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[OBF-411103-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 3. November 1941.

Mein geliebtes, teures Herz! Du!!! Herzensschätzelein!!

Du! Ich fühle mich heute so richtig schuldig! Gestern habe ich nicht an Dich geschrieben, Herzlieb. Wirst Du mir böse sein? Ach nein – Liebster Du!! Bitte!! Sieh, jetzt ist es 10 Uhr am Vormittag, eben ist der Vater heim, der die liebe Mutter an den Zug brachte. Mich hat sie nicht mitgenommen, weil ich so erkältet bin und weil ich heute mittag mit meiner Mutter nach Chemnitz zum Arzt fahren soll. Vielleicht kann er mir eine gute Arznei verschreiben. Ich bin nun eine Woche geplagt mit meiner Heiserkeit, und Husten und Schnupfen kamen noch hinzu, noch ist keine Besserung da. Gestern habe ich gedämpft, gegurgelt – nischt zu machen. Nun will ich mit dem Arzt mal reden, was ich tun soll. Herzlieb! Diese Stunde vor dem Mittagbrot richten, will und muß ich benutzen, Dein zu denken. Du!! Sollst nicht gar so lange auf mich warten müssen. Und wenn wir das heute hinter uns haben mit Chemnitz, dann treten ruhige Tage ein, ich hoffe es – dann bin ich wieder ganz nur für Dich da, mein Herzelein! Ach, ich sehne sich schon so herbei, die stillen Stunden mit Dir allein. Du!!!

Geliebter! Mußt Dich nicht sorgen um mich! Ich bin vernünftig und bedacht auf meine Gesundheit! Alle behüten mich ja auch hier! Und ich will den Frost so bald wie nur möglich herauskurieren. Am Mittwoch, wenn's nicht besser ist, kann ich eben auch keine Kinderschar halten. Die liebe Frau G. geht ja auch nicht über ihre Kräfte. – Es ist ja auch kein Wunder, daß man krank wird. Mit dem raschen Witterungsumschlag kommt der Mensch garnicht mit. 6° Kälte herrsche, Fenster sind gefroren, die Wege schon vereist. Und heute früh schneit es, was vom Himmel kam. Die Mutter staunte schön! Als sie in K. wegfuhr, lag dort keine Krume Schnee. Mutsch und ich sagten uns: daß wir gleich heute noch unser[e]n Gang erledigen, dann haben wir die ganze Woche Ruhe.

Du! Seit ich Dein schönes Fellchen habe, friere ich garnicht mehr! Ich ziehe meinen schwarzen Wintermantel an, weißt? der schon ein bissel graues Fell hat! Und darüber hänge ich die Pelerine, das sieht so gut aus – und ist soo warm! Es geht ganz fein, der neue Mantel fehlt mir nicht, jetzt.

Herzlieb! Heute will ich auch mit dem Arzt reden, wegen Mutsch. Ich schreibe dir alles, was er mir sagen wird. Deine liebe Mutter möchte es auch wissen. Die beiden Mütter haben sich ausgetauscht – ich bin so froh darum. Ach, es war so schön, daß die liebe Mutter noch einmal bei uns war, bevor es Winter wird – und gerade in diesen schweren Tagen für Mutsch. Wir haben uns gegenseitig wieder aufgerichtet und Trost zugesprochen, es ist doch zu schön, um ein gutes Verstehen und eine treue Zusammengehörigkeit. Viel öfter müßten wir einmal zusammen kommen können! Na – vielleicht wird das im Frieden auch mal besser. Wir erhoffen doch so viel von diesem Frieden, in allen Dingen; so viele Segnungen erhoffen wir. Wenn man uns nicht mehr enttäuscht! Nein! So nicht! Bange machen gilt nicht! Was auch ringsum geschehe – wir müssen gerade stehn! Vorwärts! Kopf hoch und immer geradeaus. Dann wächst auch der Mut und die Zuversicht, wenn wir richtig bedacht sind auf unseren Weg. Hätte nur jeder Einzelne so gute Vorsätze für sein Leben und Vorwärtskommen, dann wäre das auch ein Segen für das Große Ganze [sic] –wenn jeder auf sich achtet in allen Dingen, dann kann auch die breite Masse nicht aus der Bahn geworfen werden.

Herzelein! Liebes! Wir lassen uns nie und nimmer beirren – wir wissen was wir wollen! Du!!! Ach Liebster! Mein Schätzelein! Daß wir in dieser Zeit so fest zusammenstehen! Das ist ein ganz herrliches Geschenk! Herzensschatz! Gestern kamen doch nach einigem Stocken 3 ganz ganz liebe Boten von Dir an! Oh Du!!! Wie soll ich Dir nur danken dafür, Geliebter?!!

Du bist zu lieb! Bist zu gut! So herzensgut mit mir! Mein Sonnenschein, Du!! Ich hätte doch aufspringen können und laufen – laufen – weit – bis ich bei Dir wäre, um Dir zu sagen, zu zeigen, wie voll Dankbarkeit mein Herz, wie voll Liebe!!! Du!!!!! Du! Mein [Roland]! Gestern abend, als alle schon schliefen bin ich herausgeschlichen – es war schon ganz spät! – und habe mich in die Sofaecke gekuschelt, Deine geliebten Boten in der Hand! Oh Du!! Du!!! Ich konnte ihnen ja nicht wehren, den Tränen der Freude und des Glückes – Geliebter! Geliebter!!! Du beschenkst mich sooooo überreich! Ich habe Deine große, tiefe köstliche Liebe in ihrer unendlichen Seligkeit gespürt, so nahe! Oh – sooooo ganz nahe! Du ahnst ja nicht, was mich dabei bewegt!!!!! Geliebter! Ach! Warum muß ich so arm sein, und nicht in Worte fassen können, was mir das Herz so beben macht, was mich so erschüttert? Ich könnte weinen, weil ich nicht bei Dir sein kann, nur Dir so zu danken, wie ich Dir allein danken kann für alle Deine unendliche Liebe!

Herzensschatz! Wie sie mich trägt, Deine Liebe! Wie sie mich durchsonnt und wärmt! Ach Du! Deine Liebe, sie ist mir das höchste Gut auf Erden!! Mein Herzschlag! Mein Lebensatem! Geliebter! Geliebter!!! Oh mein Geliebter!!! Und ich kann Dir alle diese Seligkeit auch schenken! Wie glücklich bin ich! Du und ich – ein Ganzes! Geliebter!! Oh mein [Roland]! Wie ist unser Leben überglänzt von Sonne! Nichts kann diesen Glanz je gänzlich verdecken! Wolken, vergängliche sind es nur, die uns eine zeitlang die Sicht rauben wollen, manchmal. Du!!! Du!!!!!!!!!! Der Herrgott segne und behüte Dich und unseren Bund! Geliebter! Ich denke voll Liebe Dein! Auf Wiederhören! Du bist allezeit bei mir!

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946