch ins uns Kindern das Verlangen nach dem Weibe auf geheimnisvolle Weise genährt.

Was aus Mutter aber noch so leuchtet, das ist die Gewißheit des Glaubens. Rechter Glaube führt zu wahrer Herzenströstlichkeit. Auch zu diesem Glauben hat sie das Leben geführt – und wir Kinder haben mitreugen [sic] helfen – und sind dieses Glaubens nun teilhaftig.

Herzlieb! Geliebtes Weib! Du hast Mutters Segen! Und mit diesem Segen bin ich ganz Dein! Ganz Dein! Hat sie mich Dir gegeben – mich Dir überlassen – und nun ist zwischen ihr und mir und Dir ein Wünschen und Wollen – Segen – und damit bist auch Du ihres Innersten Vertraute, bist ihr Kind, ihre Tochter! Hast Du Mutters Zeilen gelesen? Wie sie sich mitfreut an unserem Glücke? Du!!! Du!!!!! Herzelein! Worum könnten auch Sorge und Freude mehr kreisen als um das Glück der Kinder? Herzlieb! Die Liebe und Zustimmung unsrer Eltern macht unser Glück noch größer – macht die Geborgenheit von Herz in Herz noch tiefer. Und so wie Du im Herzen meiner Eltern bist – so bin ich in denen Deiner Eltern. Herzl[ie]b! Ich bin so froh darum! Sooo froh! Es lag mir sooo viel daran! Von Anbeginn – ein Verhältnis zu ihnen zu finden – einen Zugang zu ihren Herzen. Ich habe ihn – ich habe ihn! Nicht über den Verstand, über geistreiche Gespräche – ich habe ihn durch die Liebe zu Dir! Weil ich Dich sooo sehr liebhaben muß – müssen die Eltern sich nicht mitgeliebt fühlen? Deine Mutter? Ich liebe ihr Kind, an das sie all ihre Liebe wandte. Dein Vater? Du bist sein Stolz – und bist er meine – Du!!!

Herzlieb! Gott im Himmel erhalte sie uns noch recht lange, die lieben Eltern! Und er erhalte die schöne Eintracht. Und wir wollen sie weiterpfla[nze]n als ein kostbares Vermächtnis.

Geliebte! So reich ist unser Glück. Laß es uns Gott befehlen! Sonst wird es uns zu schwer. Er behüte Dich auf allen Wegen und schenke Dir recht bald wieder volle Gesundheit!

Halt Dich brav! Geliebte!!!

Du! Herzensschätzelein! Ich bin so glücklich mit Dir! Und Frohsein ist mit mir auch hier in der Ferne. Du bist bei mir! Bist mir so nahe! Du hast mich sooo lieb! Ich schätze mich sooooooooooooo reich und glücklich, Deine Liebe zu besitzen! Herzenskönigin! Märchenprinzessin! Herzlieb! Du!!! Bei Dir ist alle Wonne, alle Seligkeit, reichste Erfüllung! Und ich darf dein Märchenprinz sein! Und ich will Dir der allerliebste sein – will Dir heimkehren! will zu Dir kommen, Du!!! will Dich küssen! und ganz innig fest und lieb umfangen!  Will Dich ganz, ganz sehr liebhaben und Dich glücklich machen – Du!!! Du!!!!! und Dich erlösen! Geliebte!

Ich bin Dir ganz verloren! Bin ganz Dein! Ewig Dein [Roland]!!!

 

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946