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[OBF-410404-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 4. April 1941.

Mein liebes, teures Herz! Herzlieb! Geliebte mein!!

April schreiben wir. Dein Geburtstagsmonat, dieser närrische. Aber doch auch Ostermonat und Frühlingsbringer.

Ach, viel zaghafter, leiser und feiner setzt er an in der Heimat! Viel länger läßt er auf sich warten – desto froher begrüßen wir ihn dann. Ohne großes Aufsehen, ohne Umstände blüht hier alles drauflos: Pfirsiche, Kirschen, Äpfel, Birnen, Flieder – in dieser Fülle achtet man kaum dankbar das einzelne. Diese Apriltage mit sommerlicher Wärme am Mittag und mit den warmen Abenden, die bei uns selbst im Sommer selten sind, sie bieten sich hier verschwenderisch dar. Und noch ein anderes: das herrliche, vielstimmig jauchzende Konzert der Vögel in der Frühe, es ist hier nicht. Nur Hahnenkrähen und Sperlingsgezänk. Kleinigkeiten – vielleicht – und doch Wesensunterschiede, die bei Natur und Mensch mancherlei Parallelerscheinungen haben. Deutschlands Raum ist bekannt dafür, daß in ihm die Jahreszeiten am deutlichsten ausgeprägt sich abspielen. Frankreich hat keinen so rechten Winter, der Norden keinen richtigen Sommer, der Osten weniger ausgeprägte Übergangsjahreszeiten und gar nicht die Natur, an der sie in Erscheinung treten könnten.

Also, in der Heimat – ist es doch am schönsten!! Ach Du! Ob ich sie wohl vergessen könnte? Du! Du! Nie! Niemals!! Alle Sehnsucht müssen wir jetzt dämpfen und verschließen, dürfen ihr keinen Raum geben, weil wir dann schwach werden und weniger widerstandsfähig. Aber sie ist da! Du!!

In Deinen lieben Boten wünschst Du mir einen guten Kameraden! Herzlieb! Die beiden Sachsen halten gut zu mir. Du wirst sie im Bilde sehen. Der lange ist der Dresdner, K., 36 Jahre alt, Vater von 2 Kindern. Der kleine ist der Westener, er ist ein wenig bequem und geht nicht so oft mit aus. Übrigens, zu dem Ausgehen. Es macht uns viel Arbeit: putzen, waschen und bürsten. Diese Verrichtungen sind für den Bequemen schon ein Hemmschuh. Wenn wir recht schön untergebracht wären, auch mit einer Möglichkeit zum Hinstrecken draußen – dann blieben wir wohl oft daheim. Aber so fliehen wir auf ein paar Stunden die triste Umgebung – die Rückkehr ist dann freilich umso schlimmer. Und dann lockt natürlich auch, das fremde Getriebe und die schöne Gegend kennen zu lernen. Morgen Sonnabend wollen wir versuchen, möglichst zeitig abzuko[m]men, um ein bissel zu photographieren. Das soll nun so werden: Damit ich meine wenigen Devisen nicht angreifen muss, will ich Dir die rohen Filme schicken. Du sollst sie entwickeln lassen und Abzüge machen – vielleicht auch für die Kameraden mit – kannst dann als erste alles sehen, bist dann die Bild- und Vermittlungsstelle von uns, vielleicht macht es Dir Freude. Für die Bilder wünsche ich mir die Abzüge chamoix (schamoa)[sic] glänzend. Das wird ein wenig kostspielig zusammen mit den Auslagen für die Kameraden – aber diese Erinnerungen sind es schon wert, und die Auslagen bekomme ich ja wieder. Nun wollen wir nur hoffen, daß der Photograph sich geschickt anstellt.

Seit Montag haben wir ja unsre Schreibstube aufgetan. Viel Arbeit ist noch nicht. Aber abends haben wir nun einen festeren Platz zum Schreiben. In unsrer Schreibstube haben wir auch einen Radioapparat stehen, der läuft stundenweise auch während der Dienstzeit, wir hören Nachrichten – und ich darf daran denken, daß wir beide dasselbe hören. Und mit den Worten und Weisen ist uns auch die Heimat näher.

Die Post, Herzlieb, kommt ganz unregelmäßig bis jetzt, gestern und heute ist wieder gar keine angekommen. Es ist wahrscheinlich, daß sie heimatwärts schneller, und vielleicht regelmäßiger geht.

Alle Vermutungen über unser Verbleiben hier, sind völlig vag[e]. Möglich, daß die Guestreitereien [sic] der Jugoslawien [sic] das Tempo der geplanten Aktionen verzögern. Unser Ziel liegt in Gr.[sic], das ist ziemlich gewiß.

Herzlieb! Uns geht es gut jetzt. Der Dienst ist leicht, die Verpflegung gut und reichlich, die Witterung äußerst günstig, eher zu warm als zu kalt. Heute erhielten wir Befehl, nachts die Leibbinden anzulegen. Davon haben wir zwei Stück empfangen. Die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht verschärfen sich nach dem Sommer hin, und deshalb diese Maßnahme, um Erkältungen vorzubeugen. Du siehst, es ist für alles gut vorgesorgt. Jetzt werden auch Sonnenbrillen verteilt. Das kräftigere Sonnenlicht macht das notwendig. Uns ist streng verboten, hier Wasser zu trinken, obwohl das Trinkwasser in dieser großen Stadt sicher einwandfrei ist. Für besondere Fälle sind mit unserem Transport auch Moskitonetze mitgegangen. Hier im Ort befindet sich ein großes Lazarett, auch eine Zahnstation, die für uns morgen ihre Tätigkeit aufnimmt.

Weißt, solche Leibbinden werden auch wir uns später mal zulegen. Nun muß ich auch bald an den Geburtstagsbrief denken. Er wird das einzige sein, was ich Dir bringen kann zu diesem Tage, Du Liebe!!

Für den Bericht von Vaters 50. Geburtstag sei recht herzlich bedankt. Schön von H.s, daß sie uns wieder was möglich gemacht haben. Es sind doch liebe Leute, denen wir bald mal wieder die Freude eines Besuches machen wollen. Du Liebe hast wieder den größten Anteil an der würdigen Ausgestaltung von Vaters Ehrentag gehabt. Es tut mir so leid, daß ich nicht unter den pünktlichen Gratulanten sein konnte.

Herzlieb! Du erzählst mir so lieb davon, daß die lieben Eltern, auch Vater, so Anteil nehmen mit Dir an meinem Geschick, an unserem Glück. Du! Ich freue mich darauf, daß wir mit Deinen lieben Eltern auch eine rechte Familie bilden werden. Schade auch, daß meine Eltern nicht Gäste sein konnten in seinem Hause zum 50. Geburtstag.

Daß S. Euch besucht hat, freut mich. Ich kann mir gut vorstellen, daß er sich in seines großen Bruders warmem Neste recht wohlgefühlt hat, wohlgefühlt zum Übermütigwerden.

Mein liebes, teures Herz! Für heute will ich Deine lieben Hände drücken zum Gutenachtgruß.

Gott behüte Dich auf allen Wegen! Er sei uns gnädig und führe uns recht bald für immer einander zu!! Er führe recht bald den ersehnten Frieden herauf.

In der Verbannung muß Dein [Roland] leben, in rauher, harter Männerwelt. Sei ohne Sorge, er findet sich hierein gut, er hält aus – um Dich, für Dich, für uns, Herzlieb!! Reich und herrlich steht im Herzen das Bild der Heimat, Dein Bild, Geliebte!! Der Königin meines Herzens – oh, so schön, so lieb, so reich!! Geliebte! Mit tausend Fäden sind unsre Wesen fest und zart verbunden und verschlungen – ich bin so froh und glücklich darum – Du, mein liebes, teures Weib, mein Herzlieb, meine [Hilde]!!! Dein [Roland]!!!

Bitte grüße die lieben Eltern srecht [sic] herzlich!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946