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[OBF-411104-001-01]
Briefkorpus

[Saloniki] Montag, den 4. Nov. 1941

Mein liebes, teures Herz! Holde, Geliebte mein!

Herzensschätzelein! Eine Frage zu Anfang. In Deinen Daten geht es ein wenig durcheinander jetzt. Ich habe Deine lieben Boten vom Freitag, Sonnabend, Sonntag und heute kam der vom Dienstag. Auf dem Freitagboten steht Sonnabend, den … . Hast Du auch am Montag geschrieben? Damit ich recht aufpasse, daß sie alle ankommen. Soll doch keiner verloren gehen, Herzlieb!

Deine ganze Woche ist wieder dicht besetzt – über Sonntag winkt wieder Besuch – mein Herzlieb sehnt sich nach Ruhe – und hat keine Zeit zu ruhen. Herzlieb! Worum ich mir jetzt den Kopf zerbreche und die Tinte verschreibe, das ist schon vorbei und geb's Gott, bist Du wieder ganz wohl. Aber für alle künftigen, ähnlichen Fälle: Wenn es gilt, Herzlieb, hast Du Zeit zum Ausruhen mit einem Ruck!!! Hörst Du mich? Geliebte!!!!!

Du wirst mich hören und mir folgen, Herzelein! Du!

Ich will Dir auch folgen, mein liebes Hausmütterchen! Du! Ich habe doch heute schon damit begonnen. Wolle habe ich gekauft für 6 Paar Socken. Ist sie teuer? Sie kostet 26,00 M. Herzlieb! Was Du zu alledem schreibst, leuchtet mir ein. Und ich bin doch sooo froh, daß ich in meinem lieben Weibel auch eine tüchtige Hausfrau gewann. Du! Sooo froh bin ich darüber. Wenn ich darüber noch wenig [sic] Worte gemacht habe – denk nicht, daß ich es gering achte. Schätzelein! Daß wir in unseren Berufen auch etwas Ordentliches leisten, das haben wir doch noch gar nicht in Zweifel gezogen. Es ist schon lange her, daß ich Dir schrieb, wie ich Dir viel Tüchtiges zutraue. Und das habe ich doch nun auch erfahren, Herzlieb! Ich müßte wohl lange suchen, ehe ich wieder ein Weiberl fände, daß mit so viel Vernunft, so viel Fleiß und Geschick und mit solchem Feuereifer und solcher Liebe an seine Arbeit geht, und daß dabei doch dieser Arbeit den richtigen Platz einräumt und die Bedeutung dieser Arbeit recht übersieht. Geliebte! Du weißt, daß ich diese Arbeit nicht geringer achte als die meine. Oh Du! Sie ist mehr als die meine Dienst an unsrer Liebe, an unsrer Ehegemeinschaft. Die Sorge um unser Heim, diese vielfältige, vielfältiger noch, wenn Kinder da sind, ist die Sorge mit um die sichtbare Gestalt unsrer Liebe, Sorge um die Form! Und Du hast sehr recht: „Die äußere Harmonie und Traulichkeit fördert die Harmonie der Herzen, ohne Frage“ – und hohe, gute Liebe strebt auch nach Vollendung in ihrer Gestalt, in ihrer Sichtbarkeit, im Heim. Oh Herzlieb! Ich weiß und ahne schon, wie Du mich beglücken wirst, oft, oft! Du!!! Und Du weißt, wie ich mich beschenken lassen will, wie ich um die Gestaltung unsres Lebens mitbesorgt sein werde und Dich in jeder Weise unterstützen. Herzlieb! Du!!! Wie dankbar und wie gern, oh wie gern ich heimkehren werde zu Dir, immer, Du!!!!!

Und ich nehme doch gerne Deinen Rat an. Wenn ich wieder etwas flüssig habe, werde ich mich noch einmal um Stoff für Oberhemden kümmern. Aber dann wird’s gleich genug sein. Ich gebe Dir zu bedenken, daß ich Großeinkäufe keinesfalls tätigen kann. Alles, was ich hier schaffe, ist im Grunde ein Tropfen auf den heißen Stein. Und ich muß teuer bezahlen! Wenn ich heute aus dem Militärdienst entlassen würde, müßte man mir ja beispringen. Und wenn morgen der Krieg glücklich zu Ende geht – so sehr lange kann er nicht dauern, bis wieder etwas Ordentliches, Preiswertes auf dem Markt kommt. Denk nur, wenn dann mit einem Male alle Rohstoffe, diese ungeheuren Mengen!, frei werden für den Zivilverbrauch! Ich kann nicht so schwarz sehen. Und das Geld, das wir jetzt sparen oder verausgaben – es bleibt uns doch.

Aber, Herzlieb, Du sagst recht: Kleidungs- und Nahrungssorgen sind Angelegenheit der Frau, sie ist verantwortlich dafür. Ich lasse mich gern von Dir bestimmten und mir von Dir raten. Und ich werde doch ganz sehr froh sein – wenn Du in diesen Dingen auch bei mir eine feste Ordnung hereinbringst. Und Du wirst finden, daß ich Sinn habe dafür.

Oh Du, ich ahne doch schon, wie ich dann ein ganz verwöhntes Mannerli sein werde in jeder Hinsicht. Vorkochen und vorbacken willst mir – Du! Evchen, verführerisches! – willst Dein Mannerli so dick füttern wie das Hündchen in der Fabel von Wilhelm Busch , das nicht mehr durch die Gitter des Käfigs vom Hundefänger konnte. Aber ich will auf der Hut sein! Will nicht weniger beweglich bleiben als Du selber. Und werde fein auf die Normalmaße achten. Ja, Maße, Du!! 20 Pfunde will ich Dir voraus haben, aber mehr nicht. Und wenn Du Dein Mannerli auf 150  sehen willst, muß mein Weiberl mit auf 130! Wo Du diese Pfunde unterbringen willst, das soll ganz Dir überlassen bleiben! Du!!

Na, darüber bin ich beruhigt: mein Herzlieb ist kein Kostverächter – und wenn mein Appetit sich nach dem Deinen richten müßte, würde ich nicht verhungern.

Herzlieb! In dem lieben Boten, der heute mich erreichte, gibst Du mir Antwort auf mein Fragen, Antwort, die mich ganz froh und glücklich macht, Antwort, die ich nicht anders erwartete, so wie ich Dich kenne. Und ich glaube Deinen Worten. Herzlieb! Du!!! „Ich tauge nicht für die Welt da draußen – mein Glück blüht im Verborgenen.“ „Einem rechten Weibe liegt mehr am Herzen, einem engen, kleinen Kreise Erfüllung zu sein.“ Geliebte!!! In diesem Bekenntnis liegt so viel Reife und Ehrlichkeit, und in diesem Bekenntnis erkenne ich Dich ganz wieder so, wie in Deinem Herzenswunsch nach einem Kindlein. Ich erkenne darin den Reichtum und die Tiefe Deines Herzens – und erkenne ganz glücklich darin das Wesen meines geliebten Weibes, das mir so verwandt ist!!! Das Wirken im weiten Kreise prägt sich wohl am deutlichsten aus im Leben der Künstlerin. Sie kennt nicht die Innigkeit, Traute und Heimlichkeit der Zweisamkeit, kann den tiefsten und weiblichsten Regungen der Mütterlichkeit nicht Raum genug geben, weil der große Kreis ihrer Verehrer und viel Liebe beansprucht.

Es ist wirklich die große Entscheidung im Leben, ob wir in die Tiefe oder Weite wirken wollen, eine Entscheidung, die ehrliche Selbsterkenntnis voraussetzt. Der Dank, der einer Schwester aus den Augen ihrer Pflegebefohlenen leuchtet, mag ebenso groß sein wie das Glück, das einer Mutter aus dem Auge ihres Kindleins strahlt – aber sie sind verschieden, und kein Zweifel: das Mutterglück ist tiefer, wundersamer, weiblicher.

Oh Herzlieb! Ich bin so froh, daß Du darin mit Dir selber ganz eins bist. Du bejahst Deinen Weg aus tiefstem, freudigstemn Herzen. Und Du erkennst froh Gottes Spruch in Deinem Geschick. Und damit bejahst Du doch unser Glück, unsre Liebe! Wie hättest Du anders gekonnt? Herzelein, Du, Geliebte, mein Weib! Deine unendliche Liebe, Deine Herzensgüte, Dein einfältiges, gläubiges Herze –sie taugen nicht für die Welt da draußen – aber sie taugen, ein Mannerli ganz glücklich zu machen, ihm den Himmel auf Erden bereiten, es ganz innig zu lieben, ihm ein unersetzliches Weib, und einem oder mehreren Kindlein eine Mutter zu sein, eine gute, rechte. Geliebte, Du! Du!! Ich soll das Mannerli sein, das überglückliche, überreiche? Oh Du! Du!!!!! !!!!! !!! Oh Herzlieb! Du!! Unsre Liebe zueinander ist ja so tief, so eigensinnig, wundersam und heimlich, so eigennützig noch und ausschließlich – Du! Du!! Ich muß Dich ganz besitzen! Du mußt mir ganz gehören! Ich will nur ganz allein in Deinem Herzen sein – und Du? Du?!!! Du?!!!!! !!!!! !!! „Ich muß alle meine Kräfte nur an eines verschwenden! Muß alles, was in mir ist, nur an einen verschenken“. Und ist es richtig, wenn ich fortfahre? – Will ganz allein thronen im Herzen des geliebten Mannes. – Oh Herzlieb! Du bist so wie ich!!! Du kannst mir Heimat sein, Du allein! Wir können einander beglücken, ergänzen, einander ganz nahe kommen. Oh komm an mein Herz! Nimm Wohnung darin! Füll es ganz aus – dann bin ich ganz glücklich – Du!!! Herzlieb! Du mußt zu Dir mich neigen wie ich mich zu Dir! Du mußt so in mich dringen wie ich in Dich! Du mußt Dich so ganz verschenken an mich wie ich mich an Dich! Und damit weist uns das Schicksal eine ganz besondere, hohe Aufgabe zu: im engen Kreise zu wirken, ein Eigenes darzustellen, gipfelnd in unseren Kindern. Dieses Wirken im engen Kreise gibt Raum allem Hohen, Edlen und Himmelsweitem trotzdem – und am köstlichsten ist es wohl, wenn es in seiner Wärme, Traute und Tiefe den Gegensatz bildet und hinweist zu der Größe, Weite und Majestät des Göttlichen.

Oh Herzlieb! Du allein magst ermessen wie glücklich Dein Mannerli ist, wie reich! Laß uns Gott danken für dieses Glück! Laß es uns ihn weisen! Er segne unseren Bund! Er behüte Dich auf allen Wegen!

Das ist Gottes Segen: Einssichwissen mit seinem Willen. Und das ist Menschenglück: Sich eins wissen mit seinem Geschick. „Um nichts in der Welt tauschte ich mein Leben ein, so wie es ist mit Dir!“ Oh Herzelein! Du hast mich so unsagbar lieb! Und Dein Mannerli will doch gar nicht zurückstehen. Es wankt und weicht nicht von Deiner Seite. Es läßt Dich gar nimmer frei! Es hat noch mit keinem Atemzug eine Reue verspürt. Aber es gewinnt Dich täglich lieber und verwächst mit Dir immer inniger!

Oh Herzelein! Ich liebe Dich! Ich komme zu Dir mit allem, was ich bin und habe. Du allein kannst mir Wohnung sein. Du bist mir ganz Erfüllung! Mein Glück und Sonnenschein! Geselle mein und Seelengeschwister! Mein Weib, geliebtes, einziges Weib, zu dem mein ganzes Wesen sich neigt und drängt, wundersam, geheimnistief – Ich liebe Dich! Sooooooooooooo sehr! Du! Du!!!

Ich bleibe ewig

Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946