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[OBF-411104-001-02]
Briefkorpus

[Saloniki] Dienstag, den 4. November 41

Herzelein Du! Mein liebes teures Weib!

Ein klein wenig mehr Geduld hätte das Mannerli nur haben dürfen: heute kam doch der liebe, liebe Bote vom Montag, den ich vermißte. Er war beklebt hintendrauf mit so putzigen Formen, daß ich erst argwöhnte, er sei geöffnet worden. Aber, die Formen ablösend, erkannte ich doch Dein bekanntes, braunes Klebepapier. Herzlieb! Dein Bote ist so lieb. Soo lieb!!! Du! Du!!! Dem Mannerli ist doch so warm geworden beim Lesen, Du!!! So nahe bist du mir! Du liebst mich, Herzelein! Oh Du! Du!! Verstehst mich so ganz!  Bist doch ganz zu Hause in meinem Herzen! Ob mein Schätzelein denn wieder ganz gesund ist, es geworden ist noch vor den bösen Tagen, daß nicht ein Übel zum andern kommt und verstärkt? Herzlieb! Sei Gott mit Dir!

So kalt und winterlich ist's schon zu Hause. Es will mir manchmal scheinen, als würden unsre Winter immer länger und bärbeißiger. Und nun kann ich mein liebes, liebes Herzelein nicht einmal wärmen. Du! Weißt wie gern ich es täte? – – – Du! Ob sie noch taugt, Deine Wärmflasche? Nun, ich habe noch nicht not, Reklame zu schlagen, ja? Schätzelein?! Du!!! Will Dich lieber, will lieber gleich an Ort und Stelle überzeugen! Und wenn sie wirklich einen Schaden genommen hätte, hier im sonnigen Süden, aus der Übung gekommen wäre, so würde ich gern auf Dein hochherziges Angebot vom „Funktionieren, bis es klappt“ zurückkommen.

Du! Du!!Wenn das Feuer wirklich eingeschlafen wäre – bei Dir wacht es doch auf, springt auf – bei Dir fängt doch das Mannerli gleich Feuer und brennt an – vor lauter Herzensliebe! Du!!!!! !!!!! !!! Dein [ein Wort unleserlich] darf ich sein! Oh Geliebte! Ich darf mich sorgen um Dich! Du kommst zu mir!  Du wirst mein Vertrauen immer suchen – und ich das Deine! Oh Herzlieb! Dein Vertrauen ist mein köstlichster Schatz! Oh Du! Nie werden wir einander fallen lassen. Was wäre dann diese Welt noch, die Zukunft, das Leben? – Ohne unsre  Liebe? – Oh nein, nein! – Ich muß Dich festhalten! Ganz fest, Du!!!!! Herzlieb! Ich bin Deiner Liebe so froh gewiß – bin unsrer Liebe so froh.

Und Du bist es auch! Herzlieb! Du!!!

Weißt, die Liebe, wie sie zwischen uns ist, sie hat etwas Zeitloses – sie gemahnt an die ehernen Bahnen der Sterne. So, wie wir zueinander in Liebe entbrannten, so andere Paare schon vor hundert und tausend Jahren vor uns. Deine große Liebe ließ dich so sicher und gerade gehen. Oh Herzlieb!  Sie zwingt doch alle Widerstände nieder – sie sucht nur nach dem geliebten Wesen – sie hilft alles überwinden – und wenn sie erfüllt ist, dann sind wir ganz eins mit uns. Die Liebe beherrscht uns. Auch Dein Mannerli stand am Scheidewege – damals. Und indem es einschlug in Deine Hand, ergriff es die eine der Möglichkeiten, ließ es die anderen fallen, ließ damit auch Wunschtr[äu]me und Lieblingsgedanken fallen – aber Herzelein – noch nicht einen Augenblick habe ich bereut, Du!, noch nicht einen! Über den Reichtum der Liebe kann kein andrer Reichtum. Die Liebe überglänzt und überstrahlt alles. Die Liebe läßt uns ganz mit uns eins werden. Sie löscht jeden Neid aus, verhindert jeden Seitenblick. Herzlieb! Und ich bin dessen froh gewiß: so wie mich Deine Liebe, unsre Liebe, ganz erfüllt, so auch Dich – erst recht. Du bist nicht unzufrieden, fühlst dich nicht der Freiheit beraubt, fühlst Dich nicht verkürzt in Deinen Rechten, nicht gehemmt und gehindert an besseren Möglichkeiten, an Chancen. Du fühlst Dich so glücklich wie ich mich fühle!  Bist so wie ich ganz eins mit Dir. Oh Herzlieb! Was ist das – eine Chance –– eine Möglichkeit des Glücks, eine Aussicht. Wir haben aber das Glück, wir haben es schon und haben es fest – Du!!! Du!!!!! Echtes lauteres Glück!

Und Herzlieb! Du!! Miteinander standen wir schon am Scheidewege – weißt Du es? Weißt Du wie? [Wir] Standen miteinander schon wieder vor der Wahl zwischen Weite und Tiefe des Glücks. Weißt Du es? Unser Kindlein! Du!!! Du!!!!! Und das Mannerli hat sich von dir führen lassen zum Urquell des Glücks. – Geliebte! Geliebte!!! – im Kindlein ist der Liebe letzte Erfüllung, der Liebe Krönung, ist des Glückes letzte Tiefe – oh ja – letzt]e Tiefe, Wundertiefe. Und da ich es nun schaue mit Deinen Augen und erkenne – nun bin ich doch überglücklich, daß Dein Herzenswunsch die Krönung unseres Glückes ist! Geliebte! Womit könntest Du mir besser diese treue Liebe erzeigen als mit diesem Wunsche? Alles ist in diesem Wunsche: letzte Hingabe, unendliches Vertrauen, Wollen zum letzten Einssein, schönstes Weibtum, Beweis letzter Treue und tiefster Empfindung –– Liebe! unendliche Liebe!!!!!

Oh Herzlieb! Ich erkenne sie! Du! mein allerliebstes Weib!

Du hattest Dich schon entschieden – Glücksucher, Schatzgräber, Du! Goldherzelein! Du! Du!!!  Willst des Glückes letzte Tiefe, Wundertiefe – sie ist in der Liebe zum Manne und zum Kindlein. Du willst Deine Anker werfen im Meer des Glückes, wo es am tiefsten ist.

Und ich mit dir! Geliebtes Weib! Ja Du! Du!!Ich mit Dir!!! Herzlieb! Ich habe mich entschieden, Dein Herzenswunsch ist auch der meine. Es war keine schwere Entscheidung Ich glaube, daß unser gemeinsamer Weg ganz von selber dahin geführt hätte – ich hätte doch auch ein Kindlein von Dir haben wollen. Vielleicht später, etwas später. Und ich erkannte noch nicht so klar die Größe dieses letzten Schenkens. Aber nun schaue ich es mit Dir! Ach Herzlieb! Was mich hinderte an diesem Blick, das war die Liebe zu Dir, die eigennützige, eifersüchtige – und der Wunsch, mit Dir allein zu gehen und noch zusammenzuhaben mit dir, eine Weile noch ganz freizügig zu sein mit meinem Lebenskameraden, ganz unbeschwert mit ihm noch viel Schönes zu schauen. Ach Herzelein! Der Gedanke an ein möglichst ungestörtes „Genießen“ lag mir bestimmt fern. Aber ich weiß nun: all das Glück des Schauens und Erlebens reicht nicht an das Glück der Krönung unsrer Liebe – Herzlieb! Du und ich, wir sind bereit. Und wenn Gott uns wird für immer zusammenführen – Herzlein – dann können unsre Herzen sich finden in dem letzten Wunsche, jeden Tag. Du!!!

Herzlieb! Du! Du!!! Hast mich so soooo lieb! Und bist ein Weib, das man, das ich so liebhaben muß, sooooooooooooo sehr! Und daß ich Deine Liebe besitze – oh Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Herzlieb! So wie du bist – Du möchtest noch so frei schreiten können, die ganze Welt möchte Dir offen stehen – du müßtest doch nach dem Grunde suchen des Glückes, müßtest nach dem Schatze graben, nach dem Golde, müßtest schürfen nach dem lauteren Golde ersten Glückes. Glückbringer, Schatzgräber, Goldherzelein! Wie liebe ich Dich!!! Du müßtest doch Anker werfen eines Tages! Oh Herzelein Du! Du!! Dein Glück zu sein, Dein Schatz, Dein Gold, Dein Ankerplatz, der tiefe Grund und Bronnen [sic] Deines Glückes möchte ich sein – nichts weiter, nichts sonst, Du!!! Du!!!!! Deines Glücksehnens letzte Erfüllung Dir sein – so wie du mir letzte, trauteste Heimat!

Du!!! Du!!!!! Leb wohl! Gleich geht die Post! Ich bin sooooo froh, sooooooooo glücklich, Du!!!

Mit Dir! Mit Dir! Du!!!!! !!!!! !! Wie Du es auch mit mir [bist]!

Ich liebe, liebe Dich, Du!!!

Gott behüte Dich!

Ewig Dein [Roland]

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Einordnung
Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.411104-001-02b.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

Gesendet am
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946