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[OBF-410414-001-01]
Briefkorpus

Ostermontag, den 14. April 1941

Mein liebes, teures Herz! Herzallerliebste, Geliebte mein!!

Endlich, endlich, so sage auch ich dankbar und froh, daß wir uns nun wieder die Hände reichen, Geliebte! Deine lieben Boten vom 3. 5. und 6. April kamen heute zu mir als liebste Osterüberraschung, Du!! Einer, der vom Freitag, den 4. April, scheint zu fehlen. Er wird noch kommen. Ach Herzlieb! Es ist, als ob ich es fühlte, daß wir einander nun wieder viel näher sind, Du!! Und gar nicht so alt ist, was Du mir berichtest. Viel, viel Drasch und Arbeit hat mein Herzlieb, ich sehe und höre es. So viel Abwechslung und Abhaltung vorm Feste! Sie hilft die Zeit verkürzen:[sic]

Das Osterfest ist nun vorbeigegangen. Gestern war uns nun doch festlich zumute: Der Sonnenschein nach den Regentagen, Sonntagsdienst, Bohnenkaffee, Kompott – Deinem Hubo aber dazu soviel echtes inneres Frohsein! Herzlieb!!

Heute ist hier Werktag. Wir sind noch hier, haben noch nicht gepackt und erhielten noch einmal Urlaub. Die beiden sächsischen Kameraden waren durch Wache festgehalten. So bin ich mit dem Frisör losgeschlendert. Es war wieder ½ 4 Uhr geworden. Ich hatte gar kein festes Ziel. Wir gingen zum Bahnhof. Unterwegs wurde Fliegeralarm gegeben. Die Signale sind hier gerade umgekehrt: Der langgezogene Ton bedeutet Alarm, der Heulton Entwarnung. Alle Fahrzeuge blieben stehen, die Menschen traten überall unter, als ob ein großer Platzregen kommen sollte. Wir gingen ruhig weiter. Lange rührte sich nichts – bis dann Motorengeräusche zu hören waren und auch Flugzeuge in Sicht kamen. Es waren deutsche Flugzeuge – kein feindlicher Flieger ist erschienen. Das Wetter war recht günstig – hochliegendes Gewölk, Löcher im Himmel. Man ließ uns nicht ins Bahnhofsgebäude und wies uns von der Straße. Gleich darauf kam die Entwarnung. Auf dem Bahnhof hat Dein Hubo Fahrpläne studiert: Plovdiv – Oberfrohna. Oberfrohna hat er freilich nicht gefunden, aber im übrigen weiß er die Richtung recht genau, er wird sich nicht verfahren, auch vom neuen Platze S. aus nicht, er wird gut heimfinden!!! Vom Bahnhof sind wir weitergeschlendert, haben uns die Beine müde gelaufen, ausgiebig die Schaufenster gemustert – nach Geschenken und Kaufenswertem für mein Herzlieb. Weißt! Deine Schuh – und Handschuhnummer wirst mir mal schicken. Schöne Damenhandschuhe habe ich gesehen. Schuhe gehen ja jetzt auch hier auf Bezugschein – aber für alle Fälle. Die Geschäfte hier sind alle nicht groß. Gute Spezialgeschäfte findet man hier selten. Viele Artikel sind aus Deutschland eingeführt: Uhren (Junghans), elektrische Geräte, Photoapparate, Schuhpasten und -cremen, Radioapparate, Nähmaschinen. Diese Artikel sind zumeist teurer als bei uns daheim – aber sie sind eben noch zu haben. Ganz wenig Möbel – und Ausstattungsgeschäfte sieht man. Viel Süßwarengeschäfte gibt es.

Wir waren zuletzt ganz pflastermüde und haben den Rückzug in unsere Unterkunft angetreten, nachdem wir uns zum Abendbrot ein paar der ersten Früchte – Radieschen – besorgt hatten.

Zum Abendbrot gab es Butterschnitten mit Ei und Radieschen. In Eiern können wir jetzt beinahe baden: Gestern 4 Stück, heute 3. 3000 000 Stück hat die bulgarische Bevölkerung für deutsche Soldaten gespendet.

Ihr verfolgt nun so wie wir die Kämpfe hier auf dem Balkan. Die Armeen dieser Länder hier reichen ja an die unsre gar nicht heran. „Germanski viel Autos"; das war das Erstaunen der Bulgaren beim Anblick der nicht endenwollenden Kolonnen. Die Luftwaffen der Länder hier steckt [sic] in den ärgsten Anfängen. Die Flugzeuge sind zumeist deutscher Herkunft älterer Bauart. Also, der Kampf ist völlig aussichtslos.

Am Sonntag hatte ich auf einem unserem Osterspaziergang ein längeres Gespräch mit dem Kameraden H. Wir sprachen von Zucht und Moral unserer Soldaten. In diesem Gespräch wurde mir eines deutlich: Die deutsche Kriegsführung ist eine bis ins letzte durchdachte und organisierte Kriegsmaschine. Der einzelne Soldat leistet an ihr Dienst wie in einer Fabrik: Dieser dreht eine Schraube an, jener schneidet ein Gewinde – also jeder einzelne nur einen H bestimmten Handgriff mit möglichst großer Sicherheit. Und in der Überlegenheit dieser Kriegsmaschine – nicht in der Überlegenheit der Moral der deutschen Soldaten – liegen unsre Erfolge begründet.

Mein liebes, teures Herz! Ich bin müde heute. Dazu spielt das Radio eine Musik, die mich ablenkt: Die Missa solemnis von Beethoven. Ich will den Halter hinlegen, will noch eine Weile den erhabenen Klängen lauschen und so das Fest erhoben und würdig ausklingen lassen. Vielleicht sitzt Du nun eben diese Stunde zu Hause bei derselben Musik. Und wenn nicht, Du weißt: bei allem Schönen und Großen, was ich erlebe, bist Du mir so nahe! Du, mein liebes Weib, das ich umkleiden und umgeben möchte mit allem Großen und Schönen – das in meinem Herzen wohnt, dort wo auch all dieses Große und Schöne wohnt.

Geliebte! Mein liebes teures Herz! Behüte Dich Gott!! Er schenke uns Kraft und Geduld, fest und treu auszuharren. Geliebte! Ein hohes, leuchtendes Ziel schwebt uns vor, um das auszuharren es sich lohnt. Ach, Herzlieb! Lohnt ist nicht das rechte Worte. Unsre Liebe gebietet uns – unsre Liebe schenkt uns Kraft und Mut! An ihr hängt unser ganzes Leben.

Ich liebe Dich von ganzem Herzen, mein Herzlieb! Ich bin ganz Dein! Ganz Dein – hier in der Fremde erst recht –

Dein [Roland]!! Du!! Mein liebes, treues Weib! Meine [Hilde]!!!!!!!!

Den lieben Eltern recht viel liebe Grüße!

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Autor Roland Nordhoff
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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946