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[OBF-410330-001-01]
Briefkorpus

Sonntag, den 30. März 1941.

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Sonntagmorgen ist. Um 8 Uhr ist erst Wecken. Es mag jetzt gegen ½ 7 Uhr sein. Die Stille nehme ich wahr, um Dir meinen Sonnabendgruß zu senden. Gestern mußten wir schon früh um 5 Uhr aus den Decken, weil ein Teil der Kameraden auf Reisen ging. Am Vormittag Großreinemachen auf ganzer Front. Die Stuben und Stubenbelegschaften wurden nun eingeteilt. Nun liegen wir doch nicht mehr ganz so eng und können alles ein wenig besser organisieren im Interesse einer größeren Sauberkeit. Der Leutnant, der bei uns geblieben ist, ist ein vernünftiger, feiner Kerl. Gestern gab es Urlaub bis 24 Uhr (will nicht sagen, daß daß [sic] nun gerade vernünftig war für die meisten), er ließ uns in Anbetracht der Wärme ohne Überzieher ausgehen usw. Bei dem Umräumen gestern ist auch eine Schreibstube eingerichtet worden, und am Montag wird der Betrieb also, wenn auch vorläufig behelfsmäßig, anlaufen und wir haben einen Arbeitsplatz. Herzlieb, wenn ich das alles so erzähle, sollst Du nun nicht denken, daß Deinem Hubo dieses Kommißleben anfängt zu gefallen. O Herzlieb! Du weißt, Du weißt es, was ich darum gäbe, wieviel tausendmal lieber ich bei Dir wäre, jetzt gleich zu Dir käme! O Geliebte!! Nein, diese kleinen Segnungen verzeichne ich dankbar, weil sie uns alles erträglicher machen und damit Du Dir nicht zuviel Sorgen machst. Herzlieb! Und so magst Du all das aufnehmen, wovon ich Dir berichte. Und bekämen wir jetzt alle Schönheiten dieser Erde zu sehen, mein Blick bleibt leis umflort, mein Herz im Grunde betrübt, weil ich nicht bei Dir sein kann, weil Du mir fern bist, die doch zu mir gehört, immer an meine Seite, ganz und immer, unser Ringlein ist dessen Zeuge!! Ach Geliebte! Ich mag nicht von meiner Sehnsucht schreiben, heute noch nicht! Darf ich auch im Tage nicht Raum geben, jetzt noch nicht, weil ich mich damit unglücklich machen würde. Aber im Herzensgrunde, da schlummert es tief und groß und unauslöschlich, das Sehnen, das Heimverlangen, Du!!! Und alle Schönheit, die ich nun schauen darf, sie weckt alles Erinnern – so wie gestern. Nach dem Essen war ich zum Kartoffelschälen kommandiert. Dann habe ich mich erst mal niedergelegt. Um 4 Uhr [habe ich] mich dann fein gemacht zum Ausgehen. Gegen 5 Uhr trat ich aus dem Tor, allein, die Kameraden waren schon eher ausgeflogen – ich wollte sie dann treffen. Schwül war es. Mit dem Foto (gestern bin ich nicht zum Schuß gekommen) in der Hand[,] ist Dein Matrosenhubo mit der Bändermütze durch die Straßen geschlendert, hat sich eine Tüte Äpfel gekauft, die er dann auf einer Bank in den Anlagen verschnorpst hat. Dann bin ich auf den Bergklotz zugesteuert, der die Wirtschaft trägt an seinem Abhang. Ich kam durch ein Stadtviertel mit ganz modernen, reichen Villen – wieder durch schöne Anlagen – und dann ging es berg an [sic]. Mit jedem Schritte höher bot sich dem Auges schöner und großartiger, ein prächtiges Bild. In den Farben und Tönen des Abendlichtes die Stadt mit den Bergklötzen inmitten. Der Gebirgszug, kahl zumeist, im Süden mit seinen Tälern und Schrammen herrlich modelliert, in dem breiten mächtigen Tal silberglänzend die Windungen der Maritza – weithin sichtbar – und im Norden der Balkan mit hohen schneebedeckten Gipfeln, die im Sonnenlichte wunderbar erglänzten. Ich wünschte Dich an meiner Seite, das Entzücken mit Dir zu teilen. Die Kameraden, R. aus Dresden und H. aus Lohmen, saßen bei einem Glase Wein in der [Gast]Wirtschaft, die in halber Höhe liegt. Ich brachte sie gleich noch einmal mit auf die Beine. Auch sie waren beeindruckt von dieser Schönheit und haben schon 2 Stunden auf dem Gipfel verweilt. Nun sind wir gemeinsam zur Spitze. Dort oben haben Flieger eine Flakstellung bezogen. Weil sie so wacker mich noch einmal nach oben begleiteten, lud ich sie (die Kameraden) zu einem Glase Wein aus meiner Tasche ein. Und den ersten Schluck haben wir auf das Wohl unserer Frauen getan. Sind ein paar liebe Kameraden – möchten auch lieber zu Haus sein, haben kleine Kinder. R. ist Bankangestellter, und ist schon viel gereist in seinem Leben. H. ist Büroangestellter und arbeitet in Dresden. Mit diesen Dreien werde ich heute wieder ausfliegen, und dann wollen wir mal fotografieren, wir blauen Männer, damit unsre Frauen mal sehen, wie wir hier aussehen und leben, und damit sie sich ein wenig darüber freuen.

Ach Herzlieb! Noch ist keine Post da, noch weiß ich nicht, was Du treibst und denkst und ob Du meiner denkst. Aber bald werde ich es lesen, bald werde ich es wissen, wie lieb, wie so unendlich lieb und fest Du mich hältst und mein Bild bewahrst. Und wenn ich auch keine Post bekam[,] ich weiß [es] und bin dessen so sicher und tausendmal gewiß. O Herzlieb! Ich fühle sie so wohltuend und tröstlich und dankbar Deine große, tiefe Liebe, die mich so auszeichnet, und die mich so soo reich beschenkt und beglückt. Du hast mich damit ganz ganz fest umgarnt und gefangen, Herzliebes, niemand vermöchte mich von Deiner Seite zu reißen, keine Verführung daheim, kein Abenteuer hier in der Fremde. Meine [Hilde]! Du kennst Deinen [Roland]. Du weißt wie alles tief und schwer ihn ergreift, was ihn angeht. Geliebte! Ich bin ganz Dein! Unverlierbar! Dein [Roland]!

Mein liebes teures Herz! Soweit der Sonnabendbrief. Heute will ich ja noch einmal Deiner denken. Jetzt will ich mich gleich noch [ein]mal aufs [sic] Ohr legen und in Deinen Sonntagmorgen hineinsehen, [ein]mal schauen, ob ich [et]was sehe und höre, Du!! Du!!!!! Geliebte!!

Gott behüte Dich! Er führe uns bald, recht bald zusammen! Herzlieb! Verlebe zusammen mit den lieben Eltern einen recht frohen Sonntag. Vielleicht erreicht Dich einer meiner Boten und bringt Dir ein wenig Freude. Möchte auch dieser Dich froh machen. Unsre froheste Gewißheit aber, uns[e]re größte Freude, Herzlieb, die tragen wir in uns: unsre Liebe. Du bist mein! Mein liebes, teures Weib! Du!! Du!!!!! Ich liebe Dich ganz sehr! Und ich bin und bleibe Dein Hubo und [Roland] und Dickerle und was Du sonst noch sagen magst! Du!! DU!!!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946