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[OBF-410330-002-01]
Briefkorpus

Sonntag, am 30. März 1941.

Herzallerliebster Du!! Mein geliebtes Herz! Mein [Roland]!!

Vater hält Mittagsruhe, ich soll Dich recht herzlich und vielmals grüßen von ihm; er sagte es, ehe er sich niederlegte. Gestern abend, als ich Dir schrieb, war Vater wieder in Niederfrohna, Du weißt! Und brachte diesmal eine traurige Nachricht mit: sämtliche Butterfässer der Bauern hier wurden beschlagnahmt. Nun ist es also aus. Das war ein kleiner Schock für uns. Na, es muß auch so weitergehen.

Mutter weiß noch garnichts, sie ist seit ein paar Wochen des Daheimseins zum Wochenende wieder mal nach Oma gegangen, heute ist Lebensmittelmarkenausgabe. Um ½ 3 Uhr kommt sie heim mit dem Bus. Erst hatten wir für heute nachmittag einen kleinen Ausgang geplant, doch nun hat Vater die Lust verloren, weil es ganz trübe draußen geworden ist und auch kälter. Vielleicht gehe ich allein noch ein Stück, wenn ich nachher Deinen Boten zur Post bringe. Ich sehne mich einmal hinaus an die Luft und sehne mich darnach, mich einmal wieder auszulaufen. Dann denke ich so lieb an Dich, und es ist mir, als gingst Du an meiner Seite, Herzlieb! Du!!

Was wirst Du wohl heute tun? Bald, hoffe ich, halte ich ein liebes Zeichen von Dir in Händen. Heute ist nun der zweite Sonntag, da ich vergeblich ausschaute nach Deinem Boten. Dafür kam ein lieber Brief von unsrer Mutter aus Kamenz an. Sie lauert genau wie ich so sehr auf ein Wort von Dir. Sie hat für Euch 3 Buben etwas gebacken und wartet auf Deine Anschrift, sie denkt auch, daß sie sich ändert, Deine Nummer. Ich will ihr sofort Nachricht geben, wenn Du mir Deine neue Adresse mitteilst.

Hellmuth hat schon wieder mal marschbereit gelegen und jetzt ist alles wieder abgeblasen; er bleibt also vorderhand am alten Ort. Siegfried hat am Tag der Wehrmacht gekellnert! (Gewiß mit seinem Freunde!) Er hätte den größten Umsatz gehabt – habe aber auch dafür am meisten geschwitzt! Sonst geht es beiden noch gut. Sie fragen immer nach Dir! Und wir können ihnen so [he]rzlich wenig sagen. Ob wohl bei Euch zum Tag der Wehrmacht auch so großer Betrieb war wie hier in den Garnisonen? In Freiberg, erzählte Trude G., seien diesmal 20000 RM eingekommen! Voriges Jahr hingegen 5000 RM! Alles, was man sich im Zusammenhang mit Militär denken könnte, sei aufgeboten worden, an öffentlichen Vorführungen und Lustbarkeiten. Es sei sehr schön gewesen.

Vater fühlt sich recht einsam, meint Mutter. Er tut m[i]r recht leid, auf seine alten Tage noch solche Entbehrung, es ist für ältere Leute schon so im großen und ganzen eine Überwindung und nicht einfache Fügung in das jetzige Leben. Man denke nur mal allein an das bissel Ernährung – Vater ist ein viel angenehmeres Familienleben gewöhnt von Hause und nun muß er sich lieblos von Fremden betreuen lassen. Wenn mir erst die Jahreszeit noch ein wenig vorgerückt ist, dann will ich ihn öfter mal aufsuchen am Wochenende und er soll auch hierher zu uns kommen – es ist ja so nahe. Viel näher als Kamenz. Dann wird er das Ganze sicher ein bissel leichter tragen, wenn er mal einen Menschen um sich hat, mit dem er sich offen aussprechen kann.

Wenn es eben garnicht werden will, dann mag er auf die Bahne pfeifen. Er hat es doch garnicht nötig, sich zu opfern, bei seiner Dienstzeit! Na, Vater wird das auch schon am besten selbst wissen. Und Mutter gibt da schon auch gut acht.

Mutter kommt nach Ostern zu uns! Ich freue mich schon. Sie ist nun auch recht einsam, an den Sonntagen besonders[,] schrieb sie mir. Wenn es möglich ist, besuch ich sie auch wieder [ein]mal paar Tage. Ich muß bloß noch abwarten, bis unsre Neurenovierung beendet ist: Ofensetzer, Maler! Der Maler will noch vor Ostern kommen. Ich warte jeden Tag auf ihn. Hoffentlich wirds' nun richtig Frühling, damit es gut trocknet. Und die Wäsche soll auch draußen getrocknet werden. Heute scheint es, als wolle es wieder mal [s]chneien zur Abwechslung.

Die Mutter ist nun da und es ist nun ein bissel unruhig, Vater ist aufgestanden. Es gibt nun dies und jenes zu erzählen. Ich will jetzt gleich nochmal auf den Oberboden steigen, sehen, ob meine Wäsche bald trocken ist. Gestern hab ich den ganzen Tag damit zugebracht und dabei war es nur eine Kleinwäsche. Heute ist auch wieder Wunschkonzert, mal sehen, ob ich es bis zu Ende anhöre – will doch nochmal hinaus. Du! Mein [Roland]! Von der Mutsch viele herzliche Grüße und alle guten Wünsche für Dich! Sollst bald mal schreiben, Du!! Nun, mein herzliebes Mannerli, für heute auf Wiederhören! Ich denke in inniger Liebe Dein, Du! Ich bin Dir sooo gut! Sei ganz froh und glücklich mit mir, Du!! Und ich wünsche Dir einen schönen Sonntag!

Bald, bald wird Dein lieber Bote kommen. Du!!!

Wie ich mich freue! Wie sehr! Geliebter!

Gott behüte Dich mir! Er schaue gnädig auf unser Glück – er lasse Dich recht bald gesund für immer heimkehren! Mein Sonnenschein! Mein Glück!

Ich liebe Dich! So innig und treu! Für alle Zeit! Du!!

Immer Deine [Hilde]. Dein!!!!!

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946