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[OBF-410328-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 28.März 1941.

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Wenn ½ 5 Uhr der Dienst beendet ist, dann macht sich alles fertig zum Ausschwärmen in die Stadt. Urlaub ist bis 11 Uhr am Abend. Ich wollte heute eigentlich auch zur Stadt, um einmal zu baden. Aber nun sind wir geschlossen gegangen, das war mir lieb, auch darum, weil damit die kostbaren Lewa gespart werden. Lewa, das ist hier die größere Einheit. Ein Lewar gilt 3 [ein Wort unleserlich, wohl: Mark].

300 Lewa haben wir als einmalige Zahlung erhalten, mehr gibt es nicht. Da heißt es einteilen und kalkulieren. Die meisten sind schon am Ende ihrer Kunst. Etliche Lewa muß ich rechnen für das Waschen meiner Wäsche. Wir waren kaum hier, als schon die Frauen aus den Nachbarhäusern herzukamen, und händereibend sich erboten, unsere Wäsche in Ordnung zu bringen. Das machen sie auch wirklich gut und billig [siehe Abbildung].

So bin ich also heute zu Haus geblieben, habe ein wenig meine Sachen geordnet, die Stube gefegt, in solchem Massenquartier wird immer ein unheimlicher Dreck.

Überall in den Stuben wird schon gerüstet. Morgen geht ein Teil von uns in Kraftwagen fort als Vorkommando. Wohin? Unbestimmt. Wir werden ihnen folgen und haben so gewisse Vermutungen; der Ort, den wir dann ansteuern, wird voraussichtlich unser fester Sitz sein für die Dauer dieses Krieges.

Im Mittelpunkt des Interesses für die Politik steht gegenwärtig Jugoslawien. Es war nur zögernd und unter bestimmten Bedingungen dem Dreimächtepakt beigetreten und heute verlautet, daß die führenden Männer über Nacht gestürzt worden sind, daß unter Führung des englandfreundlichen Prinzregenten eine deutschlandfeindliche Machtgruppe die Regierung in die Hände genommen hat und augenblicklich das Land sich in einer Revolution befinde. Diese selbstmörderische Handlungsweise dieses Raates [sic] ist nur denkbar, weil Italien sich so schwach gezeigt hat. Diese Manöver können die deutschen Pläne wohl kaum stören. Die hier zusammengezogene starke Streitmacht aller Gattungen ist wohl für den Kampf gegen Griechenland bestimmt, das, wie im Vorjahre Norwegen, von England als Ausgang eines Angriffs gegen unsre Vormacht und Vorratskammer Südosteuropa ausersehen scheint. Wir werden bald sehen. Die Bulgaren zeigen sich uns in jeder Weise freundlich. Man muß staune[n], an wieviel Enden die ganze Politik eingefädelt ist und darf gespannt sein, ob England auf diese Weise tödlich getroffen werden kann, und das in kurzer Zeit, ehe die Hilfe Amerikas wirksam werden kann. Der einzelne Soldat spielt in diesem Spiel eine ganz nichtige Figur.

Vom [siehe Ausschnitt aus dem Brief] Bad vergaß ich zu erzählen. Es ist eine originelle Anlage wohl nach Art der alten römischen Bäder. Um eine größere viereckige Halle gruppieren sich halbkreisförmige Seitenhallen. Das ganze ist hoch gewölbt, Fußböden und Wände ganz aus Marmor, die Fußböden geheizt. Nach dem Rande hin Stufen und ringsum runde marmorne Becken mit Wasserhähnen, daneben stehen zinnerne Schalen, sich damit zu begießen. Das ganze recht zweckmäßig [siehe Ausschnitt aus dem Brief] und richtig zum Mantschen und Plantschen.



Wieder kommt die Dämmerung. Seit Mittag hat sich der Himmel mit drohenden Wolken überzogen, es weht ein feuchter, erfrischender Wind, vorhin hat es ein wenig gesprüht, aber es hat keine Art zu regnen.

So, nun schreibe ich in unsrer Stube weiter. Das Licht hängt hoch und ist etwas mühsam. Draußen ist es noch warm, beinahe schwül. Laut und lärmig sind die Abende hier, bis gegen 10 Uhr. Die Kinder sind lange draußen. Die Stille der Nacht wird von Zeit zu Zeit unterbrochen von Hundegebell und Hahnenkräh,und von Eselschreien [,] [siehe Ausschnitt aus dem Brief] vergangene Nacht auch vom Quaken der Frösche. Katzen huschen hin und her, dort, wo wir unsre Abfälle sammeln, kauerten vorhin wenigstens 6 Katzen.



Hier in der Stadt sind alle Schulen belegt. Die Kinder werden Ferien haben. Überall im Straßenbild fallen die Schüler der höheren Schulen auf – es gibt deren hier mehrere – sie tragen Uniformen. In unserm Quartier erscheint täglich ein Schüler, der sich als Dolmetscher betätigt. [siehe Ausschnitt aus dem Brief]



Auf dem Dienstplan für morgen[,] Sonnabend[,] steht nur Großreinemachen. Ab 14 Uhr gibt es Urlaub. Wie ich ihn nutzen werde, auch den Sonntagsurlaub, weiß ich noch nicht. Falls ich ein Stück nach auswärts gehe, werde ich mich dem Kameraden R. aus Dresden anschließen. Leider habe [ich] garnicht daran gedacht, mich mit Filmen zu versehen. Unsre Kantine hat welche mit. Aber sie gibt noch keine raus. Filme, deutsche, gibt es auch hier, aber dafür mag ich doch meine Lewa nicht ausgeben.

Post ist heute noch keine gekommen. Wir können nun täglich mit ihrer Ankunft rechnen. Hoffentlich muß mein Herzlieb nicht so lange warten. Deine Ungeduld muß ja die größere sein. Ach Herzlieb, ich kann nun für Dich jetzt gar nichts tun als Dir eben getreulich berichten, kann Dir auch nichts schicken und schenken. Etwas hat mir ganz sehr in die Augen gestochen: eine Bulgarenbluse, eine dünne weiße Bluse mit schönen Handstickereien. Aber es geht weit, weit über mein „Lewenkapital". Wir müssen eben später mal diese Tour zusammen machen und mitnehmen, was uns gefällt. Der meiste Kram hier kommt ja erst aus Deutschland und ist in der Qualität nicht der beste.

Meine liebe, liebe [Hilde]! Ich will nun schließen für heute. Ich bin müde – vielleicht vom Baden. Wenn unser Lager auch alles andere als schön und bequem ist, so habe ich doch ganz schön geschlafen dabei. Ach, Dein Mannerli ist auch darin noch nicht verwöhnt, und das ist gut.

Behüte Dich Gott, Herzlieb! Haben die Sterne meine Grüße bestellt? Ach Du, ich habe Deiner lieb und fest gedacht auf meiner Wache. Habe zurückgedacht – und, wie könnte ich anders – habe vorausgeträumt. Ach Herzlieb! Glücklich und dankbar habe ich all Deiner großen Liebe und Hingabe gedacht – unverlierbar sind wir einander verbunden – Gott segne unseren Bund!

Bitte grüße die lieben Eltern recht herzlich!

Ich bin Dein [Roland]! Ich gehöre Dir ganz! Ich bin Dein! Bin so reich, glücklich in Deiner Liebe, Du!! Du!!!!! Gott schenke uns bald ein frohes Wiedersehen auf immer! Du! Mein Gedanke! All mein Sein und Werden!!

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.410328-001-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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