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[OBF-411102-001-01]
Briefkorpus

Sonntag, den 2. November 1941

Geliebtes, teures Herz! Meine liebe, liebe Hilde, Du!

Nun hat er begonnen, der graue November. Trübe ist es auch bei uns heute, schmutzig-trübe der Himmel, grau die See, ein Wind aus fremder, östlicher Richtung. Die Fremde könnte einen leicht erdrücken heute. Aber sie kann es nicht. Ganz fremd ist uns dieses Land, diese Stadt nicht mehr. Wir kennen sie an ihrem Gehabe, ihrem Organismus. Wir haben Teil an dem Lebensgefühl, das sie ihren Bewohnern gibt. Und wir bestimmen es jetzt mit, das Gesicht dieser Stadt. Ich bin nicht allein hier. Um mich her geht das Geräusch der Kameraden. Dieser Ort wurde uns vom Schicksal angewiesen, es liegt an dem Wege meines Lebens, es gehört dazu, ist eine Station daran – und, Geliebte, so hoffe ich mit Dir und bete zu Gott darum, daß dieser Weg denn heimwärts führt, zu Dir! zu Dir!!! Wir müssen hindurch, ja wir müssen auch diese Strecke harten Weges gehen, wenn wir zum gemeinsamen Leben wollen. Und um deswillen wollen wir ihn gehen, hindurch! Hindurch!!! Und Fremde ist hier nicht mehr, weil die Gedanken und Gebete aller Lieben hierherfinden, weil Du, mein liebes, treues Weib, allzeit um mich bist, weil Du zu mir kommst täglich mit Deinen lieben Boten, weil Du mich festhältst über alle Ferne mit der Kraft Deiner wundersamen Liebe!

Und ferne ist nicht mehr, weil ich sie mit mir trage, die Heimat, ihr Bild, weil in mir ihr Mutterherz schlägt – und weil Liebe mit mächtigem Heimverlangen mich Dir verbindet, Geliebte! Wie gerne wäre ich nun bei Dir, mit Dir durch diese dunkle Zeit zu gehen! Oh Geliebte! Wills Gott darf ich sie doch oft mit Dir durchleben, diese ernste, stille Zeit.

Deine lieben Boten künden davon, wie viel Sonne und wärmende Freude in Dir ist – von der Glut uns[e]rer Liebe! Geliebte! Geliebte!!! Ich darf sie nähren, die Glut Deiner Liebe – zu mir drängt alles Sehnen und Verlangen eines lieben, einzigen Weibes – mir erschließt es sein Wesen, öffnet mir sein Herz, zeigt nur mir von Überschwang an Glück und Seligkeit, birgt sich an meiner Brust und nimmt meinen Schutz: Herzlieb! Herzlieb! Wie soll ich es anders sagen? Ich bin überglücklich! Ich halte das Glück in meinen Händen, nach dem tausende vergebens ausziehen.

Wie will ich es hüten! Und festhalten! Und das genügt doch nicht! Wie will ich weiter an ihm schmieden! Herzlieb! Du!!! Dich verglühen machen an Liebe! Dich immer wieder Erfüllen [sic]! Dich liebhaben! Liebhaben! Dich beschenken! Und mit dem Kostbarsten Dich beschenken! Und Dir nahesein! Und immer noch näherkommen! Ganz einssein [sic] mit Dir! Oh Geliebte! Dich ganz aufnehmen in mein Herz und ganz in Deinem Herzen Wohnung nehmen!

Herzlieb! Herzlieb! Ich bin sooo glücklich, daß Du meine Liebe hast, meine ganze Liebe, und daß Du sie fühlst, daß sie Dich erfüllt und durchsonnt. Du! Mein Glücklichsein darüber kann ich Dir doch nur zeigen, wenn ich ganz bei Dir bin. Du! Herzlieb! Wenn ich Dir heimkehre, wenn ich zu Dir komme! Du!!! Du!!!!! Wenn ich komme! Du wartest mein, Du!! Und ich komme! Geliebte. Siehst Du mein Entzücken? Siehst Du es aufjauchzen, das Glück? Nur Du machst mich aufjauchzen und entzücken – nur Du darfst es schauen – kein Mensch sonst auf Erden!

Oh Geliebte! Der sich so sehnte nach Heimat und Geborgenheit und Einssein – Du schenkst ihm reichste Erfüllung! In Deinem Herzen bin ich ganz geborgen. Dir mag ich mich ganz vertrauen! Dir mag ich ganz mein Herz öffnen, Dir mag ich nur zeigen, wie ich bin! Dir mag ich nichts verbergen, nichts vorenthalten. Herzlieb! Von Dir soll nichts mich scheiden. Was mein ist, muß auch Dein sein! Mit Dir mag ich nicht hadern! Nicht grollen. Du sollst mir ja Heimat sein. Und ich will Dir Heimat sein! Oh Geliebte! Ist es wohl auch so selig, so beseligend, einem Mannerli Heimat zu sein wie es mich beseligt, meinem Weibe, meinem lieben Weibe, Heimat zu sein? Oh Du! Spürst Du wie ich die Urgewalt, die Spannung zwischen Mann und Weib? So wundersam, so wonnig, so glückhaft? Oh Geliebte! Wenn ich Dir nahe sein darf, dein Mannerli, das Einzige auf dieser Welt – wenn Du in meinen Armen Dich birgst und Dich an mich lehnst – wenn Du mich mitgehen lässt in Dein Kämmerlein – wenn Du es mir weihst, Dein liebstes, kostbarstes Geschenk – wenn Du Dich ganz mir schenkst, Dich mir hingibst – oh Geliebte! Geliebte!!! Dann fließt es über, das Glück – dann muß auch das Mannerli sich verschenken, Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Ob es nicht auch bei jedem anderen Weibe so wäre?

Geliebte! Geliebte!!!!! Nein! Nein!!! Nie und nimmer!

Du weißt es, Du fühlst es, Du! Du!!, daß ich nur Dir gehören kann, daß ich nur bei Dir so glücklich werden konnte! Dein Herz! Deine Liebe! Du!! bist mein Glück! Herzlieb! Mein Glück ist Herzensglück! Und meine Kraft ist Herzenskraft! Du rufst sie alle hervor, Deine Liebe! Zu Dir drängt sie, so mächtig – verströmen will sie Dir! Dir allein! Oh Herzlieb! Diese Kraft bei Dir und mir, mit der wir einander festhalten, so fest, und treu, und eigensinnig – die wir so mächtig und tröstlich spüren in der Zeit uns[e]rer Trennung – die alle hohen und edlen Gedanken, Gefühle und Strebungen in uns aufruft – die uns mit so schmerzlichem Sehnen erfüllen kann – die uns immer drängt, einander Liebes zu erweisen – die uns anspornt zu frohem, lebensmutigem Schaffen – die in uns den Wunsch mächtig werden lässt, ganz sichtbar zu werden im Kindlein, – diese Kraft, die uns den Mut gibt zu einem Leben Seit['] an Seite und uns aufblicken macht nach Gott – das ist uns[e]re Liebe! Die seltene, mächtige! Herzlieb! Ist gute, reine Herzensliebe!

Herzelein! Herzensschatz! Du!  Sollst es ganz froh und beglückend fühlen: Nur bei Dir konnte ich sie finden! Nur mit Dir konnte sie so erblühen! Du, mein einziges, herrliches Weib! Du! Du!! Weißt Du es, fühlst Du es, wie glücklich ich bin, wie ich Dich lieben muß? Herzlieb! Du sollst ganz ganz erfüllt sein davon, daß Dir meine eigenste, meine Herzensliebe gehört – Dir! Dir!! Dir allein! Daß sie Dir ganz unverlierbar gehört, ganz ausschließlich! Oh Herzlieb! Ich will so, wie Du es mußt, mich nur einmal so ganz verschenken! Ganz einmalig, so unendlich kostbar wie die Deine, soll meine Liebe sein, ein Ganzes! Sie muß es sein, weil ich so bin. Dein! Dein ist sie! Geliebte! Meine [Hilde]! Und Du bist so wie ich, Herzliebes – liebe Seelengeschwister mein – „Ich möchte mit Dir etwas ganz Eigenes darstellen." Geliebte! Geliebte!!! Und wo wollen wir es am besten, am stärksten, am liebsten, Du, Du?!!! In unserem Kindlein! Oh! Helfe uns Gott dazu!

Herzlieb! Du! Unverlierbar ist Dir meine Liebe, und mir die Deine! Wir können die Wege nicht zurückgehen, die zur Herzenstraute führten – wir können nicht zurück, nur vorwärts, zu immer neuer, größerer Liebe – wir können die Spuren uns[e]rer Liebe nicht tilgen – wir können einander nicht vergessen – könnten keinem anderen Menschen noch einmal so ganz gehören – Geliebte! Geliebte!!!

Ins Schloss gefallen die Tür! Gefangen!

Oh Herzlieb! Herzlieb mein!

Schieb noch das Rieglein vor! Seligste Zweisamkeit mit Dir! Oh halt mich fest! Ganz fest!

Glücklichste Gefangenschaft in Deinem Herzen, Deiner Liebe!

Oh Herzlieb! Dein Mannerli liebt die Einsamkeit! Liebt das Eigene, das Seltene! Muß sich immer sondern von den and[e]ren – es ist so! Es kann gar nicht einsam genug sein – muß nun sich einen Bezirk sehen [sic], in dem es seine Eigenheit ausleben kann. Du bist mir gefolgt in die Einsamkeit – Du hast den Mut, Du bist so wie ich. Oh Geliebte! Ich habe Dich entführt in meine Einsamkeit – und Du bist mit mir gegangen, bist mir gefolgt, an meiner Seite gegangen, mein Geselle – und hast mich ermuntert mit Deinen Blicken, mit Deiner Liebe, immer weiterzugehen – Herzlieb! Nun bist Du mit mir in der Einsamkeit – Du! Du!!! Hier in der Stille, in der Heimlichkeit blüht unsre Liebe – hier muß ich Dir mein Herz bringen – hier magst Du mir Dich schenken – Du!! Du!!!!! Kennst Du noch zwei, die so heimlich lieben? Oh Herzelein! Wir sind ganz allein mit unsrer Liebe! Auf einsamer Höhe des Glückes! In uns[e]rer wehrhaften Ritterburg! Niemand ringsher, der mich Dir abspenstig machen könnte, Du!!! Und weit weit dahinten alle, weit draußen, die mir den Rang ablaufen könnten. Ach Herzelein, Du! Du!! Ich weiß nicht, was ich täte, wenn ich Deine Liebe verlöre, meine Heimat – ich weiß nicht, wie ich sie verlieren sollte – aber ein Triumph bliebe mir in der tiefsten Betrübnis, ein Jubel: Ich habe Deine Liebe, Dein Herz besessen! Wie kannst Du mich vergessen! Oh Herzlieb! Du glaubst an meine Liebe. Sie ist Dir Quell aller Kraft und Freude – ist Dir Sonne des Lebens – so wie dem Mannerli die Deine!

Du weißt, wie ich treu sein muß, wie ich liebgewinne! Oh Herzelein! Wie habe ich Dich liebgewonnen! Wie liebe ich die Landschaft Deines Wesens, Deiner Seele – meine Heimat!!! Ich kann sie nie vergessen! Ich muß immer wieder dahin zurückkehren! Ich muß ihr Bild immer bei mir tragen! Ich muß Dir bleiben, muß Dich lieben bis an das Ende meines Lebens!

Und Du bist mein! Geliebte! Ich zweifle nicht daran. Oh Herzelein! Wie hoch macht es mein Herz schlagen, daß ich Deine unschätzbäare, hohe, gute, reine, seltene Liebe gewann! Geliebte! Wieviel Kraft und Selbstvertrauen und Lebensmut schenktest Du mir mit Deiner Liebe! Wenn ich nur bei Dir gelte! Wenn ich nur Deine Liebe behalte!

Oh Du! Wie sehne ich mich, nun bei Dir zu sein, mit Dir allein zu sein in der Abenddämmerung. Herzlieb! Ich halte aus mit Dir! Ich bedenke mit Dir, welch große Gnade uns zuteil wurde! Ich hoffe mit Dir und schaue gläubig in die Zukunft. „Gläubige Menschen sind nie am Ende! Ich glaube mit Dir felsenfest an Gottes Güte!" Oh Herzlieb! Gott sei unserem Glücke gnädig! Er mache uns[e]re Herzen weit für seine Liebe! Er lasse uns nicht müde werden im Ringen um seine Gnade!

Herzlieb! Es ist nun abend 9 Uhr. Wir haben Abendbrot gehalten. Feine Bratkartoffeln hat es wieder gegeben. Ich bin den ganzen Tag nicht aus dem Hause gekommen als zu mittag. Ich war so froh, mit Dir allein zu sein! Ich danke Dir von ganzem Herzen für Dein liebes Gedenken! Herzlieb! Du sollst nicht vergessen, Dich auszuruhen, Dich zu schonen! Sollst auch Deinem Mannerli einmal ein Stündchen abknapsen. Du bist ja mit mir immer, auch wenn Du mir nicht schreibst – ich bin so glücklich darum. Du hast mich so lieb! Du mußt dich so sehnen! Mußt träumen von mir! Liebes Weib! Oh Du! Ich mag nicht sein mehr ohne die Sehnsucht nach Dir! Laß mich in Deinem Herzen wohnen bleiben! Laß mich Dir ganz nahe sein! Laß mich in Deinen Träumen sein, Geliebte! Du hast mich lieb! Hast mich sooo lieb! Ich fühle es! Ich stehe ganz im Banne Deine Liebe! Ich bin so froh, so glücklich mit Dir!

Behüte Dich Gott! Liebes Weib! Ich denke Dein in großer Liebe! In Sehnsucht! Dich zu umfangen! Deine holde Nähe zu fühlen! Dich zu küssen! Dich zu herzen! Mein Herzelein! Oh Du! Dich zu schauen! Mich von Dir beschauen zu lassen! Oh Geliebte! Dir ganz nahe zu sein! Dir all meine Liebe, mein Glück zu zeigen – Dich zu beglücken und zu erfüllen, geliebtes Weib!

Ich liebe Dich! Bin ewig Dein! Ganz Dein [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946