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[OBF-411106-002-01]
Briefkorpus

Donnerstag, am 6. November 1941.

Herzensschätzelein! Geliebter!! Mein lieber, liebster [Roland]!

Noch immer ist es grau und trübe draußen, es ist gerade, als brodelte die Luft wie im Kochtopf. Schrecklich, zum Ersticken für mich, wenn ich hinausgehe. Dazu regnet es ganz fein und gefriert sofort. Wenn es doch bald besser würde mit dem Wetter! So zeitig schon Winter, das ist nicht gut. Die vielen Bauern, die ihre Kartoffeln noch in der Erde haben! Aber wir Menschen können nichts dazutun – wir müssen ganz geduldig warten, bis es wieder besser wird.

Es ist gerade, als wolle unser Herrgott die sündige Menschheit auch hier strafen – ich kann mir nicht helfen, ich nehme auch das als einen Fingerzeig Gottes.

Die Menschheit dünkt sich ja heute so erhaben gegen alles, was die Natur uns schenkt. Sie glaubt für alle Dinge einen Ersatz gefunden zu haben, einen guten und gleichwertigen Ersatz! Das spürt man am eignen Körper, wie viel das Künstliche taugt! Weh uns, wenn sich auch noch die Natur von uns abwendet – gegen uns antritt! Bis in's kleinste muß der Mensch gedemütigt werden, muß er vor Augen geführt bekommen: über allem, hinter allem und in allem ist Gott! Erkenne ihn an du armer Mensch, der du dich erhaben fühlst in deiner Macht. –

Herzelein! Wie es mir heute geht? Ein wenig besser! Der Schnupfen und Husten ist noch arg; aber ich habe vorhin die Temperatur gemessen und stellte fest, daß sie ganz wenig nur über dem Normalstand liegt. So eine Erkältung hat seine Zeit, man muß nur auch hier Geduld haben. Und ich habe es ja sooo gut zuhause! Ich kann mich schonen wie nur möglich. Ich zwinge mich doch zu nichts. Was jetzt liegen bleibt, das hole ich später nach. Das wäre etwas andres, wenn ich beruflich tätig wäre, na – dann käm' mich meine kleine Unpässlichkeit wohl härter an. Du!! Liebster! Mußt' Dich auch wirklich garnicht sorgen um mich. Ich tue alles, um so bald wie möglich gesund zu werden! Und ich werde schon aufpassen, daß das meine einzige und letzte Erkältung diesen Winter bleibt!

Ja – wenn ich meine liebe, große Wärmflasche da hätte, dann passierte wohl garnichts dergleichen! Nur leider – leider – die 'Gummine' ist nicht so zuverlässig!!! Du!! Wenn ich Dich jetzt bei mir hätte, da würde ich Dich doch gleich mal ganz fest an mich drücken, Du!!! Sollst mal sehen – gleich wär' ich gesund.

Du! Ich muß doch wirklich feststellen, daß ich viel mehr Schmerzen habe, wenn ich krank bin und Du bist nicht bei mir, Herzlieb! Es ist schon so, die Beruhigung, die von Dir ausgeht – die Geborgenheit, die ich dann empfinde, die geht bis ins Blut über. Und wenn Du mir ferne bist, wenn ich liebend und sorgend Dein denken muß, dann spüre ich die Unruhe auch im Blut. Ach Du! Zwischen uns ist doch nur alles ganz gut, wenn wir beisammen sind! Du!!! Wie schön, wie herrlich schön wird es sein, wenn Du erst für immer bei mir sein kannst. Wenn wir alles miteinander erleben, die Stille – die Tage des Entspanntseins; und auch den Sturm, da sich uns[e]re Liebe jubelnd himmelan schwingt, zu den Silberwölkchen am Glückshimmel, Du!!! Da sie überströmend aufsteigt aus den Tiefen unsres Wesens, zu hellem, strahlendem Bewußtsein, zu wunderseligem Klingen und Läuten. Oh Du!! Du!!! Geliebter!!!! Unsre Liebe, sie geht immer mit uns – immer! Sie brennt in uns heiß und stet. Und sie entzündet sich immer aufs neue hell, ganz hell am anderen! Mein und Dein ist eines – schenken und beschenkt werden, beglücken und beglückt werden ist eines. Du!!! Du!!! Die Liebe selber aber, die uns so beherrscht, sie ward uns ins Herz gesenkt von Gott! Und daß sie uns so reich erblühte, daß wir einander fanden, das ist Geschenk Gottes! Geliebter! Du sagst es mir immer wieder, zu meines Herzens Freude, zu meinem höchsten Glück!: „Du entdecktest die Quelle des Glückes! Glückbringer mein! Unschätzbar köstlich ist mir Deine Liebe, Du!!! Sie erfüllt mich soooo ganz!“

Oh Geliebter! Mein Herzensmannerli! Mein!!!!! Gott im Himmel bleibe uns gnädig! Er halte uns dankbar und demütig im Glücke!

Wer neben mir ist noch so von Herzen glücklich und selig froh, wie die Kinder es sind, neben seinem Lebensgefährten? Oh Du! Nur Du!! Nur Du!!! So köstlich und selten ist unser Liebesglück! Du!!! Wir wissen es ja so genau! Und die Umwelt läßt es uns nur immer deutlicher erkennen, wie wir beiden  Glückskinder auf einer Insel allein stehen – unangefochten, gewiß, stark und mutig, unser Glück zu verteidigen bis auf's letzte. Du!!! Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!! Ich liebe Dich! Oh – ich liebe Dich!!! Und nun weiß ich zutiefst beglückt, daß es auch Dein Herzenswunsch ist, Geliebter, wenn wir einst diese, unsre innige Liebe krönen wollen, Gott sei unser[e]m Wollen gnädig. Nur im Kindlein findet all unser heißes, tiefes Lieben Ausdruck. Und ich bin so voll dankbarer Freude, daß wir uns in dieser großen Lebensfrage verstehen, mein Herz! Auch Dein Wille ist es, mich mit dem höchsten, dem kostbarsten zu beschenken, das Liebende sich schenken können: das Kindlein. Meinem Schoß willst Du es anvertrauen, mein Herzensmannerli! Du!! Ich bin sooo glücklich! Und nur Du bist der Auserwählte, der in meinem Leib das Leben anzünden darf – nur Du! Weil ich nur Dich allein soo liebe! Ganz fest wollen wir dann einander halten, umschlingen. Zusammen tragen und hoffen und warten und glücklich Pläne schmieden in die Zukunft zu dreien! Du!!!

Ach, ich weiß es ja schon heute! Du wirst mich lieben auch in dem Kindlein, das Du mir weihst, das ich Dir schenke. Du!!! Deine Liebe wird von einem zum andern gehen – und wird doch desto inniger auf mich zurückstrahlen. Und mir wird es ebenso ergehen: alles Mutterglück wird meine heiße, drängende Liebe zu Dir läutern und klären, wie ein großes reines Feuer wird meine Liebe Dich und unser neues Leben umfassen; und wie nie zuvor im Leben werde ich mich Dir verbunden fühlen, im Leben wie im Tode; denn das Kindlein, das ich Dir gebäre, ist Leben von Dir, Fleisch und Blut von Dir, wie auch von mir – unlösbar verbindet uns ein Kindlein einander, noch viel sichtbarer wird dann unser heiliges Bekenntnis zueinander. Du!! Ich will dem Kindlein so viel Liebes und Gutes mitgeben, so viel ich nur habe. Dir zur Freude!! Du!! Aber das könnte ich vielleicht nur in so reichem Maße, wenn Du in der Zeit der Hoffnung um mich bist, wenn Du mit Deiner zärtlichen Liebe alles in mir, alles Gute und Schöne immer wieder anrufst und rege machst! Ach Du!! Welch ein weiches, warmes Bettlein soll unser Kindlein haben, worin es geborgen ruht! Du und ich, wir wollen unsere besten Kräfte daransetzen, es ihm zu bereiten. Du!!! Mitten aus einem tätigen Leben in glücklicher Zweisamkeit, so wünsche ich mir, möchte unser Kindlein geboren werden. Oh Geliebter! Welch ein Strahlen und Leuchten dann im Kreise, wie vom lieben Lichterbaum! Oh helfe uns Gott zu diesem Glück! Er lasse Dich bald, bald für immer heimkehren!

Ach Herzlieb! Heute nacht träumte mir, Du seist bei mir und ich vertraue Dir an, daß wir ein Kindlein bekommen. Das war so sonderbar, so wunderlich – ich habe garnicht in Deinem Briefe gelesen gestern, der mir so lieb vom Erleben eines Kindleins erzählt. Aber jetzt fällt mir ein, als ich auf dem Sofa lag und meinen Rückenschmerzen nachdachte [sic], die sich so sonderbar nach dem Leib zogen, da dachte ich: ob es wohl möglich ist, daß eine Frau schwanger ist, trotzdem sie ihre Regel hat? Der geringe Blutverlust und die argen Schmerzen machten mir Bedenken. Aber diese Komplikation in der Regel, ist wohl auf den allgemeinen Krankheitszustand des Körpers zurückzuführen, gewiß. Du!! Du!! Du mußt doch gleich erschrecken, wenn ich so daherrede, Herzlieb! Du!!!

Aber – im Traum, da hast Du mich mit einem unbeschreiblichen Blick angesehen und in Deine Arme geschlossen, Du! Und ich habe ganz deutlich Deinen innigen Kuß gespürt, so deutlich, daß ich aufwachte, Du! Ich weiß nicht, wie spät es war. Ach Herzlieb, Du!! Die Sehnsucht nach Dir ist schon groß! Mein [Roland]! Wenn ich an solch Kindlein denke, dann muß ich weiterdenken, daß es nicht immer leicht sein wird und nicht immer wird's glatt gehen mit der Erziehung; es ist eine Lebensaufgabe, eine Lebensarbeit ist es, die wir damit in Angriff nehmen, die uns große Verantwortung auferlegt und Sorge über viele Jahre. Von der aber auch reiches Glück kommen wird, Du! Und wie Du selber sagst in Deinem lieben Boten: diese Zeit läßt uns selbst wachsen und bereichert uns, sie führt uns einander zusammen wie keine andre.

Und mit Gottes Hilfe, Dich an meiner Seite, da will mir nicht bangen davor. Wir werden manchesmal Gottes Hilfe und Segen erflehen müssen! Und unsre Lebenskameradschaft wird sich manchesmal bewähren müssen. Du! Geliebter! Und ich will all diese zukunftsträchtigen, schönen Gedanken beschließen mit Deinen Worten, die mir aus ganzem Herzen kommen: „ich kenne kein größeres Glück, als Dich an meiner Seite zu fühlen, als bei Dir Zuflucht und Halt zu suchen und Dir Zuflucht und Halt zu sein!“ Und ich werde Deine Hilfe nie verschmähen, Geliebter! Ich werde glücklich sein mit Dir am gemeinsamen Werk. Freud und Leid, wir müssen sie teilen aus Liebe! Du! Aus Liebe geschieht alles!

Mein geliebtes Herzelein! Nun soll die Feder ruhen heute, meine Augen sind müde, der Schnupfen ist noch zu arg. Aber meine Gedanken, Geliebter! Die halten Dich ganz fest!! Ganz fest! Sie ziehen Dich heim, heim zu mir! Du bist in meinem Herzen!

Mein Ein, mein Alles! Mein Sonnenschein! Mein Leben! Du mußt mir heimkehren! Ich warte Dein! Zu unvergänglicher Liebe und Treue!

Du!! Du!!! Deine [Hilde]

Deine Holde, ganz Dein!

Der Herrgott schütze und behüte Dich mir, mein [Roland]!

Schon zwei Tage bleibt Dein lieber Bote aus, ob er morgen kommt?

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946